Wenn die Natur sich selbst ein Schnippchen schlägt
Das erstaunliche Wettrüsten zwischen Pflanze und Pilz
Manchmal erteilt uns die Natur eine Lektion fürs Leben, die selbst im besten Garten kaum zu übersehen ist. Jüngstes Beispiel: Die Gerste, die sich mit ihren pflanzeneigenen Abwehrstoffen tapfer gegen den Pilz Bipolaris sorokiniana zur Wehr setzt – und feststellen muss, dass der hartnäckige Eindringling längst einen Gegenplan hat. Forschern des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) ist es nun gelungen, dieses Wechselspiel genauer zu durchleuchten. Was sie dabei entdeckt haben, gibt Einblick in die ausgeklügelten Strategien der Natur.
Die Abwehrkräfte der Gerste – natürliche Helfer aus der Pflanzenwurzel
Pflanzen sind nicht wehrlos. Vor allem die Gerste und andere Getreidearten haben im Laufe der Zeit eigene Schutzmechanismen entwickelt, um sich gegen Krankheiten zu wehren. Sobald ein schädlicher Pilz in das Wurzelgewebe eindringt, schüttet die Gerste Abwehrstoffe aus, die so genannten Phytoalexine. Sie sind die kleine chemische „Geheimwaffe“ der Pflanze gegen viele Pilzarten.
Forscher haben nun in den Gerstenwurzeln eine neue Gruppe dieser Abwehrstoffe entdeckt, die so genannten Hordedane. Diese Stoffe aus der Gruppe der Diterpenoide wirken wie ein natürliches Breitbandantimykotikum: Sie hemmen das Wachstum vieler schädlicher, aber auch nützlicher Pilze. Für die Gerste sind die Hordedane also ein echter Schutzschild – aber nur auf den ersten Blick.
Der trickreiche Gegenangriff des Pilzes Bipolaris sorokiniana
Ein Pilz wie Bipolaris sorokiniana lässt sich davon jedoch nicht beeindrucken. Ganz im Gegenteil: Er hat eine faszinierende Taktik entwickelt, um sich die Hordedane zunutze zu machen. Statt sich von den Abwehrstoffen vertreiben zu lassen, nutzt Bipolaris sorokiniana sie, um besser zu wachsen! Versuche mit Gerstenpflanzen, die gar keine Hordedane bilden können, haben gezeigt, dass der Pilz hier tatsächlich langsamer wächst als in „normalen“ Gerstenpflanzen. Offenbar helfen ihm die Abwehrstoffe der Pflanze dabei, sich noch wohler zu fühlen.
Wie genau der Pilz den Stoff neutralisiert und sogar für sich umwandelt, ist noch nicht im Detail bekannt. Aber die Wissenschaftler haben einen wichtigen Hinweis gefunden: Bipolaris sorokiniana ist in der Lage, eine der prominentesten Hordedan-Verbindungen so umzuwandeln, dass sie ihm nicht schadet, sondern hilft. Dieses raffinierte „Umschreiben“ der Pflanzenabwehr zeigt, wie anpassungsfähig dieser Pilz ist.
Ein ständiges Hin und Her – Wie Krankheitserreger die Evolution vorantreiben
Das Wechselspiel zwischen Gerste und Pilz ist ein faszinierendes Beispiel für die Anpassungsfähigkeit der Natur. Während die Pflanze immer neue Abwehrmechanismen entwickelt, passt sich der Pilz an und entwickelt Strategien, diese zu durchbrechen – oder sogar für sich zu nutzen. Dieses Wechselspiel ist typisch für die Evolution: Krankheitserreger wie Bipolaris sorokiniana sind letztlich eine Art „Ansporn“, der die Pflanze zwingt, neue Wege zu finden, sich zu schützen. Wie heißt es so schön? Alles ist im Wandel. Die Natur zeigt uns, dass Wandlungsprozesse eben ganz natürlich sind – und dass auch Pflanzen und Pilze mitten in einem stillen, aber faszinierenden Wettlauf stehen, der uns oft verborgen bleibt. Wer weiß, welche Entdeckungen die Forscher noch machen werden? Sicher ist: Die Natur hält noch die eine oder andere Überraschung für uns bereit.
Originalpublikation: Yaming Liu, Dario Esposto, Lisa K. Mahdi. Hordedane diterpenoid phytoalexins restrict Fusarium graminearum infection but enhance Bipolaris sorokiniana colonization of barley roots. Molecular Plant 2024, 17(8), 1307-1327.