Die beste Reha für dich
Irene Sybertz erkrankte an MS. Einfach so. Und fand über die Jahre ihren Weg durch Klinikgewirr und Therapieangeboten. Einiges hat ihr nicht geholfen, anderes, wie die Arbeitstherapie umso mehr. Wir wollten wissen, was genau das ist.
Während die Arbeitstherapie in meiner ersten AHB aus dem Flechten von Weidenkörbchen und dem Anfertigen von Kratzbildchen bestand, habe ich in dieser Klinik in Hilchenbach gelernt, was eine Arbeitstherapie wirklich ist. Ich dachte erst, dass ich das mit Leichtigkeit absolvieren würde. Denn ich arbeitete bei einer recht großen Tageszeitung, war Stress gewohnt und mein Ehrgeiz war geweckt. Aber ich wurde ganz schnell ganz schön kleinlaut. Ich wurde in ein Büro gesteckt, in dem mehrere Personen arbeiteten. Ich bekam Aufgaben, die ich am PC lösen musste.
Bis dahin kein Problem.
Dann kamen aber ständig Leute ins Büro, die mir Fragen stellten, zusätzliche Aufgaben gaben und mich nach Dingen fragten, die ich am PC erledigen sollte. Das wurde auf einmal zur Herausforderung, denn meine kognitiven Fähigkeiten waren nicht mehr das, was sie mal waren. Es fiel mir schwer, mich auf mehr als eine Sache zu konzentrieren, und selbst das war anstrengend. Aber nun die geteilte Aufmerksamkeit? Das, was bei meiner Arbeit Alltag war? Viele Menschen im Büro, immer wieder Unterbrechungen, Termine, die einem im Nacken saßen, denn eine Verzögerung des Zeitungsdrucks kostete letztendlich Tausende von Euros und würde sich durch die ganze weitere Produktion der einzelnen Ausgaben hindurchziehen! Zum Glück gibt es Möglichkeiten, geteilte Aufmerksamkeit zu trainieren, aber mir war klar, dass das zu einem gravierenden Wendepunkt werden würde, wenn nicht sogar das Aus.
Während dieser Therapiestunden wurde auch meine Arbeit analysiert.
Was musste ich wie oft, wie lange machen? War es eine körperlich oder geistig anstrengende Arbeit? Stressfaktoren? Arbeitsanfall? Überstunden? Kollegen und Vorgesetzte? Mobbing? Glücklicherweise hatte ich bis zu meiner MS keine Probleme mit Mobbing. Die kamen erst nach Bekanntwerden meiner Diagnose. Und das von durchaus unerwarteter Stelle. Es gibt Menschen in der Arbeitswelt, die bezeichnen ihre Mitarbeiter als „Kapazitätsköpfe“. Kein Witz. Und mein Kapazitätskopf war nicht mehr zuverlässig. Keiner, weder meine Ärzte noch ich, konnte wissen, ob, wann und wie lange ich wieder ausfallen würde. Das kam nicht gut an. In der Arbeitstherapie hat man mir aber beigebracht, „nein“ zu sagen, wenn auf den ohnehin schon übergroßen Stapel Arbeit noch etwas draufgelegt werden sollte. Ich lernte, dass ich mich nicht um Dinge kümmern muss, die nicht zu meiner Gehaltsklasse gehören und dass mit dem Verlassen des Betriebsgeländes Feierabend ist. Aber diese, meine neue Einstellung zur Arbeit kam gar nicht gut an. Man war mein neues Ich nicht gewohnt.
Praxis-Tipp: Solltest du im Arbeitsleben stehen und eine AHB/Reha machen, dann würde ich dir empfehlen, eine Klinik zu suchen, die echte Arbeitstherapien anbietet. Nur so kannst du wissen, wo du im Alltag wirklich stehst mit deiner Leistungsfähigkeit und ob du vielleicht darüber nachdenken musst, etwas zu verändern.
Ich könnte nun noch über meine weiteren Therapien wie Physio-, Ergo- oder neurologische Psychotherapien berichten. Aber letzten Endes werden die genau auf dich und deine Symptome zugeschnitten, und das, was mir geholfen hat, kann dir unter Umständen schaden. MS ist die Krankheit der 1000 Gesichter und du und dein Körper seid einzigartig. Hier bleibt dir nichts anderes übrig, als den Therapeuten zu vertrauen. Die sind top ausgebildet, haben oftmals Zusatzausbildungen für die unterschiedlichsten neurologischen Erkrankungen und stehen im engen Kontakt mit den Ärzten. Therapeuten und Ärzte entscheiden gemeinsam, welche Therapien für dich wichtig sind. Aber sie sind auch auf deine Mithilfe angewiesen und vor allem auf deine Kommunikation. Sag, was dir guttut, was dir hilft, was dir vielleicht Schmerzen bereitet, oder was dir ganz einfach nichts bringt. Nur gemeinsam könnt ihr lernen, deinen neuen Körper zu verstehen und ihn fördern.
Ich hatte in meiner bisherigen MS-Laufzeit insgesamt sechs Schübe in den ersten sechs Jahren.
