Psychologie

Was kommt nach dem Tod?

Nahtoderfahrungen – Wenn Menschen einen Blick hinter den Vorhang werfen

Ich habe den Tod erlebt – zumindest fühlte es sich so an. Nicht im Krankenhaus. Nicht bei einem Unfall. Sondern während einer Hypnose-Ausbildung, bei der wir aufgefordert wurden, unserer größten Angst zu begegnen.

Die meisten Teilnehmenden fanden sich in Szenen der Einsamkeit wieder: getrennt von ihren Kindern, Partnern, ihrem Zuhause. Ich krampfte, ließ los, starb und fand mich – im Universum.
Ich sah meinen Körper aus der Vogelperspektive, verließ ihn. Ich war nicht mehr ich – und gleichzeitig mehr denn je. Ich war aus Gold, geschlechtslos, glatt wie ein Oscar, schwebte in einer Spirale aus Licht. Ich stand auf den Schultern eines anderen goldenen Körpers, rechts und links waren weitere – und zusammen bildeten wir einen Kreis, einen Tunnel. In der Mitte: ein goldenes Licht, das uns alle durchdrang. Und durch mein Herz strömte es hinaus in alles. Ich fühlte keinen Schmerz. Keine Angst. Nur Freude. Jubel. Das Beste, was ich je gefühlt habe. Als ich zurückkehrte, sah ich um mich herum fassungslose Gesichter. Und ich? Ich weiß bis heute nicht, was ich da genau erlebt habt. Aber ich lebe seitdem glücklicher, zurfriedener. Mit mehr Vertrauen.


Was sind Nahtoderfahrungen?

Nahtoderfahrungen (kurz: NDEs, also „near-death experiences“) sind seit Jahrzehnten ein Forschungsfeld. Menschen berichten davon nach einem Herzstillstand, nach Unfällen, während Operationen oder – wie bei mir – in veränderten Bewusstseinszuständen. Und immer wieder kehren dieselben Bilder zurück:

  • Ein helles Licht
  • Ein Tunnel oder Übergang
  • Das Gefühl, den Körper zu verlassen
  • Begegnungen mit Verstorbenen oder spirituellen Wesen
  • Ein überwältigendes Gefühl von Frieden, Liebe und Verbundenheit

Ich hätte es ja selbst angezweifelt, aber ich habe es ja nunmal selbst erlebt. Was sagt denn die Wissenschaft dazu?


Die AWARE-Studie von Dr. Sam Parnia

Eine der bekanntesten Studien wurde in über 15 Krankenhäusern durchgeführt. Ziel war herauszufinden, ob Menschen während eines Herzstillstands ein Bewusstsein haben können, obwohl das Gehirn keinen messbaren Puls mehr zeigt. Einige Teilnehmende beschrieben nach ihrer Reanimation ganz genau, was im Raum passiert war, obwohl sie klinisch tot waren. Dazu gibt es übrigens auch einen Film mit Julia Roberts: In Flatliners bringen sich 5 Medizinstudenten gezielt in den Herzstillstand, um Nahtoderfahrungen zu erleben und lassen sich nach wenigen Minuten reanimieren. Jeder von ihnen macht in diesen Minuten intensive, übernatürliche Erfahrungen, aber sie bringen auch etwas aus dem Jenseits mit zurück. Hollywood eben. Der Film spielt mit echten Elementen von Nahtoderfahrungen (NDEs), aber verzerrt sie für die Dramaturgie. Die Idee, dass man sich gezielt ins Jenseits versetzen könnte, um die „Geheimnisse des Todes“ zu erkunden, ist natürlich fiktional überhöht. Und dass man dabei Dämonen oder Schuldgestalten mit zurückbringt, ist eher Stoff für Thriller als für wissenschaftliche Studien. In Wahrheit sieht es nämlich deutlich positiver aus. Die meisten wissenschaftlich dokumentierten Nahtoderfahrungen (z. B. aus der AWARE-Studie oder der Forschung von Pim van Lommel) berichten von: Frieden und Geborgenheit, Licht, Tunnel, Lebensrückblick, einem Gefühl tiefer Verbundenheit, manchmal Begegnungen mit Verstorbenen.


Weitere Themen:

Wissenschaft trifft Jenseits: Wer ist Pim van Lommel?

Pim van Lommel ist ein niederländischer Kardiologe – und einer der ersten Mediziner weltweit, der Nahtoderfahrungen wissenschaftlich untersucht hat. Er befragte 344 Patienten, die nach einem Herzstillstand reanimiert wurden in insgesamt 10 niederlndischen Krankenhäusern. Jeder 5. (18%) berichtete von tiefgreifenden Nahtoderfahrungen, obwohl sie währenddessen klinisch tot waren. Sie hatten also weder Herzschlag, noch eine messbare Gehirnaktivität. Van Lommel argumentiert: So tiefgreifende psychologische Veränderungen wären untypisch für bloße Halluzinationen. Hinzu kommt: Unabhängig von Religion, Bildungsgrad oder Weltanschauung beschrieben Menschen ähnliche Motive: Tunnel, Licht, Lebensrückblick, Begegnungen mit Verstorbenen, Gefühl der Einheit. Das spricht für ein universelles, tief im Menschen verankertes Phänomen. Van Lommel vermutet, dass das Bewusstsein nicht im Gehirn lokalisiert ist, sondern eher wie ein „Empfangsgerät“ funktioniert – ähnlich wie ein Radio. Das Gehirn würde demnach Bewusstsein empfangen, aber nicht selbst erzeugen.

