Du glaubst es nicht!
Warum Frustablassen Freunde näher zusammenbringen kann – aber nur, wenn es richtig gemacht wird
Und schon wieder hat sie aufgelegt. Einfach so. Mitten im Gespräch. Gespräche mit ihrer Mutter lassen Susanne oft hilflos und wütend zurück. Wer kann ihr jetzt nur beistehen? Wir alle kennen das Bedürfnis, unseren Frust bei einem Freund abzuladen. Wenn es richtig gemacht wird, wird es nicht nur unsere Wut lindern, sondern sogar die Bindung zu dem Freund stärken kann, dem wir uns anvertrauen. Eine aktuelle Studie von Psychologen der UCLA zeigt, dass Frustablassen unter bestimmten Bedingungen zu einem subtilen Mittel wird, um Freundschaften zu festigen – und das mit langfristigen Vorteilen.
Warum Wut ablassen nicht einfach „reinigt“
“Ein kräftiges Gewitter reinigt die Luft”, hieß es früher immer. Aber die Idee, dass das Aussprechen von Frustrationen eine reinigende, kathartische Wirkung hat, wurde bereits in den 1950er Jahren widerlegt. „Es kann sich gut anfühlen, Frust abzulassen, aber das bedeutet nicht, dass die Wut verschwindet. Tatsächlich kann sie sogar verstärkt werden“, erklärt Jaimie Krems. Die Psychologieprofessorin an der UCL hatte jedoch eine andere Hypothese: Frustablassen könnte dazu dienen, Allianzen innerhalb von Freundschaften zu stärken. Das heißt, es kann dazu führen, dass die Person, die uns zuhört, uns in Zukunft mehr unterstützt und schätzt – vorausgesetzt, wir gehen dabei respektvoll vor.
Die subtilen Regeln des Frustablassens
In einer Reihe von Experimenten baten Krems und ihr Team die Teilnehmer, Gespräche zwischen Freunden zu beurteilen. Ein typisches Szenario: Ein Teilnehmer hört einen Freund sagen: „Ich bin so frustriert und verletzt, weil [Name eines gemeinsamen Freundes] unser Treffen in letzter Minute abgesagt hat.“ Andere Szenarien beinhalteten jedoch aggressivere Aussagen wie „Ich bin so unfassbar wütend, weil [Name] das getan hat.“
Die Ergebnisse waren eindeutig: Teilnehmer mochten die Person, die ihren Frust äußerte, mehr, wenn diese sich nicht herabwürdigend oder aggressiv gegenüber der dritten Person verhielt. Wer respektvoll blieb, erhielt Sympathien und die Bindung zum Freund wurde stärker, während die Zielperson des Frusts weniger positiv wahrgenommen wurde.
Doch Vorsicht: Wenn Zuhörer den Eindruck hatten, dass der Übergang zum Lästern überschritten wurde, der andere absichtlich rivalisierend oder aggressiv wurde, schlug der Effekt ins Gegenteil um. Die Zuhörer entwickelten Mitgefühl mit der anderen Person, über die schlecht gesprochen wurde und mochten die wütende Person weniger.
Frustablassen kann als unbewusstes Beziehungsmanagement dienen
Die Forscher stellten fest, dass das Abladen von Frust in Freundschaften oft unbewusst als Werkzeug eingesetzt wird, um Bindungen zu stärken – und dass es gerade deshalb wirksam sein kann. Es wird von Zuhörern nicht als Konkurrenzstrategie wahrgenommen, solange die wütende Person keine aggressive Absicht zeigt.
„Das Spannende ist, dass Menschen oft nicht merken, dass sie auf diese Weise um die Zuneigung ihrer Freunde konkurrieren“, sagt Krems. „Das bedeutet, dass diese Dynamik oft unbewusst funktioniert, was sie umso effektiver macht.“
Warum Freundschaften zählen
Das Ziel, besser gemocht zu werden, mag auf den ersten Blick oberflächlich wirken. Doch die Vorteile sind tiefgreifend: Menschen, die von ihren Freunden geschätzt werden, profitieren von besserer sozialer Unterstützung, größerem Wohlbefinden und sogar einer längeren Lebenserwartung. Freundschaften können auch in praktischer Hinsicht Vorteile bieten, wie in einem Experiment deutlich wurde, in dem Teilnehmer einem ventenden Freund mehr Lotterielose zuwiesen als der Zielperson des Frusts.
Was schiefgehen kann
Die Forscher betonen jedoch, dass Frustablassen nicht immer funktioniert. Wenn Menschen über unpassende Themen sprechen, zu aggressiv wirken oder den falschen Freund ansprechen, kann dies die Bindung schwächen statt stärken. „Die Kunst besteht darin, strategisch zu sein – bewusst oder unbewusst“, erklärt Krems. Oder, anders ausgedrückt: man darf die Frustration und die Enttäuschung teilen, aber erst dann, wenn man sich beruhigt hat und die erste Wutwelle vorbei gegangen ist.
Fazit: Freundschaft, Frust und die Balance
In einer Zeit, in der soziale Isolation und Einsamkeit zunehmen, wie der US-amerikanische Surgeon General betont, rückt die Bedeutung von Freundschaften stärker in den Fokus. Frustablassen mag nicht die erhoffte Reinigung bringen, doch es kann eine wichtige Rolle in der Dynamik unserer Beziehungen spielen. Wie Krems es ausdrückt: „Freundschaften sind nicht immer perfekt, sondern oft wie ein Koala: kuschelig, aber auch mit Krallen.“