Psychologie

„Mein Mann hat heimlich …”

Erzähl mir dein Leben:

„Erzähl mir dein Leben“ ist der Ort, an dem Menschen ihre ganz persönliche Geschichte teilen. Ob große Herausforderungen, kleine Freuden, unerwartete Wendungen oder mutige Entscheidungen – hier findet jede Lebensgeschichte ihren Raum. Durch das Erzählen entdecken wir uns selbst und können auch anderen helfen.

Er hat eine Wohnung angemietet und mich verlassen. Er hat das von langer Hand geplant.

Dann wollte ihr Mann zurück, aber Lena, 45 Jahre alt, hat sich entschieden, nicht mehr in die alte Beziehung zurückzukehren. 


Lena, vielen Dank, dass du bereit bist, über deine Situation zu sprechen. Kannst du uns erzählen, wie es dazu kam, dass dein Mann dich nach 20 Jahren verlassen hat?

Lena:
Es war ein Schock, der mich völlig unvorbereitet traf. Mein Mann, Thomas, und ich waren 20 Jahre verheiratet, und obwohl wir Höhen und Tiefen hatten, dachte ich immer, dass wir gut zusammenpassen und unser Leben gemeinsam meistern würden. Wir haben zwei Kinder großgezogen, ein Haus gebaut und waren ein eingespieltes Team – zumindest dachte ich das.

Eines Tages, vor etwa sechs Monaten, kam Thomas von der Arbeit nach Hause und sagte, er müsse mit mir reden. Ich habe sofort gespürt, dass etwas nicht stimmte. Er wirkte nervös und verlegen. Dann sagte er mir, dass er sich eine eigene Wohnung angemietet hat und mich verlassen möchte. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Ich hatte keine Ahnung, dass er überhaupt über so etwas nachdachte. Es war, als ob mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

Er sagte, dass er Zeit für sich brauche, dass er sich in der Ehe gefangen fühle und nicht mehr glücklich sei. Er wollte raus, ein neues Leben anfangen. Ich konnte nicht glauben, was ich hörte. Nach 20 Jahren packte er einfach seine Sachen und ging. Es war das schmerzhafteste Erlebnis meines Lebens. Ich fühlte mich betrogen und verlassen.

Wie hast du auf diese Nachricht reagiert?

Lena:
Zuerst war ich wie gelähmt. Ich konnte gar nicht richtig verstehen, was da gerade passiert. Alles, was wir gemeinsam aufgebaut hatten, schien plötzlich nichts mehr wert zu sein. Ich habe geweint, geschrien, gefragt, warum er das tut. Ich habe sogar gebettelt, dass er bleibt. Aber er hatte bereits seine Entscheidung getroffen. Heimlich. Ich fühlte mich völlig allein. Unsere Kinder sind mittlerweile erwachsen und ausgezogen, also war ich plötzlich in einem großen leeren Haus – allein.

Es war eine unglaubliche emotionale Achterbahnfahrt. Ich habe versucht, zu verstehen, was schiefgelaufen ist. War ich zu bequem geworden? Hatte ich etwas übersehen? Habe ich zuviel von ihm verlangt? Es gab keine Anzeichen, keine großen Streits, nichts, was mich hätte darauf vorbereiten können. Sicherlich hatten wir unsere Meinungsverschiedenheiten, aber nichts, was man nicht klären könnte. Dachte ich. Er sagte nur, dass er Zeit brauche, um herauszufinden, wer er wirklich ist und was er will. Aber für mich klang das wie eine Ausrede.

Die ersten Tage nach seinem Auszug waren die schlimmsten. Ich konnte kaum schlafen, habe ständig geweint und wusste nicht, wie ich weitermachen sollte. Es fühlte sich an, als ob meine ganze Welt zusammengebrochen war.

Was hat dich dann dazu gebracht, mit einem gemeinsamen Freund zusammenzukommen?

Lena:
Es war wirklich überraschend, wie sich die Dinge entwickelt haben. Zwei Wochen nach Thomas’ Auszug hatte ich Kontakt zu einem gemeinsamen Freund von uns, Markus. Er hatte sich gemeldet, um zu sehen, wie es mir geht, weil er von der Trennung erfahren hatte. Wir kannten uns schon lange, waren immer gut befreundet, aber ich hatte nie an ihn in einem romantischen Kontext gedacht.

Markus war in dieser schwierigen Zeit eine unglaubliche Stütze. Wir haben lange Gespräche geführt, und er hat mir geholfen, den ersten Schmerz zu überwinden. Er war da, als ich niemanden sonst hatte, der mich verstand. Irgendwann hat sich diese Freundschaft in etwas mehr verwandelt, und ich habe mich in ihn verliebt. Es war nicht geplant, und es ging auch nicht darum, über Thomas hinwegzukommen. Es fühlte sich einfach richtig an.

