Spionage im Kinderzimmer
Smart Toys wie die Toniebox erstellen heimlich Verhaltensprofile von Kindern – «Toniebox», «Tiptoi» und «Tamagotchi» sind so genannte Smart Toys: Sie ermöglichen dank Software und Internetzugang interaktives Spielen. Doch bei vielen dieser Spielzeuge ist der Schutz der Privatsphäre mangelhaft und einige sammeln sogar umfangreiche Verhaltensdaten der Kinder, warnen Forscher der Universität Basel.
Die «Toniebox» und ihre Figuren sind vor allem bei Kleinkindern beliebt. Viel einfacher zu bedienen als klassische Musikabspielgeräte, können die Kleinen damit jederzeit selbst Musik und Hörspiele einschalten: Einfach eine Plastikversion des Räuber Hotzenplotz auf die Box stellen und schon startet die Geschichte von Ottfried Preussler. Möchte das Kind die Geschichte stoppen, nimmt es die Figur herunter. Zum Vor- und Zurückspulen kippt es die Box nach links oder rechts.
Tolles Produkt, denken viele Eltern. Doch die «Toniebox» registriert genau, wann sie mit welcher Figur aktiviert wird, wann das Kind stoppt und wohin es spult – und sendet die Daten an die Herstellerfirma.
Die «Toniebox» ist eines von zwölf Smart Toys, die Prof. Dr. Isabel Wagner und ihr Team von der Universität Basel untersucht haben. Darunter waren weithin bekannte Spielzeuge, neben der «Toniebox» etwa der intelligente Lernstift «Tiptoi», die Lern-App «Edurino» oder das virtuelle Haustier «Tamagotchi». Aber auch weniger bekannte Spielzeuge wie der «Moorebot», ein mobiler Roboter mit Kamera und Mikrofon, oder «Kidibuzz», ein Smartphone für Kinder mit elterlicher Kontrollfunktion, waren dabei.
Daten offline sammeln, dann online versenden
In Sachen Sicherheit schneiden etwa die «Toniebox» und der «Tiptoi»-Stift schlecht ab, da sie den Datenverkehr nicht sicher verschlüsseln. Auch bei der Wahrung der Privatsphäre erkennt Wagner Mängel bei der «Toniebox», da sie Daten sammelt und dem Hersteller sendet. Der «Tiptoi»-Stift erfasst hingegen nicht, wie und wann ein Kind ihn nutzt. Auch wenn die «Toniebox» offline betrieben und nur temporär beim Laden neuer Audioinhalte mit dem Internet verbunden würde, könnte das Gerät gesammelte Daten lokal speichern und bei nächster Gelegenheit an den Hersteller senden, vermutet Wagner. «Bei einem anderen Spielzeug, das wir im Moment noch untersuchen und das ChatGPT integriert hat, sehen wir, dass Log-Daten regelmässig verschwinden.» Vermutlich sei das System so eingestellt, dass es die gesendeten Daten lokal löscht, um den internen Speicher optimal zu nutzen.
Unternehmen behaupten oft, die gesammelten Daten würden ihnen helfen, ihre Geräte zu optimieren. Wozu die Daten noch dienen könnten, ist für Eltern aber kaum absehbar. «Begleit-Apps einiger Spielzeuge verlangen völlig unnötige Zugriffsrechte, wie etwa auf den Standort oder das Mikrophon des Smartphones», hält die Forscherin fest. Und das ChatGPT-Spielzeug, dessen Analyse derzeit noch läuft, sende einen Datenstrom, der nach Audiodaten aussehe. Vielleicht wolle das Unternehmen damit die Spracherkennung von Kinderstimmen optimieren, vermutet die Professorin für Cyber Security.
Ein Label für Datenschutz
«Die Privatsphäre von Kindern ist besonders schützenswert», betont Julika Feldbusch, Erstautorin der Studie. Spielzeughersteller sollten deshalb die Privatsphäre und Sicherheit ihrer Produkte entsprechend ihrer jungen Zielgruppe höher gewichten als sie es bisher tun.
Es werde Eltern bisher zu schwer gemacht, die mit Smart Toys verbundenen Sicherheitsrisiken für ihre Kinder zu durchschauen. «Wir sehen jetzt schon Anzeichen für eine Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Schutz der Privatsphäre von Kindern. Gut informierte Eltern setzen sich damit auseinander und können Spielzeuge wählen, die keine Verhaltensprofile ihrer Kinder erstellen. Aber vielen fehlt das technische Vorwissen oder sie haben keine Zeit, sich vertieft damit auseinanderzusetzen.»
Man könne sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass den Kindern im Einzelfall wahrscheinlich keine negativen Konsequenzen entstehen, wenn Spielzeughersteller Profile von ihnen erstellen, sagt Isabel Wagner. «Aber wirklich sicher weiss man das nicht, weil sich umfassende Überwachung zum Beispiel negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirken kann.» Über mögliche Auswirkungen kann der Psychologe Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut Auskunft geben. Er hat untersucht, warum manche Menschen ihre Stasi-Akten nicht lesen wollen. “Bisher hat man sich immer darauf konzentriert, warum Menschen ihre Akten lesen wollen. Die Frage, warum man sie nicht lesen will, wurde meines Wissens noch nie gestellt”, sagt Hertwig. Die Antwort? Angst davor, etwas über sich zu erfahren, was man nicht wissen will. Denn das könnte das Selbstbild bedrohen. Und was hat das mit Spielzeug zu tun? Wenn ich zum Beispiel glaube, dass ich als Kind unglaublich mutig war, dann aber höre, dass ich als kleines Kind immer gerne Bambi gehört habe und deshalb von chinesischen Profilern als eher sensibel und ängstlich eingestuft wurde, dann kann das den Blick auf mich verändern. Und das muss nicht sein. Wir finden, wir bräuchten dringend mehr Sicherheit in unseren Kinderzimmern. Das Ausspionieren ihrer Daten gehört gesetzlich verboten.
Foto: Universität Basel, Céline Emch