MS und das Umfeld: Wie Unterstützung das Leben verändert
Eine Diagnose wie Multiple Sklerose bringt nicht nur für Betroffene große Herausforderungen mit sich, sondern stellt auch Familie, Freunde und das gesamte Umfeld vor neue Fragen. Hier teilt Irene Teubner, selbst seit 2009 an MS erkrankt, ihre persönlichen Erfahrungen und zeigt, wie wichtig echte Unterstützung und Verständnis sind. Sie spricht über die richtigen Worte, hilfreiche Gesten und den großen Unterschied, den ein stabiles Netzwerk machen kann.
Heute reden wir darüber, welche Rolle die Menschen in unserer Umgebung spielen. Das ist nämlich recht wichtig. Gut gemeint ist nämlich nicht immer gut gemacht.
Irene Teubner: Ja, Menschen sind oft hilflos, wenn sie mit MSlern in Kontakt treten, weil sie selbst wenig über die Krankheit wissen und nicht wissen, wie sie helfen sollen. Oft möchten sie unterstützen, aber manchmal kommt es anders an.
Ich glaube, viele möchten auch die schwere Diagnose nicht akzeptieren.
Irene Teubner: Genau. Und das zeigt sich in verschiedenen Verhaltensweisen. Es gibt die Leugner, die sagen: “Stell dich nicht so an.” Oder jene, die meinen, sie wüssten besser, was einem guttut. Dazu kommen Vergleiche wie: “Es gibt doch schlimmere Krankheiten.” Aber dann gibt es auch die wahren Felsen in unserem Leben.
Fangen wir von vorne an. Diese Leugner – das stelle ich mir sehr schwer vor.
Irene Teubner: Absolut. Besonders am Anfang, wenn man selbst noch unsicher ist. Da wird gesagt: “Du sitzt doch noch gar nicht im Rollstuhl.” Oder: “Such dir einen anderen Arzt.” Das verunsichert total. Und dann gibt es die sogenannten Besserwisser, die dir ungefragt Tipps geben, wie: “Du musst nur Weihrauch nehmen.” Oder: “Versuch es mal mit einer speziellen Diät.” Diese Ratschläge mögen gut gemeint sein, aber sie verunsichern oft mehr, als dass sie helfen.
Das klingt frustrierend.
Irene Teubner: Ja, vor allem, weil man innerlich alles tausendmal durchdenkt und Möglichkeiten abwägt. Solche Kommentare ziehen einem den Boden unter den Füßen weg. Besonders schwierig wird es, wenn Menschen anfangen, Vergleiche zu ziehen, wie: “Es gibt schlimmere Krankheiten.” Das hilft in dem Moment überhaupt nicht.
Und was hilft in solchen Momenten?
Irene Teubner: Verständnis und echte Unterstützung. Menschen, die fragen: “Wie kann ich dir helfen?” Oder die einfach sagen: “Ich bin für dich da.” Ein Beispiel: Mein Physiotherapeut hat mir zugehört, ohne zu werten. Das war unglaublich wertvoll. Er hat mir Raum gegeben, meine Gefühle auszudrücken, und das hat mich gestärkt.
Es ist also wichtig, zu fragen, statt ungefragt zu handeln?
Irene Teubner: Genau. Wir wollen so selbstständig wie möglich bleiben. Wenn man uns alles abnimmt, nimmt man uns auch ein Stück Selbstbestimmung. Manchmal hilft es einfach, da zu sein und zuzuhören, ohne sofort Lösungen anzubieten.
Was können Freunde oder Angehörige konkret tun?
Irene Teubner: Präsenz zeigen, ohne sich selbst zu verlieren. Jemanden in den Arm nehmen, Zeit schenken, Verständnis zeigen. Und vor allem: Akzeptieren, wenn etwas nicht geht, ohne Druck auszuüben. Auch kleine Gesten, wie ein Anruf oder die Frage: “Möchtest du gemeinsam etwas unternehmen?” können viel bewirken.
Das klingt nach einer feinen Balance. Gibt es Menschen, die für dich echte Felsen waren?
Irene Teubner: Ja, mein Partner Jens. Er gibt mir Stabilität und unterstützt mich, ohne mich zu bevormunden. Seine Ruhe und Ausgeglichenheit helfen mir, selbst stark zu bleiben. Mit ihm fühle ich mich wirklich verstanden. Er ist immer für mich da, ohne aufdringlich zu sein, und das ist für mich unbezahlbar.
Das ist wunderschön. Solche Menschen sind unbezahlbar.
Irene Teubner: Absolut. Mit Jens habe ich jemanden gefunden, der mich so annimmt, wie ich bin. Seit wir zusammen sind, hatte ich keinen einzigen spürbaren Schub mehr. Stress hat so einen großen Einfluss auf MS, und seine Unterstützung gibt mir die nötige Ruhe.
Das zeigt, wie wichtig das Umfeld für den Verlauf der MS ist. Was möchtest du Betroffenen und deren Angehörigen noch mitgeben?
Irene Teubner: Nehmt euch Zeit füreinander. Fragt, was gebraucht wird, und hört zu. Und für Betroffene: Baut ein Netzwerk auf, in dem ihr euch verstanden fühlt. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft und Selbsthilfegruppen sind da großartige Anlaufstellen. Ich möchte allen sagen: Ihr seid nicht allein. Sucht nach den Menschen, die euch wirklich guttun.
Gibt es etwas, das du dir rückblickend für dich selbst gewünscht hättest?
Irene Teubner: Ja, ich hätte mir gewünscht, dass ich früher akzeptiere, Hilfe anzunehmen. Am Anfang wollte ich alles allein schaffen, aber Unterstützung zuzulassen, ist keine Schwäche. Es ist ein Zeichen von Stärke.
Gibt es noch etwas, das dir in deiner Erfahrung besonders geholfen hat?
Irene Teubner: Bewegung. Ich habe mit leichter Krankengymnastik angefangen, die mir geholfen hat, mich besser zu fühlen und mein Körpergefühl zu stärken. Auch ein strukturierter Tagesablauf war für mich wichtig, um nicht in ein Loch zu fallen. Außerdem haben Gespräche mit anderen Betroffenen enorm geholfen – der Austausch war oft heilsamer als jeder Ratschlag.
Das klingt, als hättest du deinen Weg gefunden, mit der MS zu leben. Was würdest du anderen empfehlen, die gerade erst die Diagnose bekommen haben?
Irene Teubner: Lasst euch Zeit, die Diagnose zu verarbeiten. Es ist völlig in Ordnung, traurig oder wütend zu sein. Sucht euch Unterstützung – ob in der Familie, bei Freunden oder in Selbsthilfegruppen. Und informiert euch, aber lasst euch nicht von der Informationsflut im Internet erschlagen. Jeder MS-Verlauf ist anders, und das Wichtigste ist, auf den eigenen Körper zu hören.