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Was tun, wenn die Katze taub ist?

Sweety ist ein taubes, weißes Kätzchen, das Glück im Unglück hatte. Es wurde auf Mallorca in einer Auffangstation notdürftig untergebracht. Tierfreunde, die gerade nach Mallorca ausgewandert waren, nahmen Sweety und zwei weitere Katzenkinder auf.  

Die Tierschützer freuen sich sehr, dass sie neben zwei Kätzchen auch noch ihr Problemkind, die taube Sweety, gut untergebracht haben. Ihr neues Zuhause ist jetzt eine ruhig gelegene Finca, die etwa einen Kilometer von der nächsten Straße entfernt liegt. Auch wenn die taube Katze nicht in reiner Wohnungshaltung untergebracht werden kann, weil hier in Spanien fast das ganze Jahr die Türen offen stehen, erwartet sie eine katzengerechte Haltung, wie sie es bisher gewohnt war. Dadurch, dass die Finca so abseits liegt und gut eingezäunt ist, ist die taube Sweety keinen größeren Gefahren ausgesetzt, wenn sie als Freigängerin unterwegs ist. Vor allem kann sie in dieser ländlichen Gegend nicht dem Straßenverkehr zum Opfer fallen.

Inhalt:

  1. Gibt es Unterschiede im Spielverhalten?
  2. Wie verhält sich eine gehörlose Katze Artgenossen gegenüber?
  3. Welche Gefahren sind für eine taube Katze draußen zu erwarten?
  4. Aber was ist, wenn die Besitzer mit ihrem Auto das Grundstück verlassen oder wenn Besucher kommen? Kann sie nicht aus Versehen überfahren werden? 
  5. Wie ist das Jagdverhalten der tauben Sweety? 
  6. Hat eine taube Katze immer eine laute Stimme?
  7. Wie wird eine taube Katze erzogen?
  8. Warum sind so viele weiße Katzen taub?
  9. Eine Frage der Genetik

Gibt es Unterschiede im Spielverhalten?

Sweety ist eine sehr lebhafte Katze und hat einen athletischen Körperbau. Als sie klein war, konnte sie sich für jedes Katzenspielzeug begeistern, das bei allen anderen Katzen auch immer gut ankommt. Gekaufte Spielmäuse, Wedel oder das Roundabout sind, bzw. waren genauso spannend wie Papierkugeln, die sich über den Boden kicken lassen. Ein wild umher springender Pingpong-Ball spornt die sportliche Sweety zu Höchstleistungen an. Ihre Geschwindigkeit und Beweglichkeit sind bemerkenswert. Das Spielverhalten von der tauben Sweety unterscheidet sich nicht wesentlich von dem ihrer Artgenossen. Sie lässt sich immer durch Bewegungen motivieren, während Geräusche für sie keine Bedeutung haben. Noch heute liebt die temperamentvolle Sweety ein wildes Spiel mit einem Wedel. Und immer noch jagt sie abends im Wohnzimmer unermüdlich dem Punkt von einem Laserpointer hinterher. Ein kurzes Spiel reicht ihr nicht aus. Auch wenn sie kein Erfolgserlebnis bei der Lichterjagd hat, ist sie sehr enttäuscht, wenn das Spiel vorbei ist und sucht noch eine ganze Weile nach ihrem springenden Punkt. Lange Zeit waren sogar Schattenspiele für die junge Sweety interessant. Dieses Verhalten ist für normal hörende Katzenkinder eher ungewöhnlich, aber Sweety ist durch ihre Taubheit sehr augenorientiert, daher war auch ein wild herumtanzender Schatten, der oft von Menschenhand bewegt wurde und dadurch noch heftiger hin und her sprang, sehr lange für sie ein spannendes Jagdziel. Erst nach etlichen Wochen wurden die Bewegungen der Schatten-Lichtspiele uninteressant. Draußen waren zuerst die Insekten oder auch das umherfliegende Laub ein beliebtes Jagdobjekt. Wie für alle jungen Katzen wird jeder sich bewegende Gegenstand in der Natur zu einem Spielzeug umfunktioniert. So spielt auch die wilde Sweety mit jedem Blatt, das der Wind vorbei weht.

