Woran ich merke, dass mein Hund ein Problem hat
„Leider erlebe ich täglich, dass den Leuten nicht bewusst ist, unter welchem Schmerz der Hund läuft“, sagt Tierphysiotherapeutin Corinna Quabeck und erklärt, woran man es erkennt.
Woran merke ich, dass mein Hund ein Problem hat?
Da gibt es tatsächlich viele Anzeichen. Meist sind das Kleinigkeiten: Der Hund will nicht mehr springen, spielt nicht mehr gerne, legt sich beim Spazierengehen hin oder ist schlecht gelaunt und beginnt beispielsweise, andere Hunde anzupöbeln. Ich finde es auch gerade dann bedenklich, wenn man mir sagt, dass der Hund ‚nie so der Spieler‘ war. Dann denke ich mir immer: Ja… Dann scheint da wohl schon länger was zu sein. Auffällig ist vor allem, wenn der Hund mit dem Popo wackelt. Viele finden das total niedlich. In Wirklichkeit ist das eine Schonhaltung, um Schmerzen zu vermeiden. Das Popo-Wackeln entsteht durch eine verspannte Muskulatur, die der Körper reflexartig annimmt, wenn der Hüftkopf zu viel Spiel in der Hüftgelenkspfanne hat. In diesen Fällen ist im Anfangsstadium per klassischem Röntgen die HD noch gar nicht zu erkennen. Aber es wird dazu führen, dass sich der Knochen ungleichmäßig abnutzt und Arthrosen bildet. Dieses Phänomen ist auch als ‚lockere Hüfte‘ bekannt und besonders häufig bei Retrievern und anderen großen Hunderassen anzutreffen. Es gibt sogar eine Röntgenmethode, die schon ab der 16. Woche angewandt werden kann, um die „lockere Hüfte“ zu diagnostizieren, und aussagt, ob der Hund im späteren Leben an einer HD erkranken wird. Genannt wird es das PennHIP-Verfahren zur HD- Frühdiagnostik. Leider ist dieses Verfahren zum einen nicht sehr bekannt, und leider auch nicht relevant in der Hundezucht. Optische Anzeichen für dieses Krankheitsbild sind zum Beispiel, dass der Hund sich nicht gerade setzt, sondern auf einer Pobacke sitzt. Meist auch wirklich gezielt auf einer bevorzugten Seite. Es kann jedoch auch sein, dass er sich ganz nach hinten auf den Rutenansatz setzt, sodass er die Hinterbeine nach vorne ausstreckt. Auch das ist eine massive Schonhaltung.
Als Laie – gibt es da Möglichkeiten, zu erkennen, ob der Hund unrund geht? Wenn man z.B. den Hund durch Sand gehen lässt und die Pfotentiefe misst?
Als Laie ist es schwer zu erkennen, ob der Hund ein Problem hat, sofern er nicht schon humpelt. Viele Laien finden zum Beispiel nicht einmal den Ellenbogen vom Hund. Letztens habe ich einer Kundin per WhatsApp versucht zu erklären, wo der Bauchnabel beim Hund liegt. Sie hatte beim Brustkorb gesucht. Deshalb ist es manchmal schwer, als Unerfahrener ein Problem auch als dieses zu erkennen. Eine gute Methode, um als Laie herauszufinden, ob der Hund Schwierigkeiten beim Gang hat: Man kann die Pfötchen nass machen und ihn über einen trockenen Untergrund laufen lassen. Dann kann man nachgucken, ob der Hund alle Beine gleich belastet hat, oder eine Pfote ausgestellt oder sogar weniger belastet wird. Wenn man ein geschulteres Auge hat, kann man auch erkennen, ob die Schrittlänge einer Pfote verkürzt ist. Von dem Pfotentiefe-Messen im Sand halte ich nicht so viel, da man das wirklich kaum erkennen kann.