Markus war liebevoll, verständnisvoll und hat mich wieder zum Lachen gebracht. Er zeigte mir, dass ich auch ohne Thomas glücklich sein kann. Es ging schnell, das weiß ich, aber in dem Moment, als ich mich mit Markus zusammenfand, wusste ich, dass ich nicht mehr zu Thomas zurück wollte.

Und jetzt möchte dein Mann zurück. Wie kam es dazu, und wie fühlst du dich dabei?

Lena:
Ja, vor etwa einem Monat hat sich Thomas wieder bei mir gemeldet. Er sagte, dass er einen Fehler gemacht habe und mich zurück wolle. Er habe gemerkt, dass das Leben, das er sich erhofft hatte, nicht das ist, was er wirklich will. Plötzlich war er voller Reue und wollte unsere Ehe retten. Er sprach davon, dass er mich immer noch liebe und dass wir nach so vielen gemeinsamen Jahren nicht einfach alles wegwerfen sollten.

Als ich das hörte, war ich zuerst völlig perplex. Er hat mir so viel Schmerz zugefügt, und jetzt wollte er einfach zurück, als ob nichts gewesen wäre. Aber die Wahrheit ist, ich habe mich verändert. In den Wochen, in denen ich allein war und später mit Markus zusammenkam, habe ich gemerkt, dass ich stark bin und dass ich nicht mehr die gleiche Frau bin, die ich vor seiner Flucht war.

Ich fühle mich heute freier, selbstbewusster und endlich wieder glücklich. Die Vorstellung, zu Thomas zurückzukehren, fühlt sich für mich einfach falsch an. Ich will nicht mehr zu dem zurück, was wir hatten. Es gab zu viel Schmerz, zu viel Verrat, und ich habe gemerkt, dass ich ohne ihn besser dran bin.

Wie hat dein Mann auf deine Entscheidung reagiert, nicht mehr zurück zu wollen?

Lena:
Er war natürlich schockiert und enttäuscht. Ich glaube, er hat erwartet, dass ich ihn mit offenen Armen wieder aufnehme, weil wir so lange zusammen waren. Aber ich konnte das nicht. Ich habe ihm klar gesagt, dass ich mein Leben weiterleben will und dass ich mit Markus glücklich bin. Er hat versucht, mir das auszureden, sagte, dass es nur eine Phase sei und dass unsere lange gemeinsame Geschichte wichtiger sei als das. Er wolle ja nie die Scheidung, sondern nur etwas verändern. Ich sei ihm zu dominant gewesen und er habe mir zeigen wollen, dass er auch jemand wäre. 

Aber für mich ist die Ehe mit Thomas vorbei. Er hat unsere Beziehung beendet, als er beschlossen hat, einfach zu gehen. Jetzt, wo ich jemand anderen gefunden habe, der mir zeigt, wie es sich anfühlt, wirklich wertgeschätzt zu werden, gibt es für mich kein Zurück mehr.

Thomas war wütend, als er merkte, dass ich ernsthaft nicht mehr zurück will. Es ist schwer für ihn zu akzeptieren, aber ich weiß, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Er muss jetzt mit den Konsequenzen seiner Entscheidung leben.

Wie ist deine Beziehung zu Markus jetzt? Glaubst du, dass es langfristig hält?

Lena:
Markus und ich sind glücklich zusammen. Es ging alles schneller, als ich es jemals erwartet hätte, aber manchmal passieren die Dinge im Leben, wenn man sie am wenigsten erwartet. Er war in der schwierigsten Zeit meines Lebens für mich da, und das hat unsere Beziehung unglaublich stark gemacht. Ich fühle mich bei ihm sicher und geliebt, auf eine Weise, die ich schon lange nicht mehr gefühlt habe.

Wir haben natürlich darüber gesprochen, wie schnell alles ging, und wir nehmen uns bewusst Zeit, um unsere Beziehung zu vertiefen. Aber ich habe das Gefühl, dass wir auf einer soliden Basis stehen. Er versteht mich, und wir sind offen miteinander. Es fühlt sich ehrlich und richtig an. Ich habe keine Zweifel, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben.

Was wünschst du dir für die Zukunft, sowohl für dich als auch für deine Beziehung zu Markus?

Lena:
Für die Zukunft wünsche ich mir vor allem, dass ich mein Leben so weiterführen kann, wie ich es jetzt tue – mit Freude, Freiheit und ohne die Last der Vergangenheit. Ich habe gelernt, dass ich für mein eigenes Glück verantwortlich bin, und das ist eine unglaublich wichtige Erkenntnis für mich. Ich habe viele Jahre in einer Ehe verbracht, die ich als stabil und sicher empfunden habe, aber jetzt weiß ich, dass Stabilität nicht alles ist. Ich will mehr als das – ich will wahre Verbindung und Liebe.

