Für ein glückliches Leben
Krisen können einen brechen oder wachsen lassen. Was der sterbende Sam Berns uns allen sagen wollte.
Hast du dich jemals gefragt, was das Geheimnis eines glücklichen Lebens ist? Der schwerkranke Sam Berns fand Antworten. Er veröffentlichte sie in einem Vortrag, 3 Monate vor seinem Tod.
Ein Leben im Zeitraffer
Sam Berns wusste von klein auf, dass er krank war. Und er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit auf dieser Welt bleiben würde. Im Alter von 22 Monaten wurde bei ihm die genetische Mutationskrankheit Progerie diagnostiziert, die ihn rasend schnell altern lässt. Die Kinder kommen gesund zur Welt, altern dann aber scheinbar im Zeitraffer. Die Haare fallen aus, die Arterien verkalken und die Betroffenen werden meist nicht älter als 13 oder 14 Jahre. Ein Alter, das ich längst hinter mir gelassen habe. Wie hätte ich mich gefühlt, wenn ich von klein auf gewusst hätte, dass mir ein früher Tod bestimmt ist?
Das ist so ungerecht!
Ich kenne mich, ich hätte wahrscheinlich einen Aufstand gemacht. Gegen die Ungerechtigkeit der Welt und gegen mein unwahrscheinliches und seltenes Schicksal. Die Wahrscheinlichkeit, an Progerie zu erkranken, ist verschwindend gering, in Deutschland sind es 5 Kinder. Weltweit sind nur wenige hundert Menschen betroffen. Aber auch das ist kein Trost, wenn es einen doch trifft. Im Gegenteil, es wirkt wie eine besonders grausame Laune der Natur.
Eine Heilung ist nicht in Sicht.
Schuld ist ein winziger Fehler im Bauplan des Körpers. Ein einziges fehlerhaftes Protein lässt die Betroffenen vorzeitig altern. Und weil die Krankheit so selten ist, ist sie auch kaum erforscht. Das liegt zum einen daran, dass es zu wenig Probanden gibt. Zum anderen aber auch, weil es sich für die Pharmaindustrie einfach nicht lohnt, für eine so extrem seltene Krankheit teure Forschung zu betreiben. Dann hat man ein Medikament für ein paar hundert Menschen, damit kann man nichts verdienen. Ich wünschte, es wäre anders, aber so ist es. Sams Eltern, beide Ärzte, gründeten deshalb eine Stiftung zur Erforschung der Krankheit, als er die Diagnose erhielt. Wahrscheinlich in der Hoffnung, eine unbekannte Heilmethode zu finden – ich kann sie gut verstehen. Wenn es mein Kind wäre, würde ich auch versuchen, die ganze Welt in Bewegung zu setzen, um sein Leben zu retten. Leider ist das noch nicht geschehen, Progerie gilt als unheilbar. Wie lebt man mit dem Wissen, nicht mehr viel Zeit zu haben? Wie hält man es als Eltern aus, wenn man weiß, dass das eigene Kind vor einem sterben wird? So sollte es nicht sein.
Krisen können einen zerbrechen oder man wächst an ihnen
Lebenskrisen stellen uns an einen Scheideweg. Sie können uns zerstören oder zu einer besseren Version unserer selbst machen. Besonders drängend können diese Herausforderungen sein, wenn man mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert wird. Für viele Menschen ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ein Anstoß zur Sinnsuche. „Was macht das Leben lebenswert“ ist dabei nicht die entscheidende Frage. Viel drängender ist die Frage: „Was hinterlasse ich?“ Habe ich Kinder, in denen ein Teil von mir weiterlebt? Pflanze ich einen Baum, baue ich ein Haus oder gründe ich einen Verein, der mich überdauert? Es kann sinnvoll sein, sich diese Fragen schon heute zu stellen. Je früher wir uns mit unseren persönlichen Werten und Zielen verbinden, desto früher leben wir erfüllt. Und glücklich. Wie Sam. Der Junge, der sein Leben lang wusste, dass er früh sterben würde, fand sein Leben bereits erfüllt und voller Glück und Liebe. Vielleicht sieht man das Leben anders, wenn man weiß, dass man nicht viel davon hat.
Die Menschen in Sams Umfeld strebten nach Ruhm, Reichtum, Ehre und dem nächsten Schritt auf der Karriereleiter und vergaßen dabei, das Leben zu ehren. Sein Vermächtnis ist es, sein Rezept für ein glückliches Leben weiterzugeben. Hier sind seine drei Regeln.
