Gesundheit

Der Vitamin-Cocktail aus der „Drip-Bar“

Neulich habe ich mich dabei erwischt, wie ich mal wieder neue Eisen- und Vitamin B-Tabletten in meinen Einkaufskorb geworfen habe. Wer sich pflanzlich ernährt, muss nunmal hier und da ein wenig nachhelfen. Da kam mir ein Instagrampost in den Sinn, von einer Influencerin, die stattdessen einfach zum Arzt gegangen ist: Eine Stunde lang saß sie dort und hat sich jegliche Vitamine einfach gleich per Infusion geben lassen. Ist das wirklich sinnvoll  – und funktioniert es überhaupt?

Trends und ihre Extreme

Wie so oft stolpern wir insbesondere in den sozialen Medien immer wieder auf neue Trends. Frauen, die vor dem Schlafengehen nicht nur 23 verschiedene Hautpflegeprodukte verwenden, sondern gleich dazu noch ihre Haare um einen Bademantelgürtel für die perfekten Heatless Curls wickeln und zuallerletzt Gelpads auf Stirn, Mund und Wangen legen, um im Schlaf ja keine Falten zu bekommen. Männer, die jeden Tag Minoxidil auf ihre immer feiner werdenden Haare träufeln und gründlich einmassieren, um den Haarwuchs anzukurbeln. Der Wunsch danach, perfekt zu sein, scheint so groß wie noch nie. Um dieses Ziel zu erreichen, scheint jedes Mittel recht. Doch nicht nur das Äußere soll optimiert werden, denn wir wollen ja schließlich auch gesund sein. Vitamine per Infusion – wie funktioniert das überhaupt?

Ein teurer „Cocktail“ für mehr Vitalität?

Eine Sache, die mich besonders beschäftigt hat: Wird einfach eine Rundumkur verabreicht? Oder wird geprüft, welche Vitamine tatsächlich aufgestockt werden müssen, und die Infusion wird darauf angepasst? Ehrlich gesagt war ich von der Antwort ein wenig enttäuscht. Bei den meisten Anbietern bekommt man einfach einen vorgemixten „Vitamin-Cocktail“ aus Vitamin C, zahlreichen B-Vitaminen, Aminosäuren, Tripeptiden und Elektrolyten. Diese Kombination soll entgiftend, immunstärkend und antiviral wirken. Auf die fettlöslichen Vitamine E, D, K und A wird (aus gutem Grund) verzichtet, da diese überdosiert werden können und so im schlimmsten Fall dem Körper schaden würden. 

Eine Stunde soll es nur dauern, bis der Körper die Vitamine aufgenommen hat und man quietschlebendig das Kosmetikstudio oder die Arztpraxis wieder verlassen darf. Eigentlich faszinierend. Laut der Website einer „Drip-Bar“ seien ein bis zwei Infusionen pro Woche für zwei bis drei Wochen ideal. Und was soll das Ganze kosten? Von 100 bis 300 € ist alles zu finden. Pro Sitzung natürlich. 

Wirksame Therapie oder überteuertes Placebo?

Bei dem Preis ist die Infusion nun wirklich nichts für jeden und auch nicht die unkomplizierte Lösung, die man sich vielleicht erhofft, wenn man sich schwach und schlapp fühlt. Na ja, Hauptsache, es wirkt. Doch auch dieser Aspekt ist eher umstritten. Eine Pilotstudie der Yale University (USA) zeigte, dass der Effekt von der intravenösen Vitaminverabreichung bei Patienten mit Fibromyalgie, einer chronischen Schmerzerkrankung, kaum aufzuweisen ist. Zwar zeigte sich bei den Probanden nach der Vitamininfusion eine Besserung der Symptome, doch auch die Placebo-Gruppe berichtete nach dem Experiment von weniger Müdigkeit und einem besseren Allgemeinbefinden. 

Kein besonders aussagekräftiges Ergebnis. Es deutet eher darauf hin, dass es sich um einen Placebo-Effekt handeln könnte. Wogegen ja auch erstmal nichts spricht – doch für den Preis ist das Ganze eher bedenklich, zumindest für diejenigen, die sich einer solchen Infusion „einfach nur so“ unterziehen wollen. Anders sieht das natürlich nochmal aus, wenn ein Mangel ärztlich nachgewiesen ist oder wenn eine chronische Krankheit vorliegt, bei der ein Vitaminzuschuss auf diese Weise effektiv sein könnte. 

Deshalb ist zu raten, vorher mit deinem Arzt zu sprechen, bevor du dir diesen teuren Spaß gönnst. Ich persönlich bleibe erst einmal bei meinen Eisen- und Vitamin B-Tabletten. Damit fühle ich mich einfach besser beraten. Alles andere ist, wie man so schön sagt, „teurer Urin“. 

Quelle: Ali et al. (2009): Intravenous Micronutrient Therapy (Myers’ Cocktail) for Fibromyalgia: A Placebo-Controlled Pilot Study, J Altern Complement Med. 15(3): 247–257. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2894814/

Teilen