Wie verhält sich eine gehörlose Katze Artgenossen gegenüber?

Sweetys Verhalten gegenüber ihren beiden etwa gleichaltrigen Artgenossen ist kaum anders als unter nicht behinderten Katzenkindern. Sie spielen und raufen miteinander, wie junge Katzen es eben tun. Auch zu fremden erwachsenen Katzen verhält sich die taube Sweety katzentypisch. Schließlich ist sie unter vielen Katzen jeder Altersstufe groß geworden. Meistens merkt man ihr die Behinderung sowieso nicht an. Oftmals könnte man sogar annehmen, dass sie etwas hört, weil es manchmal scheint, als würde sie auf Geräusche reagieren. Auch die Ohren stellt sie in unterschiedliche Richtungen, so als könnte sie Geräusche orten. Tatsächlich ist sie aber stocktaub. Dafür nimmt sie Erschütterungen oder sogar leichte Windzüge wahr und schaut immer sofort nach der Ursache. Sie bekommt es sogar mit, wenn eine Tür geöffnet wird, weil sie den Luftzug spürt. Eine gehörlose Katze, die mit anderen Katzen aufwächst, erlernt die Katzensprache mit ihrer ganzen Mimik und Gestik genauso wie jedes andere Katzenkind.  

Welche Gefahren sind für eine taube Katze draußen zu erwarten?

In Deutschland wäre es unmöglich, einer tauben Katze Freilauf zu gestatten. Selbst in einer verkehrsberuhigten Zone kann eine Katze, die nicht hören kann, bei einem Unfall ums Leben kommen. Sweety lebt zum Glück so weit von der nächsten Straße entfernt, dass keine Gefahr für sie besteht, im Straßenverkehr ihr Leben zu verlieren. Sie bleibt auch immer in der Nähe der Finca und würde sicherlich nicht über einen Kilometer weit herumstreunen. 

Aber was ist, wenn die Besitzer mit ihrem Auto das Grundstück verlassen oder wenn Besucher kommen? Kann sie nicht aus Versehen überfahren werden? 

Nein. Sweetys Sinne sind außergewöhnlich fein. Grundsätzlich geht sie jedem Fahrzeug aus dem Weg. Selbst wenn sie ein heranfahrendes Auto nicht in ihrem Blickfeld hat, spürt sie durch die leichten Bodenvibrationen, dass sich ein Fahrzeug nähert. Sie ist sofort hellwach und schaut aufmerksam in die Runde. Dadurch sieht sie immer rechtzeitig die Gefahrenquelle und weicht jedem Fahrzeug weiträumig aus. Zudem sucht sie sich auch immer sichere Ruheplätze. Meistens döst sie auf einem gut gepolsterten Gartenstuhl im Schatten auf der Terrasse oder auf dem Fenstersims mit gutem Rundumblick. Sobald es ihr zu heiß wird, geht sie ins kühlere Haus. Auch nachts schläft sie meistens drinnen und gerne auch im Bett. Sie orientiert sich mehr an ihren menschlichen Bezugspersonen als die anderen jungen Katzen, die auf der Finca leben. Die taube Sweety hält sich gerne bei den Menschen auf und liegt meistens in der Nähe. Oft folgt sie wie ein Hund und schaut bei der Gartenarbeit zu oder liegt im Schatten unter dem Liegestuhl. Dabei ist sie immer vorsichtig und liegt nie im Weg herum. Als sie klein war, ist sie aus Versehen schon mal über den Haufen gelaufen worden. Dadurch hat sie aber schnell gelernt, den Menschenbeinen aus dem Weg zu gehen. Auffällig ist, dass sie sich oft erschrickt, wenn sie im Tiefschlaf ist und unvermittelt angefasst oder gestreichelt wird.

