Psychologie

Abnehmen: Die Wissenschaft dahinter

Abnehmen ist eine Herausforderung, mit der sich viele von uns regelmäßig auseinandersetzen. Doch trotz aller Bemühungen scheint es oft so, als ob der Erfolg nur von kurzer Dauer ist und der gefürchtete Jojo-Effekt schnell wieder zuschlägt. Woran liegt das? Professorin Dr. Henrike Scholz von der Universität zu Köln hat spannende Erkenntnisse aus ihrer aktuellen Studie gewonnen, die einen neuen Blick auf die Mechanismen der Nahrungsaufnahme und den Einfluss des Gedächtnisses werfen.

Sie hat untersucht, wie Hungern langfristig das Essverhalten beeinflusst und warum es uns so schwerfällt, Gewicht zu verlieren und zu halten. Ihre Erkenntnisse könnten der Schlüssel sein, um effektiver und nachhaltiger abzunehmen. Wir wollten von ihr wissen, wie man erfolgreich Gewicht verliert und welche Fehler man dabei besser nicht machen sollte.

Wer Gewicht verlieren will, muss weniger essen, so heißt es. Mal eine Mahlzeit auslassen oder gar einen ganzen Tag nichts essen. Würden Sie dem zustimmen? Oder kann dieser Ansatz langfristig eher mehr schaden als nützen?

Das hängt von dem eigentlichen Körpergewicht ab und den Reserven, die sich gebildet haben. Unter normalen Umständen schadet weniger essen nicht. Anders ist es aber bei Übergewicht. Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Fasten wir, dann sammelt das Gehirn Informationen über Nahrungsmittel.

Deshalb kreisen meine Gedanken immer ums Essen, wenn ich Hunger habe?

Genau. Das ist bei uns allen gleich. Bei normalgewichtigen Menschen enden die Gedanken übers Essen aber sofort nach der Essensaufnahme wieder. Das Gehirn löscht sie dann sofort. Anders ist es, aber wenn ein Mensch hohe Energiereserven hat, also übergewichtig ist.

Das heißt, wenn ich viel Übergewicht habe und weniger esse, kreisen meine Gedanken ständig ums Essen? Auch noch dann, wenn ich bereits satt bin?

Ja. Weil eben ein hohes Energieniveau da ist, das sich erhalten möchte, bildet sich ein sehr stabiles Gedächtnis über Nahrungsmittel aus, das nach Aufnahme von ausreichenden Kalorien eben nicht gelöscht wird. Und das ist dann mit einer erhöhten Nahrungsaufnahme verbunden. Und dies, obwohl bereits hohe Energiereserven vorhanden sind.

Sie haben das Essverhalten einer Fliegenart untersucht. Was hat die mit dem Menschen gemein?

Diese kleinen Insekten teilen mit uns Menschen einige grundlegende biologische Mechanismen, die ihre Nahrungsaufnahme steuern. Fliegen haben wie Menschen ein Belohnungssystem und ein Entscheidungssystem. Diese Systeme werden im Gehirn der Fliege durch ähnliche Botenstoffe reguliert wie beim Menschen. Die grundlegenden Mechanismen, wie Neurone arbeiten und reguliert werden, sind konserviert. Ebenso vermitteln ähnliche Moleküle in der Fliege und im Menschen Informationen darüber wie viel Energie durch Nahrung aufgenommen wurde. Dies wird im Menschen durch das Insulin und in der Fliege durch Insulin ähnliche Stoffe vermittelt, die sehr ähnlich funktionieren.

Was fanden Sie heraus?

Wir haben herausgefunden, dass Fliegen mit hoher Energie eine andere Art von Gedächtnis in Bezug auf Nahrungsmittel entwickeln als normalgewichtige Fliegen. Was Fliegen über eine Nahrungsquelle lernen, hängt also von den inneren Ressourcen der Fliege ab.

Dicke Fliegen lernen also etwas anderes durchs Fasten als dünne Fliegen?

Erst einmal lernen beide das Gleiche. Wenn die Energiemengen in der Muskulatur oder dem Fettgewebe zu gering werden, empfinden Fliegen Nahrung als sehr belohnend. Der Energiestatus der Fliege wird über
insulinähnliche Moleküle in das Entscheidungssystem der Fliege integriert und dies führt zur Bildung eines Gedächtnisses über die Nahrungsquelle.

Mit anderen Worten: Droht der Körper, Substanz zu verlieren, schlägt das Gehirn Alarm und sorgt dafür, dass sich bei der Fliege alles um Nahrung dreht?

Ja. Bei hungrigen Fliegen mit Normalgewicht führt dann die Nahrungsaufnahme zum Erlöschen dieser Informationen. Bei Fliegen mit hohen Energiereserven bildet sich jedoch ein sehr stabiles Gedächtnis, das durch die Nahrungsaufnahme nicht gelöscht werden kann. Ganz im Gegenteil führt dieses Gedächtnis zu weitere Nahrungsaufnahme.

Also dicke Fliegen bleiben dann in dieser „Nahrungsgier“ gefangen und ihre Gedanken drehen sich auch weiterhin in erster Linie ums Fressen? Nach dem Fasten braucht die dicke Fliege also mehr Kohlenhydrate, um sich zufrieden zu fühlen, als vorher?

Dies stimmt für Fliegen, die bereits hohe Energiereserven haben. Jedoch nicht für Fliegen, die „normalgewichtig“ sind.

Und was bedeutet das für den Menschen, der eine Diät macht?

Das ist genau das Problem. Bei jedem Menschen kreisen die Gedanken ums Essen, wenn er weniger isst. Bei übergewichtigen Menschen endet es aber nicht. Auch dann nicht, wenn er wieder ausreichend isst. Die Erinnerung an Nahrung ist vorherrschend und kann schlecht gelöscht werden, auch durch Nahrung.

Kann man das verhindern?

Da das Entscheidungssystem in diesen Prozess der Gedächtnisumbewertung involviert ist, könnte eine Möglichkeit darin bestehen, gezielt die eigene Aufmerksamkeit auf andere Aktivitäten zu lenken. Wie das genau gemacht werden muss, muss noch erforscht werden. Allerdings hat man selten beim Sport Appetit auf Essen.

Man sollte also während einer Diät nach Möglichkeit jeden Gedanken ans Essen verhindern. Was würden Sie also empfehlen, um Gewicht zu verlieren?

Weniger Essen und sich einer interessanten Tätigkeit widmen, die nichts mit Essen zu tun hat.

Ein Blick in die Zukunft

Professorin Scholz und ihr Team hoffen, dass ihre Forschung dazu beiträgt, neue Strategien für die Gewichtsabnahme zu entwickeln. Ihre Ergebnisse weisen auf die Möglichkeit hin, dass sich im Gehirn eine schwer zu stillende Nahrungsgier bilden kann, wenn wir nicht aktiv dagegen steuern. Abnehmen ist also auch Kopfsache und es scheint wichtig, sich während einer Diät gezielt abzulenken. Diese spannenden Erkenntnisse zeigen, wie komplex unser Essverhalten ist und dass einfache Lösungen oft nicht ausreichen. Wer also gegen Übergewicht kämpft und das nächste Mal versucht, eine Mahlzeit auszulassen, um Kalorien zu sparen, sollte daran denken: Unser Gehirn könnte später dafür sorgen, dass wir später doppelt so viel essen. Ablenkung könnte der Schlüssel sein, um das zu verhindern.

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