Der Physiotherapeut untersucht einen Hund anders als der Tierarzt. Wenn der Hund beispielsweise vorne humpelt, wird beim Tierarzt oft auch nur vorne am Bein untersucht und gegebenenfalls geröntgt. Aber sehr häufig liegt das Problem weiter hinten und eben gar nicht vorne. Häufig ist vorne lediglich ein Symptom, und hinten die Ursache dafür. Ich erkläre meinen Kunden das immer so: Die Hinterhand ist der Motor des Hundes. Wenn da etwas nicht passt und dieser nur zu 60%-70% läuft , müssen die fehlenden 30-40% über den Rücken und die Vorderbeine ausgeglichen werden. Dieses führt zwangsläufig zu einer Überlastung verschiedenster Muskelgruppen und Gelenke und führt dann wiederum zu Problemen im gesamten Bewegungsapparat. Die Tierphysiotherapeuten schauen sich immer den ganzen Hund an und checken ihn einmal ganz durch. Laien sehen Probleme meist erst, wenn es zu spät ist und der Hund bereits deutliche Anzeichen, wie zum Beispiel Humpeln, zeigt. Letztens habe ich ein Video bei Facebook gesehen, wo ein Mann mit zwei Hunden Fahrrad fuhr. Der eine Hund war ein Vizsla und hat beim Traben extrem mit dem Popo gewackelt. Normalerweise sieht man das im Traben nicht einmal so stark, sondern mehr im Schritt bei Hunden mit lockerer Hüfte. Das tat mir schon vom Zugucken weh. Im Video jedoch wurde das Gangbild vom Besitzer so dargestellt als wäre es so gewollt, dass er so mit dem Po wackeln würde, denn damit könnte er mehr Schwung holen, um mit dem anderen Hund mithalten zu können.
Im Internet gibt es viele Menschen, die es gut meinen, aber selbst schlecht informiert sind. Das dürfte ein gutes Beispiel dafür sein. Viele Hunde leiden stumm. Bei welchen Anzeichen sollte ich hellhörig werden? Kann man gegen diese Probleme gegensteuern?
Man kann gegen Anzeichen von Schmerzen natürlich gegensteuern. Man kann durch Muskelaufbautraining und Physiotherapie das Voranschreiten des Krankheitsbildes deutlich verlangsamen und manchmal sogar ganz aufhalten. Aber vor allem kann ich als Therapeut Kollateralschäden vermeiden. Wenn der Hund Schmerzen hat, versucht er diese natürlich durch Schonhaltungen auszugleichen. Das heißt, er belastet andere Gelenke fehl und zu stark. Folglich fängt es an in den Knien weh zu tun, im Ellbogen, im Rücken oder in den Zehen. Durch Nahrungsergänzungsmittel und Physiotherapie kann man die möglichen Folgen wie zum Beispiel Arthrose einschränken und ihnen entgegenwirken. Also immer die Augen aufhalten als Besitzer und sofort reagieren, wenn man etwas bemerkt. Am besten ist es natürlich, wenn man den Hund halbjährlich vorstellt und er einmal komplett durchgecheckt wird. Denn wie gesagt, als Laie kriegt man nicht immer mit, ob der Hund Schmerzen hat. Hunde zeigen von Natur aus nicht, dass sie Schmerzen haben. Die meisten Krankheiten am Bewegungsapparat sind zwar genetisch bedingt, man kann sie aber mit Physiotherapie wirklich gut in den Griff bekommen. Eine Möglichkeit der Schmerztherapie ist es, die Muskulatur durch Massagen zu lockern. Eine weitere Möglichkeit ist die Akupunktur oder Lasertherapie, welche ich täglich in meinen Therapien anwende. Ich bin auch im Hundesport aktiv. Dort begleite ich Sporthunde und die Herrchen und Frauchen wünschen sich oft, dass ihre Hunde einmal die Woche durchmassiert werden. Da merke ich auch, dass der Trend, für den Hund gut zu sorgen, zunimmt. Viele wollen, dass es ihrem Vierbeiner gut geht und machen auch viel dafür.
Wie läuft so eine Untersuchung ab?