Seit weiteren sechs Jahren bin ich ohne bemerkbaren Schub. Meine MS ist in den schleichenden Verlauf übergegangen. Trotzdem ist sie noch aktiv, was die regelmäßigen MRTs in Form von neuen Vernarbungen im Gehirn und Rückenmark zeigen. Fünf von meinen AHBs habe ich in der gleichen Klinik im Siegerland geleistet. Ich hatte nicht den Drang nach dem Ausprobieren neuer Kliniken, was rein theoretisch möglich wäre. Für mich war die Möglichkeit des Vergleichs wichtig. Ich wusste, die Therapien halfen mir jedes Mal und dadurch, dass die Therapeuten mich auch kannten, konnte sich jeder ein echtes Bild über meine Leistungsverluste nach den jeweiligen Schüben machen, und mit den Berichten aus den Vorjahren vergleichen. Das betraf sowohl die Bereiche Körper, Seele und Arbeit; als auch die Bewältigung des Alltags.
Aber wie findet man die für sich richtige Reha-Klinik bzw. Klinik für die AHB? Bei deinem ersten Schub mit deinem ersten Krankenhausaufenthalt solltest du auf den Rat deiner Ärzte hören. Es muss nicht jedes Mal zu einem Reinfall wie bei mir führen. Obwohl es das eigentlich gar nicht war, denn diese erste AHB hat meine Sichtweise aufs Leben positiv verändert.
Extra: Checkliste Klinik AHB/Reha
1. Ist die Klinik zertifiziert nach den Standards der:
– QM-System der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED)?
– nach TÜV ProfiCert ISO 9001
– und bestenfalls nach den Standards der DMSG (Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft)?
Praxis-Tipp: Wenn die Klinik zudem auch noch das Siegel QS-Reha (Qualitäts-Sicherung medizinische Rehabilitation) trägt, dann bist du von vorneherein gut mit dieser Klinik beraten.
2. Welche diagnostischen Möglichkeiten werden angeboten?
3. Ist die Multiple Sklerose ein Schwerpunkt der Klinik?
4. Wenn du noch im Arbeitsleben stehst: Arbeitstherapie mit ihrem Behandlungsprogramm zur medizinisch-beruflich-orientierten Rehabilitation?
5. Gibt es möglicherweise eine Probewohnung zur Einübung alltagspraktischer Fähigkeiten in realer Umgebung?
6. Gibt es ein realistisches Training für den Alltag?
Hierzu gehören z.B. eine Probewohnung, eine Übungsküche, Büroarbeitsplätze, eine Holz- und Metallwerkstatt, ein spezielles Arbeitstrainingsprogramm, Arbeitsplätze in- und außerhalb der Klinik oder auch ein Rollstuhltraining.
7. Gibt es neben den klassischen Therapieangeboten der neurologischen Rehabilitation mit Physiotherapie, physikalischer Therapie, Ergotherapie, Sprachtherapie und neuropsychologischer Therapie auch weitere? Kunsttherapie, Musiktherapie…?
8. Gibt es Therapiekonzepte für die Therapien in der Multiplen Sklerose? Diese werden durch speziell geschulte Therapeuten in diesem Bereich durchgeführt. Physiotherapeut ist eben nicht gleich Physiotherapeut, denn oft haben sie Spezialgebiete.
9. Wie sind die Zimmer? Gibt es Einzel- oder Doppelzimmerbelegung?
10. Sind die Zimmer behindertengerecht ausgestattet?
11. Gibt es Internetnutzung auf dem Zimmer?
12. Gibt es Ernährungsberatung bei Multipler Sklerose?
13. Wie sind die Einkaufsmöglichkeiten (Hygieneartikel) innerhalb und außerhalb der Klinik?
14. Gibt es ein Freizeitprogramm in der Klinik am Wochenende bzw. außerhalb der Therapiezeiten?
15. Wird ein Wäscheservice im Haus angeboten?
16. Besteht die Möglichkeit der Anforderung einer mobilen Fußpflege oder eines mobilen Friseurs?
17. Je nach Entfernung zum Wohnort: Gibt es Übernachtungsmöglichkeiten für Besuch in der näheren Umgebung? Bitte beachte, dass Heimfahrten während der AHB bzw. Reha nicht erlaubt sind! Eine sogenannte Beurlaubung ist ausschließlich aus zwingenden Gründen und nur nach Absprache/Genehmigung mit dem medizinischen Dienst möglich!
Das alles sind Punkte, an die du während deiner ersten AHB nicht denken wirst, weil du einfach nicht weißt, worauf es ankommt. Ich lege dir ans Herz, Kontakt zu der DMSG aufzunehmen, die in jedem Bundesland in Deutschland mit einer Geschäftsstelle vertreten ist. Hier wirst du gute Kliniken genannt bekommen. Recherchiere dazu auf der jeweiligen Homepage und entscheide dann aus dem Bauchgefühl. Denn damit liegst du in den meisten Fällen richtig.
Ich hatte das Glück, dass „meine“ Reha-Klinik dieses großartige Gesamt-Konzept anbietet. Und ich würde sie auch jetzt wieder wählen, auch wenn die Arbeitstherapie keine Rolle mehr für mich spielt. Bei jedem meiner Aufenthalte wurde ich dort regelrecht wieder auf die Füße gestellt und ins Leben geschickt. Nicht, ohne mir vorher die Regeln gegen den Zeitstress mit an die Hand zu geben. Ich nehme sie heute noch sehr ernst, denn sie helfen, den Alltag zu organisieren, zu planen und auch zu überstehen.