Die Kunst, 109 Jahre alt zu werden
Weiche Matten umschmeicheln die nackten Füße, leise Musik liegt in der Luft und die Menschen bewegen sich sanft im Einklang mit ihrem Atem. Sieht so das Training der Zukunft aus?
Ja, sagen die Verfechter der Holistic Movement Practices. Dass sie funktionieren, zeigt das Beispiel von Eileen Kramer. Die australische Tänzerin stand mit 100 Jahren im Musical „Der Zauberer von Oz“ im Belvoir Theatre in Sydney auf der Bühne. Auch ihren 109. Geburtstag feierte sie mit einem öffentlichen Auftritt, einem Tanz. Ihre Lehrerin war die Choreografin Gertrud Bodenwieser, die sie bis heute verehrt: „Ich bin ein Bodenwieser-Mädchen. Keine akrobatische Tänzerin. Ich bewege mich langsam und gefühlvoll.“
Dabei geht es nicht nur darum, Muskeln zu trainieren oder Kalorien zu verbrennen, sondern um ein ganzheitliches Erlebnis, das Körper, Geist und Seele gleichermaßen anspricht. In unserer schnelllebigen Zeit suchen immer mehr Menschen nach solchen ganzheitlichen Bewegungserfahrungen, um ihr Wohlbefinden auf eine tiefere Ebene zu heben. Doch was genau verbirgt sich hinter diesen Praktiken, die körperliche und geistige Aspekte miteinander verbinden?
Was sind ganzheitliche Bewegungspraktiken?
Holistic Movement Practices (HMPs) basieren auf einer ganzheitlichen Philosophie des Wohlbefindens, die den Menschen als Ganzes betrachtet. Das bedeutet, dass nicht nur die körperliche Fitness im Vordergrund steht, sondern auch mentale, emotionale, soziale und spirituelle Aspekte des Wohlbefindens berücksichtigt werden. Bekannte Beispiele für HMP sind Yoga und Tai Chi, aber auch weniger verbreitete Praktiken wie 5Rhythms und Biodanza fallen in diese Kategorie. Was diese Praktiken vereint, ist das Bestreben, den Menschen als Ganzes anzusprechen und zu fördern.
Tanz dich glücklich
Sport ist nicht mehr nur schweißtreibende Arbeit im Fitnessstudio. Es geht auch sanfter und nicht weniger effektiv. Die Fitnessstudios reagieren. Traditionelle Übungen wie Yoga und Tai Chi haben längst ihren Platz im Kursprogramm gefunden. Dort werden sie aber oft nur körperlich vermittelt. Ihre wahre Wirkung entfalten diese Techniken aber erst, wenn man die psychische Dimension bewusst einbezieht und sich bewusst etwas Gutes tut. Der Moment, in dem der Kopf leer wird und man sich selbst spürt, kann eine Quelle unendlichen Glücks und tiefer Kraft sein. Eileen Kramer lebt es uns vor. Für sie ist ein Leben ohne Bewegung unvorstellbar. „Tanzen stärkt mich, körperlich und seelisch“.
P.S. Seit ich das meiner 80-jährigen Mutter erzählt habe, ertappe ich sie dabei, wie sie vor dem Fernseher „Ballett für Erwachsene“ übt. Auf YouTube. Ich glaube, ich fange auch an.