Ich fahre immer zum Kunden hin. Dann starte ich mit den Grundfragen, also der Anamnese und erfrage, welche Probleme es gibt. Dann lasse ich den Hund in den drei Gangarten vorlaufen und lasse ihn auch Achten laufen, um die Wendungen zu beobachten. Ich lasse ihn absitzen,um zu erkennen, ob er eine Schonhaltung einnimmt und möglicherweise hinten oder vorne Schmerzen hat. Dann lasse ich ihn auch Platz machen und wieder aufstehen, um zu schauen, ob er sich normal von hinten hochdrückt oder ob er sich durch seine Vorderbeine hochhievt. Anschließend taste ich den Hund durch, um mögliche Ursachen und Schmerzpunkte zu finden. Am Ende trage ich alles zusammen und erstelle einen Plan für den Hund, auch mit Übungen für zuhause. Der Hund sollte nur nicht vollgefressen sein und sich bereits gelöst haben, damit er sich entspannen kann. Es ist besser, wenn man dabei einfach frei über seinen Hund erzählt, denn man kann immer Sachen erwähnen, die für einen selbst unwichtig erscheinen, für mich aber sehr wichtig sein könnten. Oh, er ist früher auf die Couch gesprungen und jetzt nicht mehr? Oder bei Rüden frage ich auch gerne, was sein bevorzugtes Bein beim Pinkeln ist. Dreht er sich vielleicht immer auf eine Seite? Dann ist das möglicherweise eine Schonhaltung. Oder pinkelt er wie eine Hündin und hebt gar kein Bein? Auch eine Schonhaltung. Ich sehe kaum Hunde, die normal laufen. Und das ist zu 85% sichtbar, ob der Hund Probleme im Gang hat. Der Hund kann das nicht beeinflussen und wir können oft auch nur Schadensbegrenzung betreiben, also gegen den Schmerz therapieren und Folgeschäden vermeiden. Ein Kreuzbandriss kommt beispielsweise auch meist durch eine ständige Fehlbelastung, und selten durch ein klassisches Trauma.
Wo zeigen sich am häufigsten Probleme?
Platz eins ist da definitiv die Hüfte. Da gibt es die meisten Probleme. Platz zwei wäre der Rücken. Dort findet man oft Spondylosen oder Probleme mit den Bandscheiben. Die Probleme findet man auch oft bei Schutzhunden. Der dritte Platz ist der Ellbogen. Da findet man oft eine genetische Dysplasie oder sehr häufig auch Bizepssehnenentzündungen. Platz vier wäre dann der Kreuzbandriss.
Gibt es rassespezifische Probleme?
Ich finde die lockere Hüfte häufig bei Golden Retrievern, Labrador, Neufundländern oder Bernhardinern. Also vermehrt bei den großen Hunderassen. Bei der französischen Bulldogge ist das im Gesamten echt schlimm. Sie haben oft was an der Hüfte, am Knie oder Probleme im Rücken bzw. mit den Bandscheiben. Da passiert es schon mal, dass sie mit zwei Jahren den dritten Bandscheibenvorfall haben. Bei kleinen Hunderassen wie beim Chihuahua oder Jack Russell Terrier springt die Kniescheibe oft raus oder ist zumindest locker. Das sieht man häufig bei den Jack Russell Terriern auf der Straße. Das wohl häufigste Symptom ist das klassische Schütteln oder Hochhalten des Hinterbeines beim Laufen, was auch gern als „Tick“ fehlinterpretiert wird, weil er es meist vom Junghundalter an zeigt. Bei der Patellaluxation unterscheidet man in 4 Schweregrade. Schlimmstenfalls ist die Kniescheibe dauerhaft luxiert. Schäferhunde haben auch oft eine kaputte Hüfte, aber nicht zu verwechseln mit der lockeren Hüfte. Das Gangbild der klassischen HD erkennt man meist durch ein starkes Wippen im Becken. In diesen Fällen würde man die Veränderungen in der Hüfte auch per klassischem Röntgenbild erkennen. Dackel haben oft etwas an der Bandscheibe, da der Rücken viel zu lang für die kurzen Beine ist. Einen Bandscheibenvorfall nennt man nicht umsonst Dackellähme.
Muss man immer zum Tierarzt oder kann man Probleme auch nur mit einem Physiotherapeuten therapieren?
Das ist natürlich abhängig vom Schweregrad. Bei Problemen mit der Bandscheibe sollte man immer zum Tierarzt, da es sonst sogar zu Lähmungen kommen kann. Auch bei starken Schmerzen, also wenn der Hund zum Beispiel stark hechelt, sollte man immer den Tierarzt konsultieren. Als Tierphysiotherapeut kann man zwar herausfinden, wo der Schmerz sitzt, aber man kann nicht unter die Haut gucken. Das kann nur der Tierarzt. Sollte der Tierarzt aber die Ursache der Schmerzen nicht finden können, kann man zum Tierphysiotherapeuten gehen und den Schmerzpunkt finden. Dann kann man den Tierarzt nochmal genau an dieser Stelle gucken lassen. Ich hatte so einen Fall mit einer Malteser-Dame. Sie hatte wirklich starke Schmerzen. So stark, dass es zu Muskelzittern kam. Seit fünf Wochen fuhren ihre Besitzer mit ihr von Klinik zu Klinik, doch es wurde nichts Wirkliches gefunden. Erst nach einer Behandlung bei mir geht es ihr besser. Die Ursache ihrer Schmerzen lag in der Halswirbelsäule.
