Freundschaften nach 50: Aussortieren erlaubt
Hier schreibt die Ute. Über 50, mit mehr Lebenserfahrung als Faltencremes im Badezimmerschrank. Liebt Bücher, guten Rotwein und Gespräche, die auch mal wehtun dürfen. Sie hält nichts von Schönheitswahn und Fitness-Apps, aber viel von ehrlichen Worten und warmem Apfelkuchen. Mit Sahne. Und jeden Dienstag schenkt sie uns ihre Gedanken.
Letzte Woche habe ich mein Handy durchgeschaut und dabei eine erschreckende Entdeckung gemacht: 247 Kontakte. Zweihundertsiebenundvierzig! Als wäre ich die Bundeskanzlerin oder wenigstens eine Influencerin mit Millionen-Reichweite. Die Wahrheit sieht anders aus: Von diesen 247 Menschen rufe ich vielleicht acht regelmäßig an. Mit weiteren zwanzig tausche ich ab und zu mal eine Nachricht aus. Der Rest? Digitale Karteileichen aus vergangenen Zeiten, die ich aus schlechtem Gewissen nicht lösche. Genau wie bei echten Freundschaften auch.
Der große Freundschafts-Frühjahrsputz
Mit 20 dachte ich, Freundschaften sind für die Ewigkeit. Wie Diamanten oder schlechte Frisuren auf Fotos. Heute weiß ich: Manche Freundschaften haben ein Ablaufdatum. Und das ist völlig okay. Trotzdem fällt es mir schwer, alte Verbindungen zu kappen. Da ist zum Beispiel Sabine aus dem Pilates-Kurs von vor zehn Jahren. Wir sehen uns zweimal im Jahr bei Geburtstagen, reden über das Wetter und ihre Katzenhaarallergie. Danach denke ich jedes Mal: “Warum mache ich das eigentlich noch?” Aus Gewohnheit. Aus Höflichkeit. Aus diesem seltsamen Gefühl, dass es böse wäre, eine Freundschaft “einfach so” zu beenden.
Wenn Freundschaften zur Arbeit werden
Kennst du diese Freundinnen, die nur anrufen, wenn sie ein Problem haben? Die dich als kostenlose Therapeutin nutzen, aber verschwinden, sobald es dir mal schlecht geht? Oder die, die bei jedem Treffen nur über sich selbst reden und vergessen zu fragen, wie es dir denn so geht? Ich nenne sie “Energievampire”. Sie saugen dich aus und geben nichts zurück. Nach einem Abend mit ihnen fühlst du dich, als hättest du einen Marathon gelaufen – rückwärts, bergauf, mit Gewichten an den Füßen. Früher dachte ich: “Das gehört dazu. Freundschaft bedeutet, immer da zu sein.” Heute denke ich: “Quatsch. Freundschaft bedeutet Gegenseitigkeit.”
Die Kunst des freundlichen Distanzierens
Das Schöne am Älterwerden: Du lernst, dass du nicht für jeden Menschen auf dieser Welt verantwortlich bist. Du darfst Freundschaften beenden, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Aber wie macht man das, ohne gemein zu sein? Du reduzierst langsam den Kontakt. Antwortest später auf Nachrichten. Sagst öfter ab. Meldest dich seltener. Die meisten Menschen verstehen den Wink und ziehen sich ebenfalls zurück. Man sieht sich seltener, oder nur noch in größerer Runde und im Grunde genommen sind alle fein damit. Denn Entfremdung ist in der Regel etwas, was beide Seiten spüren.
Warum weniger Freundinnen mehr sind
Ich habe mal gelesen, dass Menschen maximal 150 stabile Beziehungen führen können. 150! Wer hat denn Zeit für 150 Freundschaften? Ich schaffe es ja kaum, mit fünf engen Freundinnen regelmäßig Kontakt zu halten. Und weißt du was? Diese fünf sind Gold wert. Das sind die, die anrufen, wenn sie meine Stimme im Radio gehört haben. Die vorbeikommen, wenn ich krank bin. Die auch mal zwei Stunden schweigend neben mir sitzen können, wenn mir das Leben gerade zu viel wird. Quality over Quantity, wie die Engländer sagen. Oder auf Deutsch: Lieber wenige echte als viele falsche Freunde. Menschen, mit denen ich auch nach Monaten ohne Kontakt sofort wieder da anknüpfen kann, wo wir aufgehört haben. Die mir ehrlich sagen, wenn ich Quatsch rede. Die mich zum Lachen bringen, auch wenn mir nicht nach Lachen zumute ist. Echte Freundinnen machen das Leben leichter, nicht schwerer. Sie geben Energie, statt sie zu rauben. Nach einem Abend mit ihnen denkst du: “Das war schön. Das machen wir bald wieder.”
So einfach ist das. Und wenn das bedeutet, dass ich am Ende nur noch fünf echte Freundinnen habe statt 247 Kontakte im Handy – dann ist das völlig okay.
Quality over Quantity. Immer.
Die Ute vom Dienstag
P.S.: Während ich das hier schreibe, habe ich gerade eine alte Schulfreundin aus meinen Kontakten gelöscht. Wir haben seit fünf Jahren nicht mehr miteinander gesprochen, und das ist auch gut so. Manchmal ist Loslassen die ehrlichste Form der Freundschaft.




