Schönheit

„Natürliche Hautpflege: Weniger ist mehr“


Eine Reportage von Clara Jansen

Wenn Pflege zur Überforderung wird

Es begann mit einem Hautausschlag, winzig, fast zart, nur ein roter Rand am Kinn, der kam und blieb – still und störrisch. Ich probierte vier Cremes, zwei Reinigungen, eine Maske mit vielversprechender Wirkstoffliste, nichts half, alles versprach Reinheit, Glanz, Ausgleich, und alles ließ mich zurück mit noch mehr Unsicherheit auf der Haut. Irgendwann saß ich abends vor dem Badezimmerspiegel und fragte mich: Wann ist Pflege eigentlich zum Reparaturversuch geworden?

Die Haut als Bühne unseres Anspruchs

Unsere Haut, heißt es, sei Spiegel unserer Gesundheit, aber sie ist auch Bühne, für Erwartungen, Perfektion, und all die kleinen Kämpfe, die wir täglich führen, zwischen „Glow“ und „Reinheit“ liegt ein Mikrokosmos aus Versprechungen, der sich in Tiegeln, Tuben und Pipetten manifestiert. Kaum ein Produkt kommt heute ohne Etiketten aus: Clean Beauty, natürlich, hypoallergen, aber was bedeutet das eigentlich? Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2023 (Natural Skin Care Products – Risk vs. Benefit) zeigt: Über 94 % der als „natürlich“ beworbenen Produkte enthalten potenzielle Reizstoffe, Duftstoffe, ätherische Öle, Konservierungsmittel. „Natürlich“ ist kein geschützter Begriff, und längst kein Garant für Hautfreundlichkeit.

Tabeas Haut – und die Sehnsucht nach Einfachheit

Ich denke an meine Freundin Tabea, die sich ihre Hautpflege lange wie ein Schutzschild zusammengestellt hat, Schicht um Schicht gegen den Tag, gegen Müdigkeit, gegen das Gefühl, nicht zu genügen. Und dann stand sie eines Morgens da, wütend, weil ihr Kind ihr Gesichtsöl mit dem Bastelkleber verwechselt hatte. Es war fast komisch, und zugleich ein Wendepunkt. Sie lachte, dann warf sie alles weg, und fing neu an, mit Wasser, mit einem einfachen Öl, mit Geduld.

Wenn Weniger heilt – aber nicht alles ersetzt

Weniger ist nicht immer mehr, aber manchmal genug. Wissenschaftlich belegt ist inzwischen, dass bestimmte natürliche Inhaltsstoffe sehr wohl einen Nutzen haben. Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2014 (Cosmetic Benefits of Natural Ingredients) zeigt: Pilze, grüner Tee, Süßholz, Olivenöl, Soja und Kaffeebeeren besitzen antioxidative und hautschützende Eigenschaften. Sie helfen bei Lichtalterung, Pigmentflecken und feinen Linien. Doch ihre Wirksamkeit hängt nicht nur vom Ursprung ab, sondern davon, ob sie stabil, gut formuliert und tatsächlich bioaktiv aufbereitet wurden. Ein Naturprodukt ist keine Magie, es braucht Wissenschaft.

Auch ganzheitliche Systeme wie TCM und Ayurveda bieten faszinierende Ansätze. Die TCM & Ayurveda in Dermatology-Studie (2012) nennt Beispiele: Neem, Kurkuma (Curcumin), Ghee, Leinöl, allesamt mit teils erstaunlichen Effekten bei Hautproblemen. Doch auch hier gilt: Nicht jede Salbe aus dem Internet ist harmlos, ohne Kontrolle drohen Verunreinigungen oder Schlimmeres.

Der stille Wandel im Badezimmer

Ich selbst bin stiller geworden, was meine Pflege betrifft. Keine aggressiven Fruchtsäuren mehr, keine duftenden Cremes mit elflanger Inhaltsstoffliste. Ich verwende ein Öl, das ich gut vertrage, Heilerde, wenn meine Haut laut wird, und Wasser – oft das Einfachste, was wir vergessen. Wenn ich mir heute etwas ins Gesicht reibe, dann nicht mehr in dem Wunsch, anders zu sein, sondern in dem Bedürfnis, bei mir zu sein. Meine Haut ist nicht perfekt, aber sie ist klarer geworden. Und ich auch.

