Psychologie

Sind wir uns alle ähnlich?

Stell dir vor, ein Politiker erklärt dir die Welt und die Wahrheit ist Lichtjahre davon entfernt. 

Gut, Dr. Lukas Wolf vom Fachbereich Psychologie der University of Bath formuliert es nicht so, wie ich es tue. Aber er meint das Gleiche und schreibt darüber in einer renommierten Zeitschrift („Social Psychological and Personality Science“) kurz, nachdem Donald Trump ein Attentat überlebt hatte. Ich schätze, er hatte die Nase voll. „Es besteht die allgemeine Auffassung, dass republikanische und demokratische Wähler tief gespalten sind, aber unsere neue Studie legt nahe, dass diese Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Gruppen stark übertrieben sind und dass die Gruppen sich in den Werten, die sie für wichtig halten, tatsächlich sehr ähnlich sind“, sagt er und fordert Journalisten und Sozialwissenschaftler damit auf, ihre Hausaufgaben zu machen. Auf der Suche nach immer reißerischen Schlagzeilen oder schärferen Formulierungen würden diese nämlich ein schwarz-weiß-Bild aufbauen, das einem Horror-Film ähnelt. 

Da werden Menschen zu erbitterten Gegnern

Und so hetzen sie uns gegeneinander auf und schüren erbitterte Feindschaft. „Diese wahrgenommene Polarisierung hat schädliche Folgen, weil die Menschen das Schlimmste von der anderen Gruppe erwarten und diese aktiv meiden. Es bedeutet auch, dass die Menschen pessimistisch in die Zukunft blicken, weil die Spaltung der Gesellschaft Kompromissen und Zusammenarbeit im Weg steht“, führt er aus. „Aber als wir den Studienteilnehmern echte Beweise dafür lieferten, dass sie tatsächlich viele Werte mit der anderen Gruppe teilten, stärkte das ihr Gefühl der Hoffnung für die Zukunft und weckte Vertrauen in Menschen, die sie als grundlegend anders als sie ansahen.“

Jeder will sich wichtig machen 

Auf der Suche nach einem Profil ist so mancher Politiker weit übers Ziel hinaus geschossen. Immer extremer wird die eigene Meinung vertreten, die Wortwahl ist immer beißender, die Sprache zynischer. Nur so schafft man es, wahrgenommen zu werden. Leute, wir verrohen. Versteht mich nicht falsch, es ist gut, eine Meinung zu haben. Aber es ist schlecht, die zu verteufeln, die anders denken, solange es vom Gesetz gedeckt ist. Das gilt in besonderem Maße für Politiker.  

„Wir fordern auf, neben Unterschieden auch Gemeinsamkeiten zu beschreiben, beispielsweise durch die Verwendung von Diagrammen wie überlappenden Verteilungen, die sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede genau darstellen und dabei helfen, Fehleinschätzungen einer tiefen Spaltung in der Gesellschaft zu korrigieren.“

In Wahrheit sind wir nämlich gut

Denn in Wahrheit, so zeigt es sich, wollen wir in vielen und grundlegenden Sachen das Gleiche und unterscheiden uns nur in Nuancen. Und weil wir uns so ähnlich sind, treibt uns eine Sache auch alle so richtig auf die Barrikaden: Wenn die Politik für eine Minderheit gemacht wird und am allgemein gültigen Konsens vorbei reagiert. Statt also stur den eigenen Kurs durchzuziehen, reicht euch die Hände, ihr von uns allen bezahlten Staatsdiener. Hört aufs Volk, kann doch nicht so schwer sein und findet einen Konsens. Ja, dazu gehört es auch, einen Kurs zu korrigieren, der nicht von der Allgemeinheit getragen wird. Sich zu irren, ist keine Schande. Das wusste schon Konrad Adenauer. Der sagte: „Aber meine Herren, es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden”, nachdem ihm vorgeworfen wurde, er habe seine Haltung radikal geändert. 

Wie uns die Erkenntnis weiterbringt:

In diesen Zeiten, in denen nur der Aufmerksamkeit bekommt, der am lautesten schreit, ist es wichtig, sich zu bewahren. „Sei dir selbst eine Insel“ ist der Titel eines meiner Lieblingsbücher, geschrieben von einer buddhistischen Nonne. Sie meint, es sei ganz leicht, sich in die Isolation zurückzuziehen, zu meditieren und dort ganz bei sich zu sein. Viel schwerer ist es, am Leben teilzunehmen, und ganz bei sich zu bleiben. Aber genau das ist es, was uns glücklich macht. Also geht raus, habt eure Meinung und steht dazu, aber bleibt ganz bei euch. Lasst euch euer Glück nicht nehmen, lasst euch nicht aufhetzen. Atmet, meditiert oder findet hier auf Minerva-Vision etwas, was euch weiterbringt. Und damit ich in diesem Artikel auch etwas dazu beitrage, biete ich ein bekanntes Kölner Mantra an: „Et is, wie et is; et kütt, wie et kütt; und et hett noch immer joot jejange!“

Quelle:  Correcting misperceptions of fundamental differences between US Republicans and Democrats: Some hope-inspiring effects, Social Psychological and Personality Science (2024). DOI: 10.1177/19485506241263887

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