Psychologie

„Ich war mein eigener Algorithmus“

Wenn das digitale Ich lauter wird als das echte

Ein Dossier über Selbstwert, Sichtbarkeit und warum Influencer:innen nicht nur Posts, sondern auch Pausen brauchen.


Maja, 28, Lifestyle-Influencerin

„Ich hatte 160.000 Follower, mein Feed war perfekt. Blumenkaffee, Strandyoga, Glow-Skin. Und doch habe ich morgens im Bad oft geweint. Weil ich wusste: Ich kann das heute nicht – aber ich muss.“ Maja hatte sich ihren Traum erfüllt: Social Media als Beruf. Erst neben dem Studium, dann als Fulltime-Influencerin. Sie postete Tipps für mentale Balance, Yoga-Videos und grüne Smoothies. Nach außen war sie Ruhe und Licht – innen aber ausgebrannt.

„Ich konnte mir nicht mehr erlauben, einfach ich zu sein – ich musste jeden Tag inspirierend sein.“

Nach einem Jahr Dauerpräsenz kam der Punkt, an dem sie nicht mehr konnte. Sie nahm sich eine Auszeit, löschte ihre Apps und suchte Hilfe. Der Psychologe sagte: „Wer immer besonders sein muss, verliert das Selbstverständliche.“ Der Satz brannte sich ein.

Influencer: Zwischen Scheinwerfer und Selbstzweifel

Influencer:innen sind für viele junge Menschen Idole: kreativ, unabhängig, erfolgreich. Doch hinter der scheinbar glanzvollen Fassade lauert ein zunehmender psychischer Druck. Je größer die Reichweite, desto größer die Angst nicht mehr zu genügen, nicht mehr interessant genug zu sein, nicht mehr dazuzugehören. Aber ein Mensch, der sich nur noch über seine Wirkung definiert, verliert seine Würde.


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Was Sichtbarkeit mit deinem Selbstwert macht

Du beginnst, dich selbst wie ein Produkt zu sehen und schämst dich irgendwann für das, was du nicht zeigst: Müdigkeit, Unlust, Unvollkommenheit. Und irgendwann weißt du nicht mehr, wer du wirklich bist. Der Verlust des authentischen Selbst geht ganz leicht und allmählich, es wieder zu finden hingegen ist schwer. Heute lebt Maja einen digitalen Detox und sie ist glücklich. „Selbstachtung ist wichtiger als Selbstoptimierung.“, hat sie erfahren und warnt junge Mädchen vor den Gefahren des Instagram-Ruhms. „Am Anfang ist es nur Spaß, aber wenn die Follower-Zahlen steigen, kann man auch schnelles Geld verdienen. Das hält man aber nicht wirklich lange durch. Es ist hart, jeden Tag abliefern. Irgendwann fällt dir echt nichts mehr ein. Und dann kannst du dich online mit jemandem zoffen und versuchen, parallel eine Kooperation abzuschließen. Aber auch das wird schwierig, weil die meisten Firmen keine negative Publicity wollen. Es ist ein Haifischbecken!“

Social Media lebt von Sichtbarkeit.

Aber ein gesundes Leben lebt von Verbundenheit. Mit dir selbst, mit anderen, mit etwas Tieferem.

Maja postet nichts mehr. „Ich bin wieder jemand, der das Leben spürt“, sagt sie. „Und das ist besser als jedes Like.“

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