Psychologie

Lange Babypausen können gesundheitliche Risiken erhöhen

Wer ein Baby bekommt, freut sich oft auf eine lange, kuschelige Zeit zuhause. Wochen und Monate voller Nähe, Nestwärme, Babyduft. Kein Stress, kein Chef, kein Pendeln. Nur du und dein Kind. Klingt doch herrlich, oder?

Doch eine neue Studie aus Wien zeigt: Diese Idylle hat manchmal auch eine Schattenseite, mit der kaum jemand rechnet. Denn: Je länger Mütter in Elternzeit bleiben, desto höher ist später das Risiko, regelmäßig zu rauchen.
Diese überraschende Erkenntnis stammt aus einer Analyse von über 8.500 Müttern in 14 europäischen Ländern und wurde im Journal of Health Economics veröffentlicht.


Die Hintergründe

Längere Mutterschutz-Zeiten gelten eigentlich als gesundheitlich schützend: Sie sollen Stress reduzieren, die Bindung zum Kind stärken und den Einstieg ins Familienleben erleichtern. Doch die Wiener Forscherinnen zeigen jetzt: Bei sehr langen Auszeiten treten unbeabsichtigte Nebeneffekte auf. Sehr lange Auszeiten können auf Dauer einsam machen.

  • Kontakte zu Kolleg:innen fehlen.
  • Der Austausch mit anderen Erwachsenen wird weniger.
  • Man fühlt sich irgendwann nicht mehr als eigenständige Frau, sondern nur noch als „die Mama“.

Dazu kommen oft finanzielle Sorgen, weil das Einkommen fehlt oder kleiner wird. Stress pur! Und manchmal greifen wir in solchen Phasen zu Strategien, die kurzfristig entlasten — Schokolade, Chips, oder eben Zigaretten.

Pro zusätzlichem Monat steigt die Wahrscheinlichkeit, später zu rauchen, um 1,2 Prozentpunkte.


“Eigentlich haben wir erwartet, dass längere berufliche Auszeiten dazu führen würden, dass Mütter weniger rauchen. Unsere Ergebnisse zeigen aber eindeutig, die Wahrscheinlichkeit zum späteren Rauchen steigt mit einer längeren Karenz”, erklärt die Studienautorin Sonja Spitzer, Demografin an der Universität Wien. “Ist die Zeit zu lang, können finanzielle Belastung, soziale Isolation und berufliche Nachteile zunehmen – das Rauchen könnte ein Bewältigungsmechanismus für diesen Stress sein.”


Weitere Themen:

Besonders betroffen

Mütter ohne stabile finanzielle Unterstützung durch einen Partner sind besonders anfällig. In Österreich, wo Mütter mit durchschnittlich 27 Monaten besonders lange beruflich pausieren, könnten diese Ergebnisse besonders relevant sein.

Der Kommentar von Nina, unserem Selbsthilfe-Coach:

Lange Elternzeiten an sich sind nicht das Problem. Das eigentliche Problem ist, dass Mütter in dieser Zeit oft alle Verantwortung allein tragen und dass ihnen gleichzeitig vermittelt wird, sie müssten diese Rolle perfekt erfüllen. Viele Mütter glauben, sie müssten sich vollständig aufopfern, immer verfügbar sein, jede eigene Grenze übergehen. Aber eine Mutter, die sich selbst vergisst, wird irgendwann innerlich leer. Die Studie zeigt: Wenn Frauen zu lange in Isolation bleiben, ohne eigene Räume, ohne Unterstützung und ohne echte Gemeinschaft, suchen sie irgendwann Wege, den inneren Druck abzubauen. Rauchen ist nur ein sichtbarer Ausdruck davon.

Was wir brauchen, ist nicht die Diskussion über die Länge der Elternzeit, sondern über die Qualität der Beziehung. Wie kann man Mütter unterstützen, gut für das Kind zu sorgen und gleichzeitig für sich selbst da zu sein? Hätten wir wirklich gut Kinder-Tagesstätten, dann würde sich die Frage nicht stellen. Ich meine damit keine Verwahr-Anstalten, in denen Erzieher mit schlechtem Personalschlüssel viele Kinder einfach nur noch betreuen können, sondern echte Beziehugsräume mit anderen Kindern und mit verlässlichen Bezugspersonen.

Das heißt:

  • Kleine Gruppen, ausreichend Personal, gute Ausbildung der Fachkräfte.
  • Verlässlichkeit, emotionale Wärme, echte Zuwendung, keine bloße Überwachung.
  • Räume für individuelle Entwicklung, für Spiel, für Kreativität.

Wenn wir das hätten, müssten sich Mütter nicht zerrissen fühlen zwischen dem Wunsch, für ihr Kind da zu sein, und dem eigenen Bedürfnis nach Arbeit, sozialem Kontakt oder Zeit für sich. Viele Mütter empfinden das „Mama-Sein“ heute als Vollzeit-Job ohne Pause, weil gesellschaftlich immer noch die Botschaft vermittelt wird:

„Du bist nur eine gute Mutter, wenn du alles selbst machst.“


Die Wahrheit ist: die Gesellschaft gibt ihr Geld anderweitig aus. Aber was nützen uns gute Straßen, wenn die Menschen unglücklich sind? Unsere Kinder brauchen von uns einfach mehr. Hätten wir wirklich gute Kitas, mit kleinen Gruppen und stabilen Beziehungen, müssten sich Mütter nicht so oft zwischen „gut für mein Kind sorgen“ und „gut für mich sorgen“ zerreißen.


Deine Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Egal, ob du selbst schreibst oder liest – „Erzähl mir dein Leben“ verbindet uns alle durch das, was uns am meisten ausmacht: unsere Erfahrungen. Du möchtest deine Geschichte erzählen? Dann schreib uns eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.

Teilen