Kreativitätstraining für Kinder
Ulla ist traurig. Sie hatte Streit mit ihren Freundinnen. Und Malte hat Bauchweh, weil die Mathearbeit morgen ihm Angst macht. Was können ihre Eltern tun? Wie können die beiden lernen, mit solchen Herausforderungen umzugehen? Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Kreativitätstraining Kindern hilft, ihre Problemlösungsfähigkeiten und ihr Selbstbewusstsein zu verbessern.
Inhalt:
- Kreativität als Lösung für alltägliche Probleme
- Keine Sorge, es gibt eine Lösung
- Perspektivwechsel: Ein imaginärer Freund als Helfer
- Kreativitätstraining in der Praxis
- Fallstudien und Beispiele: Kreativität in Schulen
- Elternratgeber: Kreativität zu Hause fördern
- Langfristige Vorteile von Kreativitätstraining
- Kreativität als Werkzeug für die Zukunft
Kreativität als Lösung für alltägliche Probleme
Viele unserer Kinder leiden unter emotionalen Problemen. Seien es die Folgen von COVID, aber auch die Schnelligkeit, in der sich unsere Gesellschaft gerade entwickelt – es sind die Kleinsten, die damit die größten Schwierigkeiten haben. Eltern wissen davon ein Lied zu singen. Den meisten ist es bewusst, dass es schwer ist, in der heutigen Zeit gesund aufzuwachsen und sich an die ständig ändernden Herausforderungen anzupassen. Früher war eben alles langsamer, und dadurch hatten die Kinder Zeit, zu reifen. Heute prügelt der Lernplan eine Menge Stoff in einer kurzen Zeit in die Köpfe unseres Nachwuchses. Doch es gibt eine Lösung.
Keine Sorge, es gibt eine Lösung
„Es gibt Bedenken hinsichtlich der Resilienz amerikanischer Kinder im Zuge von COVID-19 und dem Gefühl, dass viele Kinder in der Schule und im Leben Schwierigkeiten haben“, sagte Angus Fletcher, Professor für Englisch an der Ohio State University. „Kreativitätstraining kann Kindern helfen, einen Plan B zu entwickeln, wenn Dinge nicht wie geplant verlaufen.“ Er trainierte Dritt-, Viert- und Fünftklässler in Techniken wie Perspektivwechsel, kontrafaktischem Denken („Was wäre, wenn?“) und kausalem Denken („Warum?“) und konnte beweisen, dass diese Methoden den Kindern halfen, neue und praktische Wege zur Problemlösung zu finden. Das Training dauerte nur 5 Tage je 10 Unterrichtsstunden und die Ergebnisse waren nachhaltig. Jeder Schüler, der das Programm absolvierte, konnte alternative Lösungen finden, als er vor unerwartete Herausforderungen gestellt wurden.
„Mit diesem Training waren die Kinder unbeeindruckt, als ihnen gesagt wurde, dass ihre erste Lösung nicht funktionierte. Sie entwickelten einen zweiten Plan, was ein guter Test für Resilienz ist“, sagte Fletcher. „Wenn Kinder ein Problem nicht lösen können, trainieren wir sie, einen Schritt zurückzutreten und darüber nachzudenken, was sie erreichen wollen – das ‘Warum’-Problem“, sagte Fletcher. „Tritt zurück und frage dich, warum das wichtig ist. Oft stellen wir fest, dass, wenn man breiter darüber nachdenkt, was man zu erreichen versucht und warum es so wichtig ist, man erkennen kann, dass es andere Wege gibt, um das zu bekommen, was man will.“
Schauen wir uns einmal an, was am besten wirkte.
Perspektivwechsel: Ein imaginärer Freund als Helfer
In einem der Experimente wurden 32 Schüler in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Kontrollgruppe sollte eine besondere Eigenschaft an sich selbst identifizieren, die ihnen bei der Problemlösung helfen könnte. Zum Beispiel: Ich kann mich gut konzentrieren, das hilft mir beim Mathelernen. Die Kreativgruppe hingegen sollte sich einen Freund vorstellen, der etwas Besonderes tut, und diesen als ihren „kreativen Freund“ betrachten, der ihnen bei der Problemlösung hilft. Und das hatte unglaublichen Erfolg. Diese Technik des Perspektivwechsels führte dazu, dass die Kinder kreativere und effektivere Lösungen fanden. Sachen, an die man niemals zuvor gedacht hätte.
„Wenn man die Menschen bittet, ihre Perspektive zu wechseln und sich vorzustellen, Ratschläge von einem Freund zu erhalten, erhält man viel kreativere und effektivere Lösungen für Probleme, als wenn man versucht, das Problem selbst zu lösen“, erklärte Fletcher. Dieser Perspektivwechsel war ein echter Game-Changer.
Kreativitätstraining in der Praxis
Ohne das Perspektivwechsel-Training konnten weniger als die Hälfte der Kinder Lösungen für altersgerechte Probleme finden und fast niemand fand eine Lösung für eigene Probleme. Doch 94 % derjenigen, die im Perspektivwechsel geschult wurden, konnten Lösungen für beide Problemarten anbieten. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie Kreativitätstraining das Selbstwirksamkeitsgefühl der Kinder – das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Probleme zu lösen – stärken kann.
