
Saskia Esken – wenn Haltung nicht reicht.
Hinfallen, aufstehen, weitergehen! Was wir aus den Krisen anderer Menschen über uns selbst lernen können! Denn wir alle fallen mal. Die Frage ist nicht ob, sondern wie wir wieder aufstehen.
Als sie 2019 gemeinsam mit Norbert Walter-Borjans den SPD-Vorsitz übernahm, galt sie vielen als Symbol für einen linken Aufbruch. Sechs Jahre später verlässt sie die Parteispitze – ohne Ministeramt, ohne Rückhalt im eigenen Landesverband, aber mit einem klaren Gefühl: „Das ist Jagd“ .
Esken war nie die typische Parteikarrieristin. Als Quereinsteigerin und Bildungsaktivistin trat sie für Themen ein, die nicht immer populär waren. Ihre Kritik an Polizeistrukturen, ihre Aussagen zur Migration und ihre Haltung zu sozialen Fragen brachten ihr oft harsche Reaktionen ein. So etwa, als sie in einer Talkshow erklärte, aus dem Anschlag von Solingen „nicht allzu viel lernen“ zu können – eine Aussage, die selbst in den eigenen Reihen auf Unverständnis stieß.
Doch war Esken wirklich Opfer eines frauenfeindlichen Systems?
Sie selbst sagte: „Wir müssen doppelt so viel bringen. Was die männliche Welt von politisch aktiven Frauen erwartet, ist höchst widersprüchlich und deshalb unerfüllbar“ . Ein legitimer Punkt – und doch bleibt die Frage, ob ihre politische Isolation nicht auch hausgemacht war. Ihre oft realitätsfernen Aussagen, etwa zur Bedeutung von Migration im Alltag, wirkten auf viele Bürgerinnen und Bürger wie ein Schlag ins Gesicht. Wenn Kita-Plätze fehlen, Arzttermine Mangelware sind und bezahlbarer Wohnraum zur Utopie wird, dann ist es schwer, Eskens Worte als empathisch zu empfinden.
Während Lars Klingbeil nach dem Wahldebakel zum Vizekanzler aufstieg, blieb Esken ohne Amt. Ein Umstand, der Fragen aufwarf – auch bei Parteifreunden wie Stephan Weil, der betonte, dass die Wahlniederlage nicht allein Eskens Verantwortung sei . Doch die Realität blieb: Esken zog sich zurück, während andere aufstiegen.
Nun soll Bärbel Bas ihre Nachfolge antreten – pragmatischer, besser vernetzt, wie es heißt . Ein Neuanfang für die SPD, vielleicht. Für Saskia Esken endet eine Ära – eine, die von Idealismus geprägt war, aber auch von Isolation. Eine Politikerin, die viel wollte, aber oft an der Realität scheiterte. Und deshalb wollen wir hier einmal genauer hinsehen: gibt es etwas, was wir von ihr lernen können? Wir haben nachgefragt:
Kommentar von Klaus-Peter Friedrich, Rhetorik-Trainer:
Wenn jemand kommunikativ scheitert, liegt es selten nur am Gegenüber. Und bei Saskia Esken sehen wir ein Muster, das in der politischen Kommunikation häufig vorkommt – aber selten funktioniert: Sie setzt auf Selbstviktimisierung statt strategische Rahmung.Wer in einer Führungsrolle steht – ob in der Politik oder in der Wirtschaft – sendet ständig Meta-Botschaften. Esken sendet: Ich werde unfair behandelt. Man fragt nicht nach mir. Ich werde übergangen. Das mag sich aus ihrer Sicht sogar so anfühlen. Aber rhetorisch betrachtet entsteht dadurch ein Frame des Mangels: Mangel an Einfluss, an Zustimmung, an Durchsetzungskraft.
Was dabei auf der Strecke bleibt, ist Führungssprache. In der Kommunikation mit Wählerinnen und Wählern – aber auch mit Journalist:innen – braucht es drei Dinge: Klarheit, Verantwortung und Zukunftsorientierung. Esken hingegen blickt zurück. Sie rechnet ab. Sie betont, was nicht gefragt wurde, was ihr nicht zugetraut wurde, was andere ihr nicht gegeben haben.
In der NLP-Sprache würden wir sagen: Sie externalisiert die Kontrolle. Damit verliert sie Handlungshoheit. Und das merken die Menschen – intuitiv.
Stattdessen wäre es wirkungsvoller gewesen, den Rückzug mit einem Gestaltungswillen zu verknüpfen: „Ich habe Verantwortung übernommen. Ich bin angetreten für eine andere SPD. Jetzt ist die Zeit für neue Impulse – und ich mache den Weg frei.“ Das wäre souverän gewesen. Nun bleibt der Eindruck: Jemand verlässt das Feld – und ist beleidigt, dass es kein Blumensträußchen gab. Verständlich auf persönlicher Ebene. Aber: unstrategisch auf der öffentlichen Bühne.
Meine Meinung: Wer führen will, muss die Deutungshoheit behalten. Wer sie abgibt – an andere, an Medien, an Strömungen –, darf sich nicht wundern, wenn andere die Geschichte erzählen. Und sie anders erzählen, als einem selbst lieb ist.
Kommentar von Kommunikationsberaterin Lena Franke:
Saskia Esken hat zweifellos Haltung gezeigt. Doch Haltung allein reicht nicht – in der Politik zählt auch das Narrativ. Und genau da liegt das Problem: Sie hat nie die Kontrolle über ihre Geschichte behalten. Stattdessen wirkte sie wie jemand, der eine Kränkung verwaltet, aber keine Vision verkauft.
