Auf einmal machen alle, was du willst!
Hast du jemals eine Situation erlebt, in der du es einfach nicht geschafft hast, deine Botschaft zu vermitteln? Malte ging es häufig so. Bis er auf die Ergebnisse zweier Wissenschaftler stieß. Das hat sein Leben verändert – sowohl beruflich als auch privat.
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Mein Problem waren die Menschen
„Ich arbeite als Teamleiter in einem mittelständischen Unternehmen. Meine Stärke ist das fachliche“, sagt Malte. „Ich rede einfach gerne über Technik. Also über Dinge. Mit Menschen habe ich es nicht so. Doch jetzt muss ich dieses Team führen und dabei habe ich Probleme. Oder vielmehr hatte“. Sein Problem war, dass die Menschen nicht das taten, was er anordnete. „In meiner Position musste ich oft Feedback geben und auch Entscheidungen kommunizieren, die nicht immer gut ankommen.“ Während er erzählt, fährt Malte sich über das raspelkurz geschnittene Haar und rückt seine Brille gerade. „Früher habe ich oft Sätze wie „Du musst das besser machen“ oder „Dein Ansatz funktioniert nicht“ verwendet. Die Reaktionen darauf war schweigen. Also wenig produktiv.“ Als Wissenschaftler suchte Malte sich auch genau dort Hilfe und stieß auf die Forschungsergebnisse von Zakary Tormala und Mohamed Hussein.
Ja, wir schaffen das!
Tormala, Professor für Marketing an der Stanford Graduate School of Business (GSB), und Hussein, Doktorand, der das Zusammenspiel von Verbraucherverhalten und Politik untersucht, haben getestet, wie Menschen reagieren, wenn sie statt mit „du“ mit „wir“ angeredet werden.
In Online-Diskussionsplattformen liefen die Menschen, die in ihren Botschaften die direkte Anrede „du“ und „dein“ verwendeten ins Leere. Kaum jemand antwortete und sie wurden auch nicht geteilt. Ganz anders war es, wenn exakt die gleiche Botschaft geteilt wurde, aber das „du“ wurde durch „wir“ und „unser“ ersetzt. Auf einmal kamen Antworten, es wurde diskutiert und die Botschaft drang durch. Und so erreichte man auch mit strittigen politischen Themen die Menschen, die eigentlich im anderen Lager zuhause waren. Im Grunde genommen geht es darum, die Menschen für fremde Ideen zu öffnen. „Aufgeschlossenheit bedeutet nicht, dass du zustimmst, aber es bedeutet, dass du bereit bist, dich mit einer Person auseinanderzusetzen, die diese Ansicht vertritt“, sagt Tormala. Gerade in den sozialen Netzwerken machen sich immer radikalere Ansichten breit. Das kann zu einer Spaltung der Gesellschaft führen. Deshalb ist es wichtig, nach Wegen zu suchen, wie wir wieder zusammenkommen. Miteinander zu reden wäre ein Anfang. „Die politische Polarisierung ist auf einem Allzeithoch“, sagt Hussein. „Alles, was wir tun können, um die wenigen noch stattfindenden Gespräche produktiver zu machen, ist ein Gewinn.“
Rede mit Menschen über Politik und es wird hitzig!
Sie begannen ihre Versuche auf den hitzigen Reddit-Politikforen. „Es gibt kaum etwas Konfrontativeres als Menschen, die auf Reddit über Politik diskutieren“, sagt Hussein. Er wollte wissen, was Beiträge erfolgreich macht und was nicht. Er analysierte dort ¼ Millionen Kommentare und konnte eine Gemeinsamkeit feststellen: Verwendete man die direkte Anrede „du“ war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Beitrag zensiert wurde. Je negativer der Ton wurde, desto offensichtlicher war der Zusammenhang. „Die Fähigkeit, Ideen zu zensieren war früher Kaisern und Königen vorbehalten“, sagt Hussein. „Heutzutage kann jedoch eine gewöhnliche Person, die ehrenamtlich als Inhaltsmoderator für eine Social-Media- oder Online-Diskussionsplattform tätig ist, entscheiden, welche Kommentare und Botschaften bestehen bleiben und welche entfernt werden.“ Und in der Tat scheint die Anrede „du“ von vielen als zu aggressiv gedeutet zu werden. Das ist erstaunlich, da bisherigen Forschungen zeigten, dass „Du“-Botschaften besser wahrgenommen werden und überzeugend sind. Sollte sich etwas geändert haben? Das kann vorkommen, wenn ein rhetorischer Trick überstrapaziert wird. Um das herauszufinden, führten Tormala und Hussein eine Reihe kontrollierter Experimente durch. Hunderte von Freiwilligen machten bereitwillig mit. Sie sollten auf negatives Feedback eines Teammitglieds reagieren und auf Kommentare zu spannungsgeladenen Themen wie Abtreibung und Einwanderung. Die Botschaften waren in verschiedenen Versionen verfügbar: eine mit „du“ und die andere mit „wir“. Neugierig warteten sie ab, wie die Teilnehmer reagierten. Es war erstaunlich. In fast allen Fällen führte die „du“-Botschaft dazu, dass die Teilnehmer blockierten. Sie machten dicht, schalteten ab, stellten den Kontakt ein. Die einzige Ausnahme? Es war mit einem Lob verbunden, wie „du hast Recht“.
Du hast Schuld!