Was bleibt?

Die Wissenschaft kann (noch) nicht endgültig beantworten, ob das Bewusstsein unabhängig vom Körper weiterexistiert. Aber was bleibt, ist die Wirkung solcher Erfahrungen auf die Menschen selbst.

Viele berichten:

  • Die Angst vor dem Tod ist verschwunden
  • Das Leben fühlt sich kostbarer an
  • Werte verändern sich: weniger Status, mehr Tiefe
  • Eine neue Beziehung zum Körper und zur Zeit entsteht

Ist das alles nur eine Illusion – oder ein Blick in die Wahrheit?

Das ist die große Frage. Und vielleicht ist die ehrlichste Antwort: Wir wissen es nicht – und vielleicht ist genau das der Schlüssel. Ist es eine Illusion? Aus neurobiologischer Sicht: möglich.
Das Gehirn unter extremem Stress, Sauerstoffmangel oder in Ausnahmezuständen produziert Bilder, Gefühle, Licht, Tunnel, Musik – weil es uns schützen will, trösten, Übergänge gestalten.
Das ist keine Täuschung, sondern ein Teil unseres Überlebenssystems. Ein letzter Versuch, Frieden zu schaffen, wenn der Körper aufgibt. Oder ist es ein Blick in eine tiefere Wahrheit?

Aus spiritueller Sicht: auch möglich. Zu viele Menschen – über alle Kulturen, Religionen und Bildungshintergründe hinweg – berichten von Ähnlichem: Licht, Liebe, Einheit.
Und das nicht vage oder verschwommen – sondern klar, bewusst, mit bleibender Wirkung.
Sie kehren verändert zurück. Nicht fanatisch. Sondern weicher. Offener. Mutiger.

Vielleicht müssen wir gar nicht entscheiden, ob es real war. Sondern nur: Was macht es mit uns? Bringt es Frieden? Vertrauen? Verbindung?

Vielleicht ist das, was nach dem Tod kommt, weniger wichtig als das, was vor ihm geschieht: Dass wir den Mut finden, das zu leben, was in uns steckt. Dass wir vergeben, lieben, lachen – und erkennen: Wir sind Teil von etwas Größerem.


Ein persönliches Fazit

Ich weiß nicht, was nach dem Tod kommt. Aber ich habe einen flüchtigen Blick erhascht – und der war hell. Warm. Und voller Jubel. Seitdem versuche ich, diesem Licht auch im Alltag zu folgen. Im Gespräch mit meinen Kindern. Im Blick in den Himmel. In Momenten der Stille. Vielleicht ist das der eigentliche Sinn von Nahtoderfahrungen: Nicht, um uns auf das Sterben vorzubereiten.
Sondern um uns das Leben zurückzugeben.

Der Kommentar von Nina, unserem Mental-Health-Coach:


Illusion oder Wahrheit? Die bessere Frage ist eine andere.


Wenn ein Mensch von einer Nahtoderfahrung erzählt – von Licht, Frieden, Verbundenheit –, ist es keine Hilfe, ihm zu erklären, ob das „wirklich“ war oder nicht. Die Frage, ob es eine Illusion war oder ein Blick in die Wahrheit, ist typisch für unsere Zeit: Wir wollen Sicherheit. Eindeutigkeit. Am liebsten eine messbare Antwort.

Aber das Leben funktioniert nicht so. Und der Tod auch nicht.

Ich habe viele Eltern, Kinder und Paare begleitet, die in Grenzsituationen standen. Und ich habe gelernt: Was in solchen Momenten zählt, ist nicht, ob etwas beweisbar ist. Sondern ob es bedeutsam ist.

Wenn eine Erfahrung jemanden dazu bringt, achtsamer zu leben, liebevoller zu sein, weniger Angst zu haben – dann ist es nicht wichtig, ob sie „objektiv real“ war. Dann war sie wahr im persönlichsten Sinn.

Und genau darum geht es auch in der Beziehung zu Kindern, Partnern oder Sterbenden:
Nicht, dass wir uns über Wirklichkeiten streiten. Sondern dass wir lernen, den inneren Raum zu achten, in dem jeder seine Wahrheit findet.

Vielleicht ist die bessere Frage also nicht: Ist das real?
Sondern: Was braucht dieser Mensch jetzt – um ganz bei sich zu sein?
Das ist die einzige Wahrheit, die uns etwas angeht.

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