Mit Markus wünsche ich mir, dass wir weiterhin glücklich miteinander sind und unsere Beziehung langsam weiterentwickeln. Wir haben keine Eile, aber ich sehe eine gemeinsame Zukunft für uns. Es fühlt sich an, als hätte ich einen zweiten Frühling in meinem Leben, und ich bin bereit, ihn in vollen Zügen zu genießen.

Was Thomas betrifft, hoffe ich, dass er seinen Weg findet und Frieden mit seiner Entscheidung schließt. Ich werde ihm nicht den Rücken zukehren, weil wir so lange zusammen waren, aber ich bin sicher, dass unsere Ehe für mich ein Kapitel ist, das ich hinter mir lassen möchte.

Lena, vielen Dank, dass du so offen über deine Gefühle und deine Situation gesprochen hast.

Lena:
Danke dir. Es war nicht leicht, aber ich hoffe, dass meine Geschichte anderen Mut macht, die in ähnlichen Situationen stecken – es gibt immer einen Weg, weiterzugehen und sich selbst neu zu finden.
Gern. Es tut gut, darüber zu sprechen, und vielleicht hilft es anderen Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, zu wissen, dass sie nicht allein sind.rdnung ist, diese zu gehen.

Der Kommentar von Nina, unserem Selbsthilfe-Coach:

Ein Ende ist immer auch ein Neuanfang.
“Lena hat einen großen Vertrauensbruch erlebt, als ihr Mann ohne Vorwarnung plötzlich auszog. Eine Aktion, die offensichtlich von langer Zeit vorbereitet und geplant war. Das war mehr als nur ein Vertrauensbruch – es war eine organisierte Flucht. Statt sich den Herausforderungen einer Partnerschaft zu stellen, Kritik zu äußern und nach Lösungen zu suchen hat er den einfachen Weg gewählt und Lena im wahrsten Sinne des Wortes mit den Scherben der Beziehung zurückgelassen. 

Die Begründung, sie sei zu dominant gewesen, ist dabei nichts anderes als ein Versuch, die Schuld abzuwälzen. Es ist ein klassisches Muster: Wenn die eigenen Schwächen und Unsicherheiten ans Licht kommen, wird der andere beschuldigt, zu viel zu fordern, zu stark zu sein. Da gibt es doch einen Spruch von Pfefferminz-Bonbons: „Sind sie zu stark oder bist du zu schwach?“ Ich finde, das passt hier wie die Faust aufs Auge. Lenas Mann hat sich entschieden, zu fliehen, anstatt an sich und der Beziehung zu arbeiten. In der Leere, die er hinterließ, hätte Lena leicht bitter und misstrauisch werden können. Ein solcher Vertrauensbruch, der einen Menschen kalt erwischt, kann tiefe Wunden hinterlassen. Hier griff nun das Schicksal ein – manchmal hat man eben auch Glück. So scheint es zumindest und ich wünsche es dir, liebe Lena, auch wirklich von Herzen. Es klingt aber so, dass der neue Partner Qualitäten mitbringt, die Lena vorher nicht kannte. Er ist offen, zugewandt und aufrichtig. Zudem hat die Erfahrung auch ihre Perspektive geschärft: Sie weiß nun genau, was sie von einer Partnerschaft erwartet und welche Werte für sie unverhandelbar sind.

Es geht nicht mehr nur darum, einen Partner zu finden, der da ist, sondern jemanden, der bereit ist, sich wirklich zu engagieren. Viele Menschen leben in einer Beziehung einfach nebeneinander her und nicht miteinander. Oft sind es die Frauen, die sich mehr Nähe wünschen, während die Männer gerne alles so lassen, wie es ist. Ich weiß es natürlich nicht genau, aber ich würde vermuten, dass genau daran die erste Beziehung gescheitert ist. Vermutlich hat Lenas Ehemann gespürt, dass Lena Erwartungen hat, die er nicht erfüllen kann oder möchte. Der Auszug kann vor diesem Hintergrund tatsächlich eine Art „Machtprobe“ darstellen, mit der er sagen möchte: „Entweder wir bleiben zu meinen Bedingungen zusammen, oder gar nicht!“ 

Dazu passend ist der Wunsch, zurückzukehren und die Ehe aufrecht zu erhalten, als er merkt, dass Lena nicht mehr erreichbar ist. Eigentlich sollte die Aktion Lena klein halten, stattdessen hat sie dafür gesorgt, dass Lena für sich selbst einsteht. Am Ende hat es sie sogar stärker gemacht. So ist Lenas Geschichte ein klassisches Beispiel dafür, dass in jeder Krise auch immer die Chance auf etwas Besseres steckt.”

Deine Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Egal, ob du selbst schreibst oder liest – „Erzähl mir dein Leben“ verbindet uns alle durch das, was uns am meisten ausmacht: unsere Erfahrungen. Du möchtest deine Geschichte erzählen? Dann schreib uns eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.

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