1. Akzeptiere, was du nicht ändern kannst.
„Das ist so ungerecht!“ – wie oft denken, sagen oder stöhnen wir. Die Wahrheit ist: Du hast kein Recht auf Perfektion. Die Welt ist so, wie sie ist, und auch dein Körper ist so, wie er ist, und nicht so, wie du ihn gerne hättest. Wenn du unheilbar krank bist, dann ist es eben so. Deshalb ist der erste und vielleicht wichtigste Punkt in Sam Berns’ Philosophie die Akzeptanz. Dein Bruder war immer Mamas Liebling? Die Chancen stehen gut, dass das so bleibt. Akzeptieren und loslassen. Das kann zu einer tiefen inneren Ruhe führen und neue Kräfte freisetzen, mit denen du dich auf das konzentrieren kannst, was in deinem Einflussbereich liegt. Dann bleibt dein Bruder auf Mamas Fürsorge angewiesen, du aber kannst frei und unbeschwert deinen Weg gehen. Unabhängig und damit offen, zu neuen und unbekannten Ufern aufzubrechen. Diese Einstellung hilft dir, deine Lebenskraft nicht zu verschwenden, sondern sie optimal für dich zu nutzen. Haderst du auch manchmal mit deinem Schicksal? Dann lass es und konzentriere dich auf das, was möglich ist.
2. Umgib dich mit Menschen, mit denen du gerne zusammen bist.
Zeig mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist – kennst du das Sprichwort? Es ist wahr. Menschliche Gefühle färben ab. Das liegt an unseren Spiegelneuronen. Wenn du also glücklich sein willst, suche dir positive Menschen. Und lass die los, die dich nur runterziehen. Triff also eine Wahl und beurteile, was dir gut tut und was dir schadet. Und dann miste aus. Hab kein schlechtes Gewissen, wenn du die loslässt, die dir nicht gut tun. Du kannst andere Menschen nicht glücklich machen, diese Entscheidung trifft jeder selbst. Gute Beziehungen zu Familie und Freunden sind laut Sam entscheidend für das eigene Wohlbefinden. Sie tragen dich durch schwierige Zeiten und geben dir Halt und Sicherheit.
3. Geh immer weiter.
Dieser Satz stammt nicht von Sam Berns, sondern von Walt Disney. Sam war einer seiner größten Fans und er zitierte ihn oft. In seiner Rede erzählte Sam von einem Krankenhausaufenthalt im Januar 2013. Eine hartnäckige Erkältung zwang ihn zu einem mehrtägigen Aufenthalt. Da er besonders anfällig war, waren solche Situationen für ihn immer bedrohlicher als für andere. Trotz der schwierigen Situation hielt ihn der Gedanke aufrecht, dass es ihm eines Tages wieder besser gehen würde. So suchte er immer nach Dingen, an denen er sich erfreuen konnte, sei es ein neues Comic-Heft oder ein bevorstehendes Fußballspiel. Diese Einstellung half ihm, die Hoffnung nicht zu verlieren. Statt sich auf das Negative zu konzentrieren, hilft es, bewusst nach positiven Aspekten oder Chancen zu suchen, die sich aus der Krise ergeben können. Das erfordert Übung und Geduld, kann aber langfristig die psychische Widerstandskraft stärken. „Mutig sein ist nie einfach“, sagte er.
Ein bleibendes Vermächtnis
Sam Berns’ Rede bei “TEDxMidAtlantic” wurde über 50 Millionen Mal angeklickt. In dieser Rede, die nun als sein Vermächtnis gefeiert wird, betonte er: “Ich will nicht, dass sich die Menschen wegen mir schlecht fühlen.” Vielmehr wollte er seine “Philosophie für ein glückliches Leben” weitergeben und die Menschen ermutigen, das Beste aus ihrem Leben zu machen, egal wie die Umstände sind.
Zu wissen, dass wir nicht ewig leben, ist unbequem. Niemand denkt gerne darüber nach. Warum auch? Es gibt nur drei Dinge auf der Welt, die wir wirklich tun müssen: Wir werden geboren, wir müssen essen und trinken und wir müssen irgendwann sterben. Alles dazwischen ist frei wählbar. Wenn also feststeht, dass wir irgendwann nicht mehr sind, können wir uns auch damit beschäftigen. Das kann eine Quelle der Kraft und des Friedens sein. Die Auseinandersetzung damit zwingt uns, Prioritäten zu setzen, bewusste Entscheidungen zu treffen und nach dem Sinn unseres Lebens zu suchen. Wenn wir uns diesen Fragen jetzt stellen, können wir ein erfüllteres und authentischeres Leben führen und zu einer besseren Version unserer selbst werden. Warum nicht jetzt damit beginnen?