In der politischen Kommunikation entscheidet nicht allein der Inhalt, sondern vor allem der Frame. Wer ständig betont, dass er übergangen wurde, weckt beim Publikum nicht Mitleid, sondern Zweifel: Warum? Wer andere in die Verantwortung stellt, statt selbst Verantwortung zu inszenieren, verliert die Deutungshoheit – und damit Macht.
Esken hat nie eine große Erzählung für sich gefunden. Was war ihr Markenkern? Wofür stand sie – jenseits von „sozial gerecht“ und „progressiv“? Während ein Robert Habeck Krisen rhetorisch rahmt und ein Friedrich Merz klare Gegnerbilder aufzieht, wirkte Esken oft wie jemand, der innerlich noch diskutiert, ob es überhaupt gerecht ist, dass man sie jetzt so hart bewertet.
Ja, sie wurde unfair behandelt. Ja, Frauen in der Politik haben es oft schwerer. Aber: Wer in Führung geht, muss führen – auch kommunikativ. Emotionale Selbstverteidigung ersetzt kein politisches Narrativ. Wer sagt: „Ich wurde nicht gefragt“, statt: „Ich hatte eine Idee, die nicht gehört wurde – und jetzt gehe ich meinen eigenen Weg“, überlässt die Bühne den anderen.
Politik ist kein Coaching-Kreis. Es ist ein Resonanzraum für Macht, Wirkung und öffentliche Projektion. Saskia Esken war oft zu leise, zu trotzig, zu spät. Und wer zu spät kommt, den bestraft nicht nur das Leben – sondern auch der nächste Kandidat.
Kommentar von Jonas Weber, unserem Experte für Medizin und Biologie:
Saskia Esken zieht sich zurück. Und man fragt sich: War sie überhaupt je da? Nein, im Ernst – das politische Berlin verliert eine seiner leiser auffälligen Stimmen. Nicht im Sinne von „charismatisch“ oder „strategisch brillant“. Eher im Sinne von: „Oh, stimmt – da war ja noch jemand.“
Esken war die Frau, die alles richtig machen wollte – nur leider nicht im Fernsehen. Ihre Botschaften? Richtig. Ihre Haltung? Sicher ehrenwert. Ihre Wirkung? Sagen wir mal: Hätte sich bei einem Poetry-Slam in Wuppertal besser entfaltet als bei Lanz. Natürlich kann man jetzt wieder die ganz große Karte ziehen: Frauen, Gläserne Decke, Männerdominanz. Aber mal unter uns: Wenn die eigene Relevanz so dünn ist, dass sie bei Bas’ Interview im Konjunktiv verschwindet, dann ist das kein Patriarchat – das ist ein Kommunikationsproblem.
Und was blieb am Ende? Ein Vorwurf. Eine kleine, beleidigte Abrechnung. Die Journalisten seien gemein, die Parteifreunde illoyal, die Welt ungerecht. Ja, mag sein. Aber das sagt der Praktikant beim Frühstücksfernsehen auch, wenn sein TikTok-Beitrag nicht viral geht. Ich will nicht unfair sein. Esken hatte es nie leicht. Sie war die bodenständige Frau mit Bildungsherz und SPD-Seele, in einem politischen Klima, in dem Empathie regelmäßig mit Inkompetenz verwechselt wird. Aber man kann nicht sechs Jahre lang prominent in der Politik gestalten wollen – und dann erstaunt sein, dass auch mal zurückgeschossen wird.
Meine Meinung: Politik ist kein Kirchentag. Es ist Theater. Und Esken hatte leider oft nur eine Nebenrolle – in einem Stück, das längst jemand anders geschrieben hat.
Der Kommentar von Florian, unserem Sport- und Fitness-Coach:
Opferdenken ist nicht gut
Also ganz ehrlich: Ich hab’s ein bisschen satt, immer dieses Ich bin Opfer der Umstände-Gerede zu hören. Boris Becker war auch mal Everybody’s Darling – und dann plötzlich Everybody’s Fool. Das geht schnell. Aber: Man hat immer auch selbst seinen Anteil. Immer. Und genau das hat Becker auch gesagt, in einem seiner TV-Interviews. Sinngemäß sagte er: „Ich übernehme die volle Verantwortung für meine Situation. Ich gebe niemand anderem die Schuld daran. Wenn man einmal in der Opferrolle sitzt, kommt man da nie wieder raus!“ STARK!
Saskia Esken hat sich lange beklagt, dass sie übergangen wurde, dass man sie nicht gefragt hat, dass man sie unfair behandelt hat. Mag alles sein. Aber das reicht nicht. Wenn du auf der großen Bühne stehst, musst du liefern. Punkt. Und wenn du in der Öffentlichkeit was bewirken willst, dann musst du mitspielen – und zwar im Spiel der Wahrnehmung. Da nützt es nichts, wenn du recht hast, aber keiner folgt dir. Dann hast du vielleicht Moral – aber eben keine Macht. Jeder Sport hat Regeln, nach denen gespielt wird – und jeder Job auch. Du musst sie kennen und virtuos damit umgehen, wenn du gewinnen willst.
Ich sag’s mal so: Wenn du immer wieder betonen musst, dass du eigentlich mitspielen dürftest, dann bist du wahrscheinlich nicht mehr im Spiel. Und dann hilft auch kein beleidigter Blick in die Kamera.
Ich weiß, wie das ist, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Aber ich hab auch gelernt: Wenn du willst, dass man dich sieht – dann steh gerade. Und wenn du gehst, dann geh mit erhobenem Kopf. Nicht mit hängenden Schultern und einem Satz wie: Die anderen waren gemein zu mir.
Denn am Ende fragt keiner: War’s fair? Sondern: War’s stark?
Lest dazu auch unser Interview mit Lena Franke: Wie Saskia Esken an der Krise wachsen könnte.