Chessy – Sprengstoffhündin entdeckt “Mantrailing”
Ein Bekannter von mir bildete für eine Behörde so genannte Mantrailer aus. Auch unterstützte er ein Projekt in Afrika zum Schutz der Wildtiere. Dort spüren die Hunde den Wilderen hinterher, manchmal mit mehr oder mit weniger Erfolg. Insgesamt scheint das Trailen von sehr verschiedenen Faktoren abzuhängen.
Durch unsere Gespräche neugierig geworden, überlegte ich selbst einmal, einen solchen Hund zumindest versuchsweise auszubilden. Zumal ich nicht daran zweifelte, dass es super funktionieren könnte. Vor Jahren hatte ich schon einmal zumindest eine Erfahrung diesbezüglich machen können. Meine damalige Freundin und jetzige Frau war ohne mich in den Urlaub gefahren. In der Zeit kümmerte ich mich um ihre Hunde. An dem Tag nun, an dem sie heimkommen sollte, war ich mit ihrem Deutschen Schäferhund auf einem Spaziergang unterwegs. Wir waren auf dem Rückweg, plötzlich hob der Hund die Nase und stürmte an der Leine vorwärts … Er konnte gar nicht schnell genug nachhause kommen. Tatsächlich war meine Frau wieder eingetroffen, ich hatte eigentlich erst spät abends mit ihr gerechnet. Ihre Witterung konnte er nicht direkt wahrgenommen haben: Zum einen war das Haus noch zu weit weg, zum anderen stand der Wind nicht günstig. Er musste an der Hauptstraße irgendwie von ihr Witterung bekommen haben – und das, obwohl sie in einem fremden Auto nur vorbeigefahren ist. An der gesamten Straße entlang behielt er dann den Geruch in der Nase. Das war insgesamt wirklich beeindruckend.
Neue Herausforderung für „Rentnerin“ Chessy
Also, ich wollte es ausprobieren und entschied mich, meine „Rentnerin“ Chessy ins Rennen zu nehmen. Chessy war kein unbeschriebenes Blatt, sie war Sprengstoffspürhund und kannte aus ihrer sportlichen Betätigung auch die Fährtensuche. Ich ließ mir also ein neues Prozedere oder „Ritual“ zum Mantrailen einfallen (Geschirr, anderes Hörzeichen etc.) und fing mit der Konditionierung in kleinen Schritten an. Die Dame spielte und beutete unheimlich gern und sehr intensiv, also baute ich das Training zunächst mit Futter auf, denn durch ihre eigene hohe Spielmotivation wäre sehr wahrscheinlich kein gutes Lernen möglich gewesen. Also schraubte ich sie trieblich etwas herunter, um ihr die Konzentration auf die neue Übung zu ermöglichen. Zunächst wurde sie ein wenig von der Hilfsperson, dem Läufer, angefüttert, damit sie auch den Drang zu der Person aufbauen konnte. Nachdem sich die Person auf kurze Distanz außer Sicht bewegt hatte, führte ich sie, über den Geruchsträger des Läufers (zunächst ein T-Shirt) und ließ sie arbeiten. Sie hatte den Bogen sehr schnell raus. Manchmal konnte man den Eindruck gewinnen, sie schnüffelte gar nicht richtig an dem Geruchsträger, aber Hunde können tatsächlich eine Witterung in einem Sekundenbruchteil aufnehmen und speichern. Wir verlängerten die Strecke allmählich und auch den Zeitrahmen, bis zum Start der Suche. Wenn der Hund einmal verstanden hat, worum es geht, geht der Rest (fast) wie von selbst. Das Problem beim Mantrailing ist, denke ich, der Hundeführer. Wir neigen dazu, den Hund ständig kontrollieren und anleiten zu wollen und genau dieses funktioniert hier überhaupt nicht.
Dem Hund blind vertrauen
Während des Trailens sucht der Hund nämlich nicht nach einer Sichtfährte oder Bodenverletzung, wie man es vielleicht aus der Fährtenarbeit ein wenig kennt. Die unsichtbare Fährte besteht nämlich aus unseren Hautschuppen, die wir in jeder Minute zu tausenden verlieren und unseren Weg unbewusst markieren. Nur ist es leider so, dass diese Hautschüppchen nicht genau auf unserem Wege liegen, sondern vom Winde verweht werden. Mit etwas Pech kann der Abstand zwischen dem eigentlichen Weg und der Lage der Hautschuppen ca. 100 m betragen. Verständlich ist dann, dass der Hund ebenso abweicht, um folgen zu können. Genau an dieser Stelle meinen aber dann die Hundeführer, korrigierend eingreifen zu müssen und den Hund mit Hörzeichen an seine eigentliche Aufgabe zu erinnern. Dumm nur, wenn dort ein anderer Geruch vorhanden ist, der Hund sich neu „einklinkt“ und wir dann tatsächlich an ganz anderer Stelle landen.
Chessy denkt mit
Der Läufer war vor knapp einer Stunde losgezogen und ich bereitete Chessy zur Nachsuche vor. Ich hielt ihr den Geruchsträger unter die Nase und die Dame zog los. Irgendwie war ich mir sicher, dass die Hilfsperson vom Startpunkt aus rechts abgebogen war. Der Hund hob die Nase in den Wind, prüfte und wandte sich nach links. Ich war ein klein wenig enttäuscht, da ich sicher war, dass der Hund einen Fehler begangen hatte. Nun ja, nach knapp 40 m lag die Zielperson in einer dichten Hecke. Der Helfer war tatsächlich rechts herumgegangen, hatte dann unsere Anlage komplett umrundet und sich auf die Lauer gelegt. Chessy hat es sich also einfach gemacht und nicht die Hautschuppenspur verfolgt, sondern die Nase einfach in den für sie günstigen Wind gehalten. Hier wurde deutlich, dass unser Mädel genau verstanden hatte, was wir vorhaben. Chessy und ich haben noch manches Mal auch über lange Distanzen getrailt und hatten Spaß dabei. Oft genug war ich wirklich über die teils unglaublichen Leistungen erstaunt.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.
Martin Weitkamp
Im Schatten der Gefahr
Hardcover, 128 Seiten, s/w
ISBN: 978-3-9815634-2-9