Leben

„Einfach so, aus der Lamäng“

Oder: Warum Backen ein bisschen wie das Leben ist

„Ich mach das so aus der Lamäng“, sagte meine Oma immer. Und dann rührte sie irgendetwas zusammen, was später duftete wie Sonntag, schmeckte wie Kindheit und aussah wie aus einem Märchenbuch. Ich stand daneben, mit aufgerissenen Augen, dem Messbecher in der Hand und der dringenden Frage: „Aber Oma, wie viel Mehl denn jetzt GENAU?“ Meine Oma lächelte dann nur, griff mit der Hand in die Mehldose – zwei Finger, einmal schütteln – und sagte: „Das fühlt man doch!“ Ja, sie fühlte das. Ich fühlte: Überforderung. Damals dachte ich: Ich werde das nie können. Dieses Gefühl. Diese Sicherheit. Dieses aus-dem-Handgelenk-Gekoche, bei dem nichts schiefgeht und trotzdem nichts aufgeschrieben ist. Heute weiß ich: Es stimmt. Man fühlt das irgendwann. Aber bis dahin braucht man verdammt nochmal ein Rezept.

Rezepte retten Erinnerungen

Ich habe mit meiner Oma irgendwann angefangen, ihre „Lamäng-Küche“ in Zahlen zu übersetzen. Das war, als mir klar wurde: Wenn ich das nicht mache, dann ist ihr berühmter Zitronenkuchen irgendwann weg. Für immer. Und mit ihm ein Stück Zuhause. Also haben wir gemeinsam gebacken. Ich mit der Waage, sie mit dem Lächeln. Ich habe gestoppt, gewogen, notiert. Und irgendwann hatte ich nicht nur ein Rezept – ich hatte eine Geschichte. Unsere Geschichte. Und deshalb schreibe ich heute diesen Blog. Weil man nicht nur Kuchen backen, sondern auch Erinnerungen konservieren kann.


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Warum schlechte Rezepte richtig gemein sind

Neulich habe ich ein Rezept aus einem großen Internetforum ausprobiert. Zitronenkuchen, angeblich „nach Omas Art“. Leute, ich sag’s, wie’s ist: Es war eine Beleidigung für jede Oma. Der Teig war zäh, der Geschmack wie Spüli, die Laune am Boden. Ich hab’s weggeworfen. Nicht den Kuchen, das Rezept. Der Kuchen kam vorher in den Müll.

Ich glaube, es gibt Menschen, die posten solche Rezepte aus purer Boshaftigkeit. So eine Art kulinarischer Trolling. Sie wollen, dass Anfänger scheitern, dass Neugier in Frust umschlägt. Und das ist nicht nur ärgerlich – das ist schade. Weil Kochen und Backen so viel sein kann: ein Trost, ein Stolz, ein Spaß. Und ja – manchmal sogar ein Lebensretter.

Kochen ist wie das Leben: Man muss anfangen

Also bitte, fangt an. Mit einem guten Rezept. Mit einer Prise Neugier und einer ordentlichen Portion Geduld. Und dann macht Fehler. Verbrannt? Macht nichts. Zu trocken? Passiert. Der zweite Versuch wird besser. Und irgendwann – irgendwann macht ihr es auch „aus der Lamäng“.

Und das ist dann der Moment, wo ihr plötzlich wisst, wie viel Mehl man braucht – ohne zu messen. Weil ihr es fühlt.

Wie das Leben eben.

Hier schreibt Claudia vom Minerva-Vision-Team.
Als echtes Omakind hat sie früh gelernt: Gute Antworten brauchen kein Coaching, manchmal reicht ein Platz am Küchentisch. Heute schreibt sie über das, was uns wirklich guttut: gute Fragen, einfache Antworten, leckeres Essen – und das Glück, wenn jemand einfach da ist.

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