Fünf Gedanken für eine Pflege, die wirklich pflegt

Frage zuerst: Brauche ich das, oder will ich etwas korrigieren? Manche Cremes sind Trostpflaster für tieferliegende Selbstzweifel. Wähle Produkte mit wenigen, deklarierten Inhaltsstoffen, je kürzer die Liste, desto besser die Übersicht – besonders bei sensibler Haut. Achte nicht nur auf „natürlich“, sondern auf geprüft, ein Naturprodukt ohne wirksame Formulierung ist wie Tee ohne Ziehzeit, hübsch, aber wirkungslos. Pflege ist kein Kampf, die Haut will nicht bezwungen werden, sie will verstanden werden. Manchmal genügt eine Pause, nicht alles muss ersetzt werden, manches darf einfach gehen.

Kleine Gesten, große Wirkung – Hautpflege im Alltag

Natürliche Pflege beginnt nicht im Tiegel, sondern in der Haltung, mit der wir unserem Körper begegnen. Und manchmal ist sie ganz schlicht, ein Glas Wasser, ein Hut bei Sonne, ein Tee am Abend, der mehr ist als ein Getränk. Wer seiner Haut wirklich helfen will, darf sie nicht isoliert betrachten, sondern als Teil eines feinen Systems aus Innen und Außen. Hier ein paar kleine Routinen, die sich bewährt haben, unscheinbar vielleicht, aber leise wirksam.

Sonnencreme ist keine Frage des Sommers, sondern der Vorsorge. Auch bei bedecktem Himmel erreichen uns UV-Strahlen, die unsere Haut altern lassen, und im schlimmsten Fall krank. Ich trage täglich einen leichten Sonnenschutz, auch im Winter, auch bei Regen. Es ist kein Aufwand, eher eine Geste: Ich kümmere mich. Punkt.


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Wasser trinken klingt banal, ist aber zentral. Wer viel denkt und wenig trinkt, trocknet aus – nicht nur innerlich. Unsere Haut ist ein sensibles Organ, das auf Mangel sofort reagiert. Zwei Liter stilles Wasser am Tag sind keine Regel, sondern ein Angebot: an die Durchblutung, an die Zellregeneration, an das eigene Wohlgefühl.

Tee ist für mich mehr als ein Getränk. Kamille, Brennnessel, Schafgarbe – sie alle helfen sanft, die Haut von innen zu beruhigen, besonders in hormonell unruhigen Zeiten. Während der Zyklusphasen verändert sich nicht nur unsere Stimmung, sondern oft auch unser Hautbild. Dann tut ein stiller Abend mit Tee, Wärmflasche und Selbstzuwendung mehr für den Teint als jedes Serum.

Und: Der Hautarzt ist kein Ort, den man nur bei Problemen aufsucht. Ich gehe einmal im Jahr zum Muttermalscreening. Nicht aus Angst, sondern aus Respekt. Vor dem, was Haut alles trägt, schützt, aushält. Es ist eine halbe Stunde, die beruhigt. Und ein Zeichen dafür, dass ich meine Haut nicht nur schön, sondern gesund erhalten will.

Ein leiseres Schön

Vielleicht ist das wahre Geheimnis der natürlichen Pflege gar kein Wirkstoff, sondern ein Gedanke: Ich muss nicht immer etwas tun, um genug zu sein. Vielleicht reicht es, da zu sein, sanft, echt, und ein bisschen ölig.

