Psychologie

Mit dir kann man ja so gut reden…..

Wenn DEIN Gefühl nie willkommen war, hörst du anderen umso besser zu!

In narzisstisch oder emotional belasteten Familiensystemen gelten Kindergefühle oft als störend:
Zu viel. Zu laut. Zu unangenehm.Typische „Täter-Sätze“ sind: „Jetzt reiß dich mal zusammen.“
„Was hast du denn schon für Probleme?“ oder der Klassiker: „Du bist viel zu empfindlich.“

Die Botschaft bleibt dieselbe: Dein Gefühl ist nicht erwünscht. Also lernt das Kind, es zu unterdrücken. Und beginnt, sich stattdessen auf die anderen zu konzentrieren. Denn das funktioniert. Denn dafür wird man gebraucht. Gesehen – zumindest ein bisschen.


Du wirst zur Gefühlszentrale für andere

Spiegelkinder übernehmen oft eine emotionale Funktion in ihren Familien: Sie schlichten Streit, sie spüren, was Mama braucht, bevor sie es sagt. Manchmal trösten sie den Vater, sie hören zu, machen es allen recht, passen sich an. Und sie merken früh: Wenn ich mich selbst vergesse, bin ich jemand. Lena ist ein klassischer Fall. Ständig hörte sie das Kompliment „Mit dir kann man so gut reden!“ Schon in der Grundschule wandten sich ihre Mitschüler mit ihren Problemen an sie. Diese Kinder wachsen zu Erwachsenen heran, die für alle da sind – aber keine Ahnung haben, wer sie selbst sind. Denn was viele nicht sehen: Diese Fähigkeit war nie frei gewählt. Sie war Schutz. Überlebenskunst. Notwendigkeit. Und sie geht auf Kosten des Ichs.


Weitere Themen:

Und wer bin ich – ohne die anderen?

Wenn du jahrelang nur auf andere ausgerichtet warst, dann ist die Frage nach dem eigenen Gefühl fast erschreckend. Was fühle ich, was will ich, was brauche ich? Das sind keine einfachen Fragen für dich. Aber sie sind der Schlüssel zurück zu dir. Viele Menschen erzählen, dass sie anfangs nur eines spüren, wenn sie in sich hineinhorchen: Nichts. Keine Freude. Keine Wut. Keine Klarheit.
Nur eine große, diffuse Leere. Das macht Angst. Denn dieses innere Nichts fühlt sich an wie:

Ich bin nicht da. Ich bin hohl. Ich bin zu spät. Aber das stimmt nicht. Diese innere Stille ist nicht das Ende von dir – sondern der Ort, an dem du aufgehört hast, gehört zu werden. Sie ist wie ein tiefer, ruhiger See – in dem alle deine verborgenen Schätze ruhen. Dein innerer Raum ist nicht leer – sondern leise. Glaube mir einfach, dass alles in dir ist, was du brauchst. Es wartet darauf, entdeckt zu werden.


Ich fühlte die Stille – und entdeckte: Mich.

Viele Menschen, die in ihrer Kindheit emotional übersehen oder benutzt wurden, spüren in sich eine seltsame Leere. Sie beschreiben ein Gefühl von Nichts. Keine Richtung. Kein Gefühl für sich selbst. Dieses Nichts macht oft Angst – denn wir verwechseln es mit Bedeutungs- oder Wertlosigkeit.Was sie fühlen, ist nicht „Nichts“, sondern eine nicht benannte Tiefe. Diese Stille ist nicht Leere – sie ist der Anfang, ein Raum vor den Worten, ein Raum vor der Prägung.

Dieses Gefühl ist nicht dein Feind. Es ist dein Anfang. Der Moment, in dem du noch du warst – ungeprägt, unbenannt, unverbogen. Es ist deine Essenz, die, mit der jeder Mensch auf die Welt kommt.

Kinder glauben in diesem Urzustand nicht, was sie selbst spüren, sondern was ihnen gespiegelt wird und entwickeln die Eigenschaften am stärksten, die ihre Eltern in ihnen entdeckten. Nicht, weil es stimmt – sondern weil das Kind keine Möglichkeit hat, das in Frage zu stellen. Es ist auf Liebe und Bindung angewiesen. Und wenn es dafür sich selbst verraten muss, dann tut es das. Ohne zu zögern. Das Kind entwickelt ein falsches Selbst: Viele Menschen versuchen im Rahmen einer Therapie, sich von den Zuschreibungen zu befreien, die nicht zur eigenen Person gehören. Das ist der Zentrale Heilungsprozess: zu der Person zu werden, als die du gedacht bist und sich von dem Bild zu befreien, das die Eltern oft unbewusst brauchten. Das kann unglaublich befreiend sein.


In der Therapie (oder auf dem inneren Heilungsweg) geschieht dann etwas Entscheidendes:

– Man lernt zu unterscheiden: Was gehört wirklich zu mir – und was wurde mir nur übergestülpt?
– Man darf die alten Etiketten abnehmen.
– Und das Nichts, das man oft gefürchtet hat, entpuppt sich als unbeschriebenes Blatt.