Wie ist das Jagdverhalten der tauben Sweety? 

Da Sweety nichts hört, jagt sie nur auf Sicht. Sie schaut sich suchend um, bis sie ein interessantes Objekt entdeckt. Das summende Geräusch eines fliegenden Insekts nimmt sie nicht wahr, daher hält sie meistens Ausschau nach fliegenden Käfern. Als sie klein war, waren Fliegen am Fenster besonders interessant, weil sie sich lange in ihrem Blickfeld bewegten. Sie konnte sich auch intensiv mit einer winzigen Ameise am Boden beschäftigen. Nach wie vor sind Insekten aller Art ein beliebtes Jagdobjekt. Für Motten, Spinnen oder Käfer kann sie sich immer noch begeistern. Draußen kann sie zwar den Flügelschlag der Vögel nicht hören, sobald sie aber einen Vogel in ihrem Blickfeld erspäht, wird ihr Jagdinstinkt geweckt. Aber wie so oft, sind Vögel für Katzen eine schwer erreichbare Beute. Die Mäusejagd ist für Sweety auch schwieriger, weil Katzen Mäuse meistens durch die leisen Geräusche ihrer Bewegungen orten. Sweety kann aber keine Maus hören, die irgendwo im Gestrüpp raschelt. Nur mit etwas Glück erwischt sie hin und wieder eine Maus. Meistens wird sie nur dann darauf aufmerksam, wenn ihre Katzenfreunde eine Beute im Visier haben oder eine Maus anschleppen. Sie gehört zwar nicht zu den erfolgreichen Jägern, aber auch sie hat gelernt, wie eine größere Beute erlegt wird.  

Hat eine taube Katze immer eine laute Stimme?

Tauben Katzen wird nachgesagt, dass sie eine extrem laute Stimme haben. Sweety maunzt mitunter auch etwas lauter. Aber sie setzt ihre Stimme nur dann ein, wenn sie etwas erreichen möchte. Wenn sie z. B. nach draußen oder umgekehrt ins Haus will, maunzt sie genauso wie viele andere Katzen. Sie miaut auch, wenn sie Hunger hat und streicht kläglich jammernd um die Beine. So wie es jede andere Katze auch tut, die gelernt hat, ihre Stimme einzusetzen, um einen gefüllten Futternapf zu bekommen. Je lauter sie maunzt, umso mehr Hunger hat sie. Auch ihre Katzenkumpels kann sie böse und laut kreischend anfauchen, wenn das Spiel zu wild wird. Heute setzt sie sich immer noch energisch gegen ihre Artgenossen durch.

Wie wird eine taube Katze erzogen?

Sweety war von Anfang an in ihrem Wesen sehr lieb und anhänglich. Trotzdem musste auch sie lernen, dass es verboten ist, auf der Küchenarbeitsplatte und auf dem Esstisch zu sitzen. Wie alle anderen Katzen auch, wurde sie, wenn sie sich auf diesen verbotenen Plätzen aufhielt, konsequent wieder hinuntergesetzt. Dazu bekam sie ein Handzeichen, während ihre Katzenkollegen ein deutliches “Nein” hörten. Katzenerziehung dauert zwar generell immer etwas länger, aber durch die konsequenten Maßnahmen hat auch Sweety gelernt, welche Plätze für sie tabu sind. Weil sie meistens nicht hört, wo sich ihre Menschen aufhalten, läuft sie oft suchend durch die Gegend. Auch draußen behält sie die Menschen oft im Auge und folgt ihnen in jeden Winkel des Gartens. Da sie die Menschen viel stärker beobachtet als andere Katzen, kann man sie auch mit einer einladenden Bewegung zu sich locken, sobald sie Blickkontakt hat. So reagiert sie auch auf eine freundliche Körpersprache. Allerdings ist sie manchmal nicht in Sichtweite, darum hat sie schlechte Karten, wenn die Katzen zur Fütterung gerufen werden. Meistens bekommt sie es aber doch mit, dass es etwas Gutes gibt. Anscheinend fällt ihr auf, dass ihre Kumpels plötzlich zum Haus laufen. Es sei denn, sie schläft gerade tief und fest. Dann wird sie auch durch ungewöhnliche Geräusche nicht wach, die jede andere Katze sofort aus dem Tiefschlaf aufschrecken lassen.