  • Quellen:
  • Bowe, W. P., & Pugliese, S. (2014). Cosmetic benefits of natural ingredients. Journal of Drugs in Dermatology, 13(9), 1021–1025.
  • Fivenson, D. P., & Elias, P. M. (2012). Complementary and alternative medicine in dermatology: An overview of selected modalities for the practicing dermatologist. Dermatologic Clinics, 30(2), 311–317. https://doi.org/10.1016/j.det.2011.11.004
  • Cleveland Clinic. (2023, April 14). Are natural skin care products actually better for your skin? https://health.clevelandclinic.org/natural-skin-care

Der Kommentar von Clara, unserer Beauty-Queen:

Ich hab beim Lesen gleich an so viele wunderbare Frauen gedacht, die ich kenne und auch an mich selbst. Denn wer hat nicht schon mal da gesessen, mit einem teuren Tiegel in der Hand, und sich gefragt: Will ich schöner sein oder einfach nur weniger unsicher? Wir alle sind manchmal auf der Suche nach einem Pflaster für etwas, das viel tiefer liegt. Und dann packen wir es in Seren, Peelings, Glow-Versprechen. Aber was uns oft wirklich fehlt, ist Zuwendung. Zeit. Und der Blick in den Spiegel, der sagt: Du bist okay. Genau jetzt. Genau so. Du sagst: Pflege darf einfach sein. Sie muss nicht schreien, nicht glitzern, nicht versprechen, dass wir ein anderer Mensch werden. Sie darf flüstern. Ich bin für dich da. Und das ist oft viel kraftvoller.

Denn am Ende ist das doch die größte Schönheit: Wenn das Badezimmer kein Labor mehr ist, sondern ein Rückzugsort. Wenn Pflege kein Kampf ist, sondern ein kleines Liebesritual. Für dich. Für deinen Tag. Für dein Gesicht, das du so vielen Menschen zeigst, aber viel zu selten dir selbst. Wahre Schönheit kommt nicht aus der Tube. Sondern aus dem Herzen.

Der Kommentar von Naszli, unserer Spezialisten für Hautpflege:

Viele Menschen pflegen sich nicht zu viel – sondern am Thema vorbei. Unsere Haut ist mehr als eine äußere Hülle. Sie ist Sinnesorgan, Schutzschild und Spiegel unserer Psyche. Und genau deshalb reagieren Haut und Seele oft gleichzeitig gereizt, unter Stress, bei Selbstzweifeln, in Zeiten von Überforderung. Was hilft? Verstehen, was sie wirklich braucht.

Dass ein Hautausschlag nicht mit fünf Cremes besser wird, sondern manchmal schlimmer, das liegt nicht an dir. Es liegt an der Idee, dass „mehr hilft mehr“. Falsch. In der Dermatologie ist weniger oft tatsächlich mehr. Und nicht jeder Inhaltsstoff, der nach Lavendel duftet oder natürlich klingt, ist auch hautfreundlich. Lavendelöl kann reizen, ätherische Öle können Allergien auslösen, selbst bei sogenannter „Naturkosmetik“.

Was viele nicht wissen: Hautpflege braucht keine 10 Schritte, sie braucht zwei bis drei Produkte, die wirklich zur Haut passen. Und eine Haltung, die dazwischen nicht ständig neue „Probleme“ sucht, sondern auch mal loslässt. Heilerde, ein mildes Öl, Wasser, das kann völlig ausreichen. Und übrigens: Auch keine Pflege für ein paar Tage ist manchmal heilsam, das nennt man „skin fasting“, der Haut eine Pause gönnen.

Besonders wichtig finde ich deinen Hinweis auf ganzheitliche Ansätze. Ja, die TCM und Ayurveda haben interessante Wirkstoffe, aber bitte medizinisch geprüft. Denn: Nur weil etwas aus der Natur kommt, ist es nicht automatisch harmlos. Wir brauchen Aufklärung statt Wellness-Wunschdenken.

Und noch ein Satz von dir ist mir hängen geblieben: „Wenn ich mir heute etwas ins Gesicht reibe, dann nicht mehr in dem Wunsch, anders zu sein, sondern in dem Bedürfnis, bei mir zu sein.“ Das ist in meinen Augen der schönste Ausdruck von Hautgesundheit: Wenn Pflege nicht als Korrektur gedacht wird, sondern als Zuwendung. Und wenn jemand nach einer guten Faustregel fragt: Pflege ist wie Ernährung, nicht alles, was bunt verpackt ist, ist auch gut für dich. Hör auf deine Haut. Sie redet mit dir, du musst nur zuhören.



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