Psychologie

Wunschdenken führt in die Irre

Das ist wichtig für alle, die ihre Wünsche ans Universum schicken oder den „Dream-Big“-Gurus glauben. 

„Der Traum von gestern ist die Wirklichkeit von heute und morgen“, wusste der legendäre Kampfsportler Bruce Lee. Klingt toll, oder? Den Spruch kennen viele, er wird oft und gerne zitiert. Denn Wünsche sind doch was Gutes. Da sind sich überraschend unterschiedliche Menschen überraschend einig. Wer weiß, was er will, wird es auch in seinem Leben manifestieren, raunt es aus den Ohm-Gruppen der Esoterik-Kreise. Aus der Lifestyle-Coaching-Ecke schallt es energisch: „Dream big“. Beides ist eine Kampfansage an die Mittelmäßigkeit. Ein Aufruf zur Selbstoptimierung. Wozu auch mit einem kleinen Leben zufrieden sein, solange wir unsere kühnsten und ehrgeizigsten Ziele noch nicht erreicht haben? Und so säen die vermeintlich positiven Aufforderungen in uns in Wahrheit die Saat für Unzufriedenheit. Aber klar, so können wir das Beste aus uns herausholen. Wirklich? Forscher der Uni Amsterdam bewiesen nämlich, dass es da einen winzig kleinen Haken gibt. Und zwar die dumme Realität. Und so kommt aus dem ersten Land mit liberaler Drogen-Politik und allgemein zugänglichen Coffee-Shops die ernstgemeinte Warnung, sich nicht im Wunschdenken zu verlieren. Also, wenn man das einer Nation glauben kann, dann den Niederländern!

Jeder verliert sich hin und wieder im Wunschdenken. 

Wünsche sind nichts Schlechtes, oder? Bruce Lee kann sich einfach nicht irren. Oder? Leider doch. Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang, und der ist leider fatal: Je größer die Unsicherheit und Angst in einer Situation ist, desto wahrscheinlicher werden Menschen übermäßig optimistisch – bis zu dem Punkt, an dem es uns daran hindern kann, wichtige und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Situation zu verbessern. 

Wir suchen nach Trost. 

„Menschen sind nicht nur Wahrheitssucher – viele Überzeugungen werden von Emotionen beeinflusst und durch das angetrieben, was angenehm oder tröstlich ist. Wie der Glaube an ein Leben nach dem Tod oder Optimismus bezüglich gesundheitlicher Ergebnisse“, sagt Joël van der Weele. Der Professor für Wirtschaftspsychologie untersucht gemeinsam mit dem Neuroökonomen Jan Engelmann, ob Menschen angesichts potenzieller Schwierigkeiten übermäßig optimistisch werden, oder ob sie anpacken und ihr Leben ändern. Und sie konnten beweisen, dass wir uns alle gerne ab und an mal die rosarote Brille aufsetzen, um uns die Welt etwas schöner zu machen. Es sei denn, wir haben Angst. Dann wird es skurril und wir beginnen, uns selbst etwas vorzulügen, um unser Elend erträglicher zu machen. „Unsere Studie zeigt sehr deutlich, dass die Angst vor einem Ergebnis zu extremem Wunschdenken führt.“, so Engelmann. Es handelt sich dabei um eine Art Überoptimismus, der aber zu keiner Handlung führt. 

Ich wär so gerne Millionär….

    Wunschdenken, auch als “wishful thinking” bekannt, kann also gleichzeitig Kraft geben und schädlich sein. Besonders ängstliche Menschen entwickeln einen so starken Hang zum Träumen, dass sie absurde und riesige Wünsche entwickeln. Die sind dann so schwer zu realisieren, dass sie es auch gleich sein lassen. So verharren sie in der Passivität und träumen von dem Lottogewinn, dem dynamischen, reichen Millionär, der mit dem weißen Rolls-Royce um die Ecke fährt, den Verlobungsring auf der Rückbank, oder dem Aktiengewinn, der wie durch Zauberhand die Umstände vollkommen ändert. Nicht jede Frau wird Prinzessin und ja, auch nicht jeder Mann wie Elon Musk. Warum anpacken und aktiv werden, wenn das Ziel so unrealistisch hoch ist? Denn träumen wir zu groß, kann uns dies entmutigen und verhindern, dass wir aktiv nach Lösungen suchen und unsere Träume verwirklichen. Und dann schaden unsere Träume mehr, als sie uns nützen. 

