Musik als Schlüssel zur Erinnerung
Wie Singen und Musizieren Menschen mit Demenz erreicht
Wenn Lina ihre Mutter besucht, singen sie gemeinsam “Er hat ein knallrotes Gummiboot”. Das kennt die Mama von früher, es macht ihr Spaß und ganz nebenbei stärkt sich durch das Singen ihre Lunge. Die ist nicht mehr so stark wie früher. In einer Welt, in der Worte manchmal nicht mehr verstanden werden, kann Musik eine Brücke bauen. Sie erreicht die tiefsten Schichten unseres Bewusstseins und berührt jene, die von Demenz betroffen sind, auf einer Ebene, die Sprache oft nicht mehr erreicht. Für Menschen mit Demenz ist Musik weit mehr als Unterhaltung – sie ist ein Weg, Verbindungen zu schaffen, Erinnerungen zu wecken und Momente der Freude und der Vertrautheit zu schenken. Gerade für Demenzkranke kann die Musik so eine sichere Basis in einer unwägbaren Welt ohne Anker sein.
Musik als Schlüssel zur Erinnerung
In einer kleinen Ecke Norddeutschlands, zwischen den stillen Feldern und jahrhundertealten Traditionen, öffnen sich neue Wege für den Umgang mit dementiell erkrankten Menschen. Die Universität Vechta und die Katholische Akademie Stapelfeld bieten eine besondere Weiterbildung ein, die zeigt, wie Musik Brücken in eine Welt bauen kann, die oft von Vergessenheit geprägt ist. „Musik hat die Kraft, längst verloren geglaubte Erinnerungen zu wecken“, erklärt Dr. Ulrike Kehrer, Dozentin an der Katholischen Akademie Stapelfeld und Initiatorin des Kurses. Gemeinsam mit Prof. Dr. Theo Hartogh von der Universität Vechta, einem Experten für Musikpädagogik im Alter, hat sie ein Programm entwickelt, das die heilende Wirkung von Musik in den Mittelpunkt stellt.
Die Idee dahinter ist einfach und doch tief bewegend: Während Worte oft nicht mehr verstanden werden, spricht Musik direkt die Emotionen an. Melodien und Rhythmen können selbst in fortgeschrittenen Stadien von Demenz eine Verbindung schaffen – nicht nur zu den Menschen um sie herum, sondern auch zu ihrer eigenen Identität.
Praktische Übungen und plattdeutsche Traditionen
In einer Weiterbildung wird der Fokus auf praxisorientierte Ansätze gelegt. Teilnehmende lernen, wie sie mit leicht spielbaren Instrumenten und einfachen Bewegungen musikalische Aktivitäten gestalten können. Ein besonderer Schwerpunkt ist das Singen auf Plattdeutsch – einer Sprache, die viele ältere Menschen der Region tief in ihrer Erinnerung tragen. „Plattdeutsch ist für viele der dementiell Erkrankten die Sprache ihrer Kindheit“, so Hartogh. „Wenn diese Klänge erklingen, sind sie oft wieder ganz bei sich. Es ist, als würde die Musik eine Tür in die Vergangenheit öffnen.“
Musik als Heilmittel der Natur
Singen kann jeder von uns. Vorkenntnisse im Bereich Musik oder Notenlesen sind nicht erforderlich. Im Mittelpunkt steht die Freude am gemeinsamen Singen und die Entdeckung der Kraft, die in der Musik steckt. Deshalb macht Lina alles richtig, wenn sie mit ihrer Mutter die Schlager ihrer Jugend singt. Auch wenn die Mama unruhig wird und nervös, hilft ihr das Singen, sich wieder zu beruhigen. Ein bekanntes Lied, ein vertrauter Klang – all das kann Momente des Glücks und der Verbundenheit schaffen, selbst inmitten der Herausforderungen einer Krankheit wie Demenz.