Fallstudien und Beispiele: Kreativität in Schulen
Teure Privatschulen haben bereits reagiert. Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung von Kreativitätstraining findet sich an der Brightworks School in San Francisco. Hier wird ein projektbasierter Lehrplan verfolgt, bei dem Schüler an realen Projekten arbeiten und dort eigene kreative Lösungen entwickeln. Diese Methode hat gezeigt, dass Schüler damit nicht nur ihre kreativen Fähigkeiten, sondern auch ihre Problemlösungsfähigkeiten und ihr Selbstbewusstsein deutlich verbessern.
Ein weiteres Beispiel ist die Thomas Tallis School in London, die das „Tallis Habits“-Programm eingeführt hat. „Wir glauben, dass junge Menschen davon profitieren, über ihr eigenes Lernen zu lernen. Dies wird manchmal Metakognition genannt“, sagen die Verantwortlichen. Dieses Programm fördert durch gezielte Übungen und Projekte die kreativen Denk- und Handlungsweisen der Schüler. Die Schule berichtet von positiven Veränderungen im Verhalten und der Resilienz der Schüler, die durch das Programm erreicht wurden.
Elternratgeber: Kreativität zu Hause fördern
Es wäre schön, wenn es an den Schulen hierzulande auch gezieltes Kreativitätstraining geben würde. Aber wenn das nicht der Fall ist, könnt ihr es als Eltern einfach selbst machen. Hier einige Tipps, wie du dies im Alltag umsetzen kannst:
- Projekte fördern: Lass deinem Kind die Verantwortung für ein Projekt. Das kann etwas ganz Einfaches sein. Zum Beispiel, ganz alleine einen Kuchen zu backen. Begleite es dabei, stelle „Warum“-Fragen, um konstruktive Denkprozesse in Gang zu bringen.
- Geschichten erfinden: Ermutige dein Kind, eigene Geschichten zu erfinden und nachzuspielen. Das fördert nicht nur Kreativität, sondern auch sprachliche Fähigkeiten. Frage gezielt nach: Warum handelt der Mensch wohl so und der andere so? Oder bringe Veränderungen hinein: „Was wäre, wenn das Krokodil plötzlich fliegen könnte?“
- Problemlösung im Alltag üben: Lass dein Kind bei alltäglichen Problemen mitdenken und eigene Lösungen finden. Zum Beispiel: „Ich würde gerne Pfannkuchen backen. Aber ich habe keine Eier mehr da. Was könnte denn jetzt helfen?“ Das stärkt das Selbstbewusstsein und die Problemlösungsfähigkeiten.
- Dein Kind hat ein Problem? Dann halte dich mit einer Lösung zurück. Und frage besser: „Stelle dir vor, du hättest einen Freund, der eine Lösung weiß. Was würde der jetzt sagen?“
- Kreativität kann auch durch Literatur gefördert werden, wenn sie richtig eingesetzt wird. Anstatt Schüler nur dazu zu bringen, alles zu analysieren, können Lehrer sie dazu anregen, neue Perspektiven einzunehmen und „Warum“ und „Was wäre, wenn“ Fragen zu stellen.
- Ein Theaterkurs bringt einen Perspektivwechsel naturgemäß mit sich.
Langfristige Vorteile von Kreativitätstraining
Wenn du das machst, ist das die beste Art, dein Kind auf die Zukunft vorzubereiten. Denn Kreativitätstraining bietet nicht nur kurzfristige Vorteile, sondern hat auch langfristig positive Auswirkungen auf das ganze Leben. Kinder, die kreative Problemlösungsfähigkeiten entwickeln, sind besser darauf vorbereitet, mit den Herausforderungen des Erwachsenenlebens umzugehen. Sie sind flexibler, anpassungsfähiger und selbstbewusster. Und werden als Erwachsene häufig innovativere und erfolgreichere Karrieren verfolgen, weil sie oft in der Lage sind, ungewöhnliche und effektive Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Wer also das Beste für sein Kind will, verzichtet auf Englisch-Kurse für Kindergartenkinder oder Programmiertechniken für Grundschüler. Kreativität hingegen ist der Schlüssel für eine glückliche Zukunft.
Kreativität als Werkzeug für die Zukunft
Ja, die Welt wird komplexer, schwieriger und unübersichtlicher. Aber es gibt Wege, Kindern zu helfen, mit ihren Problemen umzugehen. Kreativitätstraining lehrt Kinder, dass es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen gibt, aber dass es viele Wege gibt, reale Probleme anzugehen.
Ulla zum Beispiel hat als „Ratgeber-Freundin“ eine Katze. Und die hat ihr geraten, die Krallen auszufahren und für sich einzustehen. Und sich notfalls neue Freunde zu suchen. Oder ein neues Hobby: sie wollte schon immer reiten. Ullas Katze hatte viele Ideen. Malte hingegen hat sich nach einigen Warum-Fragen entschlossen, Mathe zu lernen, obwohl es unbequem ist. Denn: „Mathe ist schon wichtig für mich. Sonst kann ich später kein Geld zählen“, sagte er. „Aber ich muss ja nicht der beste sein.“ Nach einigem Nachdenken entschloss er sich, seinen Opa besuchen zu gehen und nahm die Mathe-Aufgaben mit. „Dort ist es so schön ruhig, mit Opa schaffe ich das viel besser“, sagte er seiner Mutter. Und die Bauchschmerzen waren weg.