
Der Nebel des Grauens senkt sich auf den Vorstadtwald
Die mit dem Hund geht… Wie das Leben mit Hund wirklich abläuft.

Hier schreibt: Birgit Jaklitsch. Als die Juristin mit ihrem Golden Retriever Rüden Finley einen “vollkommen unerziehbaren Hund” hatte, entschloss sie sich, selbst eine Ausbildung zur Hundetrainerin zu machen. Ihren kritischen Blick als Gerichtsreporterin hat sie sich erhalten und gewinnt dadurch immer wieder humorvolle Erkenntnisse auf das Leben mit dem Hund. Birgit Jaklitsch hat eine Kolumne im Magazin Hundewelt und ist Buch-Autorin.
Es hilft ja nix, wenn man einen Hund hat, muss man bei jedem Wetter raus.
Zurzeit ist es bei uns im Vorstadtwald allerdings nicht gassisicher. Dicke Nebelschwaden wabern über die Waldwege, Weitsicht gleich Null, Durchblick gleich Nullkommanull, echtes Gruselwetter. Wir hatten uns trotzdem rausgewagt, Finley wahrscheinlich gerade deswegen.
Wir standen an der knorrigen Eiche, da wo die Kindergärtnerin mit ihrer Gruppe immer Picknick macht und warteten auf Marianne und ihre Hündin Colette. „Finley, das ist doch die knorrige Eiche, oder“, fragte ich den Spürhund an meiner Seite. Und dachte, wo zum Teufel sind die Gören, wenn man sie einmal braucht?
Finley blieb bei diesem Wetter an der Fünfmeterleine, denn war er weiter entfernt als zwei Meter, konnte ich seine Umrisse nicht mehr erkennen. Nur das Zucken der Leine zeigte mir, dass er noch da war. Plötzlich hörte ich Mariannes Stimme: „Huhuuu Birgiiiit, seid Ihr schon da…?“ Ich antwortete erleichtert: „Jahaaaa, wo seid Ihr denn?“ Woraufhin Marianne antwortete: „An der knorrigen Eiche.“ Ich stellte natürlich umgehend klar: „Ne, ne, wir sind an der knorrigen Eiche …“ Daraufhin Marianne: „Scheiße!“ Marianne kommt aus Berlin und bringt die Dinge gerne kurz und knapp auf den Punkt.
Ohne zu zögern nahm Marianne das Krisemanagement in die Hand und schrie in Nebelhornstärke: „Kein Prooobleeem, lauf auf meine Stimme zuhuu … Fiiiinleyyyyyyy!“ Finley fand ohnehin, dass es Zeit war, etwas Bewegung in die Sache zu bringen und rannte los. Aus dem Leinenzucken wurde ein kapitaler Ruck. Ich versuchte vergeblich, ihn auszubremsen und dann krachte es. Wrummms … AUA, verdammt!!!
Ich landete bäuchlings auf zwei frisch gefällten Baumstämmen. Teufel, die waren doch gestern noch nicht da.
Während ich meine Knochen sortierte, spürte ich, wie mir ein warmes, feuchtes Etwas übers Gesicht fuhr. Sehen konnte ich immer noch nichts. „Du Marianne, ist ja lieb gemeint, aber ruf Letty mal, die schlabbert mir ins Gesicht“, bat ich. Marianne antwortete prompt: „Ähm die sind aber beide hier bei mir, ganz brav, also Letty und Finley.“ Dem Klang nach zu urteilen, stand sie links hinter mir.
Während ich versuchte, den Schmerz weg zu atmen und alle auf mich einstürzenden Informationen irgendwie auf einen Nenner zu bringen, tauchte direkt vor mir ein großer, blonder Labradorschädel auf. Aus seinem Maul hing eine lange, rosa Zunge, an seinen Lefzen seilten sich gerade ein paar Sabberfäden ab. Das war Kalle, der Labbi meiner Freundin Anabell, die Zunge im Anschlag. Anabell kämpfte sich derweil durch den Nebel zu uns durch. „Ich habe euch rufen hören“, sagte sie, „wollte mal gucken, ob wir mit euch weitergehen können.“ Und mit Blick auf mich: „Alles klar bei Dir?“ Ich nickte schwach und rappelte mich hoch.
Wir beschlossen, auf dem weiteren Spaziergang dichter zusammenzubleiben, damit niemand verloren gehen konnte.
Also dümpelte diese Traumbesetzung der „Nebel von Avalon“ wie ein locker zusammengebundenes Floß durch die trüben Dunstschwaden unseres Heimatwaldes, bis wir uns, an meinem Bonanzazaun angekommen, in meinen Garten retteten. Das hat schon was, so ein Morgen-Kaffee für alle im Nebelgarten.

Lust auf mehr? Dann empfehlen wir “Dickes Fell und langer Atem” – Vom Überleben an der Schleppleine. Die Leserkommentare: “Zum Brüllen komisch”, “Einfach herrlich”, “Habe mich wieder erkannt” und “Wann kommt der nächste Jaklitsch?”. Birgit Jaklitschs Buch erschien im Minerva-Verlag und ist in jedem Buchhandel erhältlich oder direkt im Minervastore. www.Minervastore.de.