
Warum ich beschlossen habe, wieder wild zu sein
Lenas Welt
Hier schreibt Lena Martens – 38 Jahre alt, Mutter, ganz gut im Job und Liebhaberin von extra starkem Kaffee, guter Musik und tiefgehenden, aber unterhaltsamen Gesprächen über das Leben.
Neulich stand ich mit einem Glas Wein in der Hand auf meiner Terrasse, während meine Kinder im Garten herumtobten. Ihr Lachen war laut, schrill, ungefiltert – und ich? Ich ertappte mich dabei, wie ich „Nicht so wild!“ rief. In dem Moment traf es mich wie ein Schlag: Seit wann bin ich die Erwachsene, die Spaß deckelt?
Ich erinnere mich noch an meine eigene Kindheit. Ich war das Mädchen, das barfuß durch Pfützen sprang, Baumhäuser baute und sich erst dann entschuldigte, wenn es wirklich nötig war. Ich war wild, frei und stark – und dann? Dann wurde ich vernünftig.
Von Listen und Regeln
Das Erwachsensein kam nicht über Nacht. Es war ein schleichender Prozess. Zuerst waren da die Schulnoten, dann die Karriere, später die Kinder. Ich tauschte meine Spontaneität gegen To-do-Listen, meine Träume gegen Verantwortungsbewusstsein und meine Lautstärke gegen angepasstes Verhalten. Und das Schlimmste? Es fiel mir lange nicht mal auf.
Aber hier ist das Ding: Ich vermisse mich manchmal.
Nicht die Frau, die alles im Griff hat – sondern die, die auch mal laut lacht, einfach so. Die, die etwas Neues ausprobiert, ohne erst 27 Erfahrungsberichte zu lesen. Die, die Nein sagt, wenn sie keine Lust hat, sich zu erklären. Ich vermisse die Version von mir, die sich keine Gedanken darüber macht, ob sie zu albern, zu laut oder zu unvernünftig wirkt. Die, die das Leben spürt – nicht nur organisiert.
Ein Plan, der keiner ist
Also habe ich beschlossen, mich selbst ein bisschen herauszufordern. Jeden Tag eine kleine Tat, die mich zurück zu mir bringt. Ein Anti-Erwachsenwerden-Manifest in sechs Punkten:
- Morgens Musik aufdrehen, laut mitsingen, auch wenn es die Nachbarn hören. Weil gute Laune ansteckend ist – und weil ich mich nach dem ersten Kaffee sowieso für eine Rocklegende halte.
- Ein Treffen absagen, wenn ich keinen Bock habe. Ohne Ausrede, ohne schlechtes Gewissen. Einfach nur, weil ich nicht muss.
- Mich selbst nicht dafür verurteilen, dass ich die Wäsche einen Tag später mache. Der Haushalt läuft nicht weg – und wenn doch, bitte in Richtung Waschsalon.
- Einen Lippenstift tragen, den ich mich sonst nie trauen würde. Weil Mut in kleinen Dingen beginnt.
- Jemandem ein ehrliches Kompliment machen. Nicht aus Höflichkeit, sondern weil ich es wirklich so meine. Die Welt braucht mehr davon.
- Einfach mal nichts tun – und es genießen. Kein Produktivitätszwang, kein schlechtes Gewissen. Einfach nur sein.
Die Rückkehr zu mir selbst
Und weißt du was? Es fühlt sich gut an. Noch ein bisschen ungewohnt, aber gut. Es ist, als hätte ich eine alte Freundin wiedergefunden – mich selbst. Nicht die perfekte, nicht die durchgetaktete, sondern die wilde, freie Version. Die, die sich traut, das Leben ein kleines bisschen chaotischer zu machen. Die, die Fehler macht und dabei lacht.
Ich bin vielleicht keine Madonna, aber ich kann mich verdammt nochmal so fühlen, wenn ich will.
Bist du dabei?