Psychologie

„Zeig mir dein Profil – und ich sag dir, was dir wichtig ist“


Warum wir soziale Medien nutzen – und was das über uns verrät. Psychologe Phillip Ozimek untersuchte, warum Menschen Facebook wie nutzen. 

Foto: | Quelle: RUB, Kramer

Warum posten wir Urlaubsbilder, Selfies, Zitate in Schreibmaschinenschrift?
Warum scrollen wir durch das Leben anderer – und fragen uns, ob unseres reicht?

Eine neue Studie der Ruhr-Universität Bochum hat jetzt versucht, eine einfache Frage zu beantworten:
Warum sind wir eigentlich auf Facebook?

Die Antwort ist weder „aus Langeweile“ noch „weil es alle machen“.
Sondern: Weil wir Menschen sind. Und Menschen wollen sich wohlfühlen.


Willkommen im Club der Selbstregulierten

Die Forscher:innen um Phillip Ozimek, Fiona Baer und Prof. Dr. Jens Förster nennen das Ganze „Selbstregulation“ – also die Fähigkeit, uns selbst zu steuern, zu motivieren und in Balance zu bringen.

Klingt theoretisch? Ist es auch.
Aber im Alltag heißt das:
Wir posten, kommentieren, liken und scrollen, um uns besser zu fühlen.
Um Ziele zu erreichen – sichtbar sein, dazugehören, attraktiv wirken, gemocht werden.
Und das alles ganz bequem von der Couch aus, ohne sich die Haare machen zu müssen.


Materialismus 2.0 – das digitale Haben-Wollen

Besonders spannend ist, was die Forscher zum Thema Materialismus herausgefunden haben:
Menschen, denen Besitz, Status und Vergleiche wichtig sind, nutzen Facebook häufiger, intensiver – und strategischer.
Sie haben mehr „Freunde“, die sie eher als Objekte denn als echte Beziehungen sehen.

Kurz gesagt:
Facebook wird zur Vitrine für das Selbst. Und die Freunde zu Trophäen.


Weitere Themen:

Psychologe Ozimek nennt das „Materialismus 2.0“ – und ich sag’s mal so:
Früher sammelte man Briefmarken. Heute sammelt man Kontakte.
Früher sagte man: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot.“
Heute heißt es: „Mein Profilbild, mein Urlaub, mein Latte Art.“

Und das Beste daran: Es kostet nichts.
Was materialistisch veranlagte Menschen lieben – denn:
Vergleiche sind umsonst. Aber sie kosten manchmal das Selbstwertgefühl.


Und jetzt alle: Social Online Self-Regulation Theory!

Die Forscher haben aus ihren Ergebnissen eine Theorie gemacht: SOS-T – die Social Online Self-Regulation Theory.
Kernidee: Wir nutzen soziale Medien nicht aus Zufall, sondern zielgerichtet, um unsere Werte, Bedürfnisse und Lebensziele zu verfolgen.

Wer Nähe sucht, sucht Nähe.
Wer Anerkennung will, präsentiert sich.
Wer vergleichen will, findet Vergleichbares.
Und wer einfach nur seine Ruhe will – geht vielleicht gar nicht erst online.


Sind soziale Medien also gut oder schlecht?

Nein. Sie sind ein Werkzeug.
So wie ein Hammer: Du kannst damit ein Haus bauen – oder dir auf den Daumen hauen.
Es kommt darauf an, was du damit machst. Und warum.

Phillip Ozimek bringt es auf den Punkt:

„Die Plattformen sind nicht gut oder schlecht. Die Nutzer machen damit das, was ihren Werten und Zielen im Leben entspricht.“

Ein neutraler Blick also – und ein hilfreicher. Denn statt ständig über die Jugend zu meckern („Die hängen ja nur noch am Handy!“), könnten wir mal fragen:
Was suchst du da eigentlich? Und was fehlt dir gerade im echten Leben?


Was nehmen wir mit?

Soziale Medien sind nicht per se gefährlich. Aber sie sind auch kein Ersatz für echte Verbindung.
Sie sind wie ein Spiegel – nur dass du selbst entscheidest, was du darin sehen willst.

Oder wie ich’s sagen würde:

**Es geht nicht darum, was du online zeigst – sondern ob du auch offline jemanden hast, der dich sieht.**






Hier schreibt Jonas Weber vom Minerva-Vision-Team. Mit einer Mischung aus fundierter Forschung und einer Portion Humor vermittelt er komplexe Themen verständlich und unterhaltsam.Wenn er nicht gerade über die neuesten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung schreibt, findet man ihn bei einem guten Espresso, auf der Suche nach dem perfekten Wortspiel oder beim Diskutieren über die großen Fragen des Lebens – zum Beispiel, warum man sich an peinliche Momente von vor zehn Jahren noch glasklar erinnert, aber nicht daran, wo man den Autoschlüssel hingelegt hat.


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