Psychologie

„Wie Frau Esken jetzt aus der Krise wachsen kann“

Warum weibliche Führung neue Worte braucht – und Saskia Esken uns zeigt, worauf es jetzt ankommt

Von außen betrachtet wirkt es wie ein stiller Abgang. Kein Knall, keine große Pressekonferenz, nur ein paar Interviews, in denen Saskia Esken sagt, was sie vermisst hat: Rückhalt, Wertschätzung, Fairness. Die SPD-Chefin, lange als streitbar und prinzipientreu beschrieben, zieht sich zurück. Und hinterlässt eine Frage: Warum konnte sie sich nicht durchsetzen?

Es wäre zu einfach, das jetzt allein auf Sexismus zu schieben. Ja, Frauen haben es schwerer. Ja, sie müssen oft mehr leisten, um halb so ernst genommen zu werden. Und doch liegt in Eskens Fall ein anderer Kern: Sie hat zu lange in der Sprache des Mangels gesprochen.


Haltung reicht nicht – wenn niemand weiß, wofür

Saskia Esken stand für vieles. Für soziale Gerechtigkeit. Für Bildung. Für ein linkes Gewissen in einer nach rechts driftenden Mitte. Aber wofür sie wirklich gebrannt hat, blieb oft unklar. Statt Bilder zu liefern, die haften, sprach sie in sachlichen Halbsätzen. Statt emotionaler Führung: moralischer Appell. Statt klarer Pläne: der Versuch, es allen recht zu machen – mit Haltung, aber ohne Bühne. Und als der Rückhalt bröckelte, blieb vor allem eines: das Narrativ vom Übersehenwerden.


Wer sich kleinredet, wird klein gesehen

„Ich wurde nicht gefragt“, sagte sie über das berühmte Interview mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. „Ich wurde nicht unterstützt.“ „Ich wurde unfair behandelt.“ Das alles mag stimmen. Aber: Es ist die Sprache der Ohnmacht. Und Ohnmacht ist kein Angebot an die Zukunft – sondern eine Einladung zur Abwicklung.


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Stärke spricht anders

Was wir brauchen – in der Politik, in Unternehmen, in der Gesellschaft – sind Frauen, die nicht nur fordern, gesehen zu werden, sondern die sich so zeigen, dass niemand mehr wegsieht. Das ist keine Frage des Volumens. Es ist eine Frage der Klarheit. Der Vision. Und der Sprache.

Starke Frauen sagen nicht: „Ich wurde nicht gefragt.“
Sie sagen: „Ich habe etwas zu sagen – und ich suche neue Wege, es hörbar zu machen.“

Starke Frauen sagen nicht: „Ich wurde übergangen.“
Sie sagen: „Ich gestalte weiter – ohne Posten, aber mit Haltung.“

Und starke Frauen sagen nicht: „Ich bin gescheitert.“
Sondern: „Ich bin gewachsen. Jetzt fängt etwas Neues an.“


Klagen wirkt schwach

Wir dürfen es Saskia Esken nicht übelnehmen, dass sie enttäuscht ist. Es ist menschlich. Aber sie wäre nicht die Erste, die an der Wirkung ihrer eigenen Worte scheitert – und nicht an ihrer Haltung. Die Bühne bleibt. Die Frage ist nur: Wer bestimmt die Geschichte, die darauf erzählt wird?

Ein Gespräch mit Kommunikationsberaterin Lena Franke über Wirkung, Selbstverantwortung und die Frage: Wie wirkt Stärke – und wie nicht.

Wie wirke ich stark?

MINERVA-VISION:
Frau Dr. Franke, Saskia Esken zieht sich zurück, spricht von mangelnder Unterstützung, von übergangen werden. Sie betont, dass Frauen es in der Politik schwerer haben. Ist das ein hilfreiches Narrativ?

Lena Franke:
Es ist vor allem: ein gefährliches. Natürlich erleben Frauen im politischen Betrieb mehr Hürden – strukturell, rhetorisch, medial. Aber wenn ich als Führungspersönlichkeit in einer Krise vor allem betone, wie schwer ich es hatte, dann verlasse ich die Bühne als jemand, dem etwas widerfahren ist, nicht als jemand, der etwas gestaltet hat.

MINERVA-VISION:
Also kein „Ich bin Opfer des Systems“?

Franke:
Genau. Esken braucht dringend eine kommunikative Kehrtwende. Der Satz „Frauen haben es schwerer“ ist nicht falsch – aber im politischen Kontext wirkt er wie ein unausgesprochener Appell: Bitte solidarisiert euch mit mir, weil ich eine Frau bin. Das Problem dabei: Das Publikum nimmt so etwas nicht als Stärke wahr, sondern als Schwäche. Als Vorwurf, nicht als Einladung.

MINERVA-VISION:
Was wäre eine bessere Botschaft?

Franke:
Statt zu sagen „Ich wurde nicht gefragt“ oder „Frauen werden oft übersehen“, wäre es stark gewesen zu sagen:
„Ich habe gemerkt, dass es für Frauen schwer ist, sichtbar zu bleiben – also werde ich jetzt andere sichtbar machen. Und dabei lauter, klarer und mutiger sein.“Das ist eine Wende von Defizit zu Gestaltung. Von Warum hört mir niemand zu? zu Ich habe etwas zu sagen – und das wird man hören.

MINERVA-VISION:
Was sollte sie also sofort ändern?

Franke:
Drei Dinge. Erstens: Raus aus der Opferhaltung, rein in die Verantwortungssprache. Zweitens: Kein diffuses „Systemkritik-Vokabular“, sondern konkrete Projekte. Und drittens: Eine neue Vision. Nicht: Ich bin gegangen, weil man mich nicht wollte, sondern:
„Ich habe mich entschieden, zu gehen – weil ich woanders mehr bewirken kann.“

MINERVA-VISION:
Und wenn das niemand glaubt?

Franke:
Dann macht man’s trotzdem. Denn Wirkung entsteht nicht durch Wahrhaftigkeit allein – sondern durch Klarheit, Haltung und Wiederholung. Kommunikation ist nicht nur ein Spiegel der Gefühle. Sie ist auch ein Werkzeug, um Realität zu gestalten.

MINERVA-VISION:
Was wäre Ihre persönliche Botschaft an Frau Esken?

Franke:
Vergessen Sie die Frage, ob man Sie unfair behandelt hat. Fragen Sie lieber: Wie kann ich in dieser Phase neue Stärke zeigen? Und denken Sie daran: Man muss nicht perfekt sein, um glaubwürdig zu führen. Aber man muss sichtbar führen – und sich nicht unsichtbar klagen.

MINERVA-VISION:
Vielen Dank für das Gespräch.

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