Was du für eine Leere gehalten hast, war in Wahrheit ein Raum, der noch nie mit deiner eigenen Stimme gefüllt wurde. Es gibt sehr viele Wege, sich seinem Ich zu nähern. Je nachdem, welcher Typ Mensch du bist, wirst dich etwas anderes ansprechen.


Wege, in Kontakt mit deinem Inneren zu kommen

Meditatives Malen

  • Kein Ziel, keine Vorgabe – einfach Farben fließen lassen.
  • Mit geschlossenen Augen beginnen, Hände frei bewegen.
  • Vielleicht beginnst du mit einer Frage wie:
    „Wie sieht meine innere Landschaft heute aus?“
  • Ideal: Aquarellfarben, Pastellkreide oder Fingerfarben – alles, was weich ist.
  • Es geht nicht um Kunst – es geht um Ausdruck. Deine Seele spricht in Bildern.

Tipp: Danach das Bild anschauen: Was taucht auf? Welche Formen oder Farben sprechen dich an?


Sanftes Yoga (Yin Yoga, Restorative Yoga)

  • Besonders hilfreich bei tiefsitzenden Spannungen und Körpergedächtnis.
  • Die Positionen werden lange gehalten – ohne Anstrengung.
  • Der Körper darf „auftauen“. Alte Muster dürfen sich zeigen und gehen.
  • Unterstützt durch Musik, Düfte, Wärme – so wird der Körper wieder zum Zuhause.

Verbindungstipp: Während du in einer Haltung bist, frage dich leise:
„Wo bin ich gerade wirklich?“ – „Was fühle ich in diesem Moment?“


Intuitives Schreiben / freies Journaling

  • Stift aufs Papier – Gedanken fließen lassen, ohne Bewertung. Ruhig auch mal mit der nicht dominanten Hand schreiben – oder abwechselnd.
  • Frage dich:
    „Was will sich gerade ausdrücken?“ oder
    „Was liegt unter dem, was ich denke?“
  • Besonders heilsam morgens oder nach einer Meditation.

Beginne mit:„Wenn ich ganz ehrlich bin, dann spüre ich…“


Stille-Rituale / Inneres Lauschen

  • Setz dich täglich für 5 Minuten in Stille. Ohne Musik. Ohne Impuls.
  • Höre nach innen, als würdest du in eine Muschel lauschen.
  • Vielleicht zeigt sich gar nichts – oder ganz viel. Beides ist richtig.

Frage an dich selbst: „Was in mir will heute gehört werden?“


Arbeit mit dem inneren Kind (z. B. mit einem Bild oder Symbol)

  • Nimm ein Kuscheltier, ein Foto von dir als Kind oder male dein inneres Kind.
  • Sprich mit ihm. Frag es:
    „Wie fühlst du dich heute?“
    „Was brauchst du von mir?“
  • Du bist jetzt der sichere Erwachsene, den es damals gebraucht hätte.

Intuitionstipp: Was passiert, wenn du das Kind einfach nur in den Arm nimmst – ohne Worte?


Körperreisen mit Klang (Klangschalen, Musik, Trommel)

  • Vibrationen berühren tief – oft jenseits von Worten.
  • Klang kann Blockaden lösen, Emotionen in Bewegung bringen.
  • Besonders wirkungsvoll bei Menschen, die stark im Kopf sind.

Impuls: Lege dich hin, höre eine Klangschalenmeditation – in welchem Körperteil sammelt sich deine Aufmerksamkeit?


Geführte Visualisierungen / Traumreisen

  • Besonders für Menschen hilfreich, die mit inneren Bildern arbeiten.
  • Du kannst innere Räume besuchen (z. B. einen Garten, eine Höhle, ein Haus), in denen du dir selbst begegnest.

Tipp: Ich habe dir eine vorbereitet, sie ist am Ende des Kapitels.


Kreativer Ausdruck (Tanzen, Tönen, freies Bewegen)

  • Alles, was nicht in Worte passt, kann in Bewegung gehen.
  • Augen schließen, Musik auflegen, der Körper darf führen.
  • Vielleicht tanzt du deine Wut. Deine Stille. Dein Noch-nicht-Wissen.

Tipp: Das ist besonders gut, wenn du sehr ängstlich bist. Wenn du die Angst „durchtanzt“, entsteht danach oft Trauer, und danach kommt Wut. Du kannst so verschiedene Gefühlzustände durchtanzen, ohne in der Angst oder der Trauer zu verharren.

Zum Weiterlesen: “Aschenkind” von Livia Brand. Viele Kinder narzisstischer Mütter wachsen äußerlich „gut“ auf. Sie sind gepflegt. Werden pünktlich zur Schule gebracht. Haben eine Brotdose mit geschnittenem Obst. Was fehlt, ist nicht das Sichtbare – es fehlt das Gesehenwerden. Betroffene wissen im Inneren, dass etwas nicht stimmt, haben aber keine Worte dafür. Ein Selbsthilfe-Ratgeber für alle, die glauben, nicht richtig zu sein. Es kann sein, dass die Ursache gar nicht in dir liegt.

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