Das mag daran liegen, dass eine direkte Anrede schnell zu aggressiv rüberkommt. „Wir“ hingegen hat den gegenteiligen Effekt: Es wirkt integrierend und dadurch weniger aggressiv. Und so hören wir einfach lieber zu. „Die meisten Menschen sprechen lieber mit der Person, die sagt ‚Wir haben das falsch gemacht‘ als ‚Du hast das falsch gemacht‘, weil sie offener erscheint“, sagt Tormala.
Das hat Auswirkungen auf alle, die versuchen, Botschaften zu transportieren. „Wenn du kurz davor bist, deine Meinung zu äußern oder jemandem zu widersprechen, suche nach Gelegenheiten, Wörter wie ‚wir‘ oder ‚uns‘ oder ‚unser‘ zu verwenden, anstatt Wörter wie ‚du‘ und ‚dein‘, die es so erscheinen lassen können, als würdest du die Verantwortung für die Meinungsverschiedenheit auf sie abwälzen“, sagt Tormala. Denn Menschen wollen sich nicht angegriffen fühlen. „Das lässt die Menschen sich gehört und geschätzt fühlen und senkt ihre psychologischen Abwehrmechanismen, wodurch sie offener werden, das zu hören, was du zu sagen hast“ sagt Hussein. Ihre Erkenntnisse waren so bemerkenswert, dass sie im Journal of Experimental Social Psychology, veröffentlicht wurden. Dort hat Malte sie auch gelesen. „Diese Erkenntnis war ein Augenöffner für mich! Natürlich versuchen besonders Politiker, Menschen zu führen und ihnen ihre Botschaften zu vermitteln. Ich dachte also, was die können, probiere ich auch aus.“
Meine ersten Versuche
Also begann ich, meine Kommunikation zu ändern. Statt „Du musst das besser machen“ sagte ich nun „Wir müssen einen Weg finden, das besser zu machen.“ Die Veränderung war erstaunlich und sofort spürbar. Meine Kollegen waren viel offener für mein Feedback und wir konnten gemeinsam Lösungen erarbeiten. Die Teambesprechung, die sonst nur 10 Minuten dauerte, zog sich bis zu einer Stunde hin und wir hatten echte und gute Ergebnisse. Alle machten mit.“ Malte war zufrieden. Besonders als eine Kollegin sagte: „Es fühlt sich an, als ob wir wirklich im selben Boot sitzen.“
Ein neuer Ansatz in der Familie
„Ich beschloss, den gleichen Ansatz auch zuhause auszuprobieren. Mein Sohn und ich hatten oft Diskussionen über seine Hausaufgaben. Früher sagte ich Dinge wie „Du machst deine Hausaufgaben nicht ernsthaft genug.“ Das führte meistens zu Streit. Ich änderte meine Strategie und sagte stattdessen: „Wir müssen herausfinden, wie wir deine Hausaufgaben besser organisieren können.“ Diese einfache Änderung hatte eine große Wirkung. Mein Sohn riss die Augen auf, stutzte, und zeigte sich offen. „Nach der Schule und dem Mittagessen bin ich erst müde, und dann ist es oft so spät, dass ich weiß, ich sitze bis abends dran!“ Wir analysierten die Situation und ersetzten das üppige Mittagessen durch ein Müsli. Obst, etwas Sahne, ein paar Kerne – und er war nicht mehr müde, sondern frisch. Und bereit, seine Aufgaben zu erledigen. Stattdessen aßen wir gemeinsam abends warm. Für meine Frau war das auch in Ordnung. Sie freute sich, dass der Junior jetzt kurz nach der Schule seine Pflichten erledigte. Die ganze Stimmung Zuhause war besser und ich habe gelernt, dass es wichtig ist, offen für alle möglichen Lösungen zu sein. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dass das Essen eine so große Auswirkung auf die Hausaufgaben hat.
Maltes Tipps für eine bessere Kommunikation:
Aus meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass die Wahl der Pronomen einen großen Unterschied machen kann. Hier sind einige Tipps, die mir geholfen haben:
- Nutze „wir“ statt „du“: In konfrontativen oder konfliktbeladenen Kontexten wirkt „wir“ weniger beschuldigend und fördert die Zusammenarbeit.
- „Ich höre dir zu“: Die Ausnahme ist ein direktes Lob. Dann verwende ich natürlich immer noch die direkte Anrede.
- Signalisiere Aufgeschlossenheit: Wenn du offen für die Perspektive deines Gegenübers bist, fühlen sie sich gehört und geschätzt. Und du erhältst Lösungsansätze, an die du niemals zuvor gedacht hättest.
- Vermeide Schuldzuweisungen: Sätze wie „Wir haben das falsch gemacht“ wirken besser und reduzieren die Abwehrhaltung.
Fazit
Wir alle sollten auf unsere Kommunikation achten, denn wir wollen doch alle das Gleiche: Gesehen und ernst genommen werden. Das zeigt sich eben auch in den Sprachmustern. Seitdem ich mir angewöhnt habe, „wir“ statt „du“ zu sagen, hören die Menschen mir zu, unterstützen mich mit ihren Ideen und fühlen sich dabei wohl. Ob im Beruf oder Zuhause – es sind oft die kleinen Änderungen, die die größten Auswirkungen haben.
Weitere Informationen: Mohamed A. Hussein et al., „You versus we: How pronoun use shapes perceptions of receptiveness“, Journal of Experimental Social Psychology (2023). DOI: 10.1016/j.jesp.2023.104555
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