Was ist gut ohne Medikamente therapierbar?
Eigentlich fast alles. Medikamente sollten auch meiner Meinung nur dann gegeben werden, wenn wir von starken Schmerzen sprechen, und dann aber auch nicht als Therapie, sondern nur für einen Übergang. Schmerzmedikamente behandeln zwar die Symptome, also den Schmerz an sich, aber natürlich nicht die Ursache des Schmerzes. Klar, bei einem alten Hund, der unter massiven Schmerzen im gesamten Körper leidet, würde ich es begleitend unterstützen, oder halt bei einem Hund nach einer OP, da gibt man natürlich Schmerzmedikamente. Aber sonst nur, wenn nichts mehr geht. Ich nehme da lieber Alternativen wie die Lasertherapie oder Blutegel. Blutegel helfen übrigens sehr gut bei Arthrose und die Behandlung hält wirklich lange vor.
Wie sind die Erfolge einer Behandlung?
Da gibt es wirklich viele schöne Geschichten. Am schönsten finde ich es, wenn Hunde, die gelähmt waren, nach meiner Therapie wieder laufen können. Ich hatte eine Patientin namens Lilly. Lilly war eine anderthalbjährige französische Bulldogge. Sie hatte so große Probleme nach einem Bandscheibenvorfall, dass sie anfangs komplett gelähmt war. Sie konnte weder laufen, noch sich selbstständig lösen. Das musste man alles manuell selbst rausdrücken. Mit der Therapie konnte ich ihr helfen und ihr auch wieder das Laufen beibringen. Ebenso ist es toll bei Hunden, die keine Lebensfreunde mehr haben und nur im Körbchen liegen. Wenn sie dann nach der Therapie wieder spielen und herumtollen, ist das ein super schönes Gefühl für mich. Ich hatte mal einen Dackel als Patient. Er hat sich bewegt, als wäre er elf Jahre alt. Er war aber erst drei! Einen Tag später habe ich ein Video von der Besitzerin bekommen. Darin weinte sie vor Glück und filmte ihren Dackel, wie er herumtollte. „Er ist wieder ganz der Alte!“, hat sie im Video gesagt. Das ist so schön für mich zu sehen.
Beißen die Hunde bei der Untersuchung auch mal zu? Brauchen sie einen Maulkorb zur Behandlung?
Ich wurde einmal gebissen. Aber nicht in der Therapie. Ich war bei einer Kundin und sollte einen Hund behandeln. Sie hatte zwei Hunde und ich kannte beide bereits sehr gut. Als ich dann meine Sachen ausräumte, biss mich der andere Hund in die Wade. Ich weiß bis heute nicht wieso. Aber in der Therapie selbst wurde ich noch nie gebissen. Natürlich finden die Hunde einen oft erst mal doof, da man ja alle Schmerzpunkte abtastet. Manche müssen dann auch einen Maulkorb tragen, aber wirklich wenige. Spätestens nach der dritten Behandlung lieben sie mich aber dann doch. Da fällt mir noch eine schöne Geschichte ein: Ich hatte mal einen Patienten, eine französische Bulldogge, die gerade erst einen Bandscheibenvorfall hatte und frisch aus der OP kam. Er hat mich vier Behandlungen lang versucht zu beißen. Das war gar nicht schön! Er hat wild um sich gebissen und hat mich wirklich an meine Grenzen gebracht. Ich verstehe es natürlich. Ich taste seine Schmerzpunkte direkt nach der OP ab, ich bedränge ihn in seinen Augen, da ich sehr nah komme. Natürlich fand er das nicht schön. Nach der fünften Behandlung hat sich das alles aber schlagartig geändert und er warf sich vor meine Füße. Seitdem liebt er mich, und ich darf alles mit ihm machen.
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