Warum sind so viele weiße Katzen taub?

Grundsätzlich sind nicht alle weißen Katzen taub! Eine reinweiße Katze ist eigentlich eine farblose Katze. Die fehlende Pigmentbildung entsteht aber durch einen Gen-Defekt. Die ersten, meist blauäugigen Katzen mit besonders schönem weißen, langen Fell eroberten Europa bereits im 16. Jahrhundert und wurden Angora-Katzen genannt. Sie wurden auch wegen ihrer Gelassenheit und stoischen Ruhe bewundert. Heute wird vermutet, dass viele von diesen Katzen bereits damals stocktaub waren und deshalb diesen unerschütterlichen Charakter hatten. Eine taube Katze ist eben nicht so schreckhaft, wenn es irgendwo poltert und lärmt. Die Untersuchung einer bestimmten Population von weißen Türkisch Angora Katzen im Jahr 1995 ergab, dass 95% der Katzen schwerhörig oder taub waren. Wenn man mit zwei tauben Elterntieren züchtet, leidet die Mehrzahl dieser Nachkommen ebenfalls an einer Hörschädigung. Es gab damals ein viel diskutiertes Zuchtverbot für alle weißen Katzen, das aber wieder gelockert wurde, weil nicht alle weißen Katzen taub waren. Heute werden die Zuchtkatzen audiometrisch und sogar ophthalmologisch, denn auch die Augen können von dieser Art Albinismus geschädigt sein, untersucht, um diese Erbanlage auszuschließen. Mit tierschutzrelevanten Problemen des Gehörs sind nach dem heutigen Wissensstand weiße Katzen aller Rassen behaftet, die Träger des W-Gens sind.

Eine Frage der Genetik

Das heißt, dass bei einer Verpaarung mit weißen Katzen, die beide ein Träger des W-Gens sind, ein höheres Risiko besteht, dass taube oder schwerhörige Kätzchen geboren werden. Eine Studie in den USA ergab, dass bei reinweißen Katzen, deren Fell durch das dominante, epistatische W-Gen determiniert ist, Schwerhörigkeit oder Taubheit in unterschiedlicher Ausprägung auftritt. So sollen ca. 43% der Tiere mit der Gen-Kombination WW und etwa 27% der Tiere mit der Gen-Kombination Ww taub sein. Selbst ca. 7% der gelbäugigen Katzen sind betroffen. Die Taubheit hängt also nicht nur mit der Augenfarbe zusammen und kommt bei weißen Hauskatzen ebenso vor wie bei etlichen Katzenrassen, die in vielen Farben und auch in reinweiß gezüchtet werden. Erfahrene Züchter von weißen Katzen machen eine Genanalyse und stellen ihre Verpaarungen nach diesen Kriterien zusammen, um das Risiko zu minimieren. Verpaarungen von zwei reinerbig weißen Katzen sind sowieso bei fast allen Zuchtverbänden verboten.

Der Artikel erschien in Our Cats, dem Katzenmagazin. “Glück kann schnurren” – unter diesem Motto feiert die Redaktion jeden Monat aufs Neue das wunderbare Leben mit unseren Samtpfoten und bietet eine Fülle von Ideen und Informationen, die das gemeinsame Leben jeden Monat aufs Neue feiern und bereichern. 

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