    Es gibt da ja noch eine Kleinigkeit, nennen wir sie Realität

    „Gerade das Wunschdenken lässt in der Tat zu wünschen übrig“, kalauerte der deutsche Satiriker Wolfgang Mocker und verwies damit auf die Macht der Tat. Engelmann stimmt dem bedingt zu. „Wunschdenken ist für Menschen wichtig, um mit Angst vor möglichen zukünftigen Ereignissen umzugehen.“ Das Problem entsteht in Situationen, in denen zu viel Optimismus Menschen daran hindert, die Informationen zu bekommen, die sie brauchen, oder auf eine Weise zu handeln, die ihnen nützen würde. „Menschen können zu hoffnungsvoll werden, wenn Dinge unsicher sind. Wir beobachten dies beim Klimawandel, wenn die Finanzmärkte schwanken und sogar in persönlichen Gesundheitssituationen, wenn Menschen medizinische Hilfe vermeiden, weil sie denken, dass alles in Ordnung sein wird.“ 

    Ein Wunsch alleine ändert nichts. 

    Ein Entschluss ändert alles. Und da wären wir wieder bei Bruce Lee. Der Mann zeigt uns nämlich, wie das Wünschen wirklich geht. Am Anfang seiner Karriere hatte er nicht das Ziel, ein Weltstar zu werden. Nein, er wollte sich irgendwie eine Existenz aufbauen. Tagsüber arbeitete er als Kellner, parallel studierte er Schauspielerei und gab abends privat in Parks Kung-Fu-Unterricht. Letzteres lief so gut, dass er sich entschied, eine Kampfkunstschule zu eröffnen, mit der er den Lebensunterhalt für seine Familie verdienen konnte. Sein Wunsch war für ihn realisierbar – er hatte die dafür notwendige Ausbildung. Seitdem er 13 Jahre alt war, trainierte er bei Meistern in Hongkong Kung-Fu – seine Familie war wohlhabend. Hätten seine Eltern ihn im Kochen unterrichtet, hätte er wahrscheinlich McLee gegründet und es gäbe heute eine Kette an chinesischen Fast-Food-Restaurants. Wünsche müssen realistisch bleiben, damit man sie realisieren kann. 

    Bleibt auf dem Boden! 

    Das ist übrigens eine Erkenntnis, die alle großen Sportler haben. Ich erinnere mich an ein Interview mit Heike Henkel. Die Frau ist für den Hochsprung das, was Boris Becker fürs Tennis ist und hat nahezu alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Kaum jemand weiß, dass sie eigentlich Turnerin werden wollte. „Aber egal, wie viel ich auch trainierte – andere waren besser als ich“, erinnerte sie sich. Kein Wunder – Turner sind für gewöhnlich eher klein und Heike ist ungefähr 1,80 m groß. Mit der Erkenntnis wechselte sie zum Hochsprung. Die Entscheidung war goldrichtig. Ihr Erfolg spricht für sich. Es kann halt passieren, dass man einen Traum nicht umsetzen kann. Heike hätte auch einfach weiter träumen können und wäre dann vermutlich im Meer der Mittelmäßigkeit versunken. Willst du Außerordentliches? Dann sei ehrlich zu dir selbst und finde heraus, was in dir steckt. Auf der Basis kannst du anfangen, zu träumen. 

    Wenn euch also irgendein Guru predigt „Träumt groß!“, dann seid vorsichtig. Es gibt da draußen eine Menge Menschen, die selbst nicht viel erreicht haben, aber anderen sagen wollen, wie es geht. Bleibt bei euch, habt keine Angst, und wünscht euch was, was machbar ist. Erfolg braucht Bodenhaftung. Und erfolgreiches Wünschen auch. 

    3 entscheidende Tipps, um reines Wunschdenken zu überwinden und Träume zu verwirklichen:

      1. Setze realistische und messbare Ziele: Ist dein Ziel für dich erreichbar? Hast du die Fähigkeiten und Kenntnisse, oder kannst du dir sie aneignen?
      2. Erstelle einen konkreten Plan: Ein Traum ohne Plan bleibt ein Traum. Erstelle einen Aktionsplan, der die Schritte auflistet, die notwendig sind, um dein Ziel zu erreichen. 
      3. Bleibe flexibel und anpassungsfähig: Manchmal läuft nicht alles nach Plan. Sei bereit, deine Pläne anzupassen und neue Wege zu finden, oder neue Ziele. 

      Wie euch das weiterbringt: Erfolgreiches Träumen braucht Bodenhaftung:

      Erfolg erfordert eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Umstände. Der Hochsprung-Erfolg von Heike Henkel zeigt, dass Ehrlichkeit und Anpassungsfähigkeit entscheidend sind. Hätte sie an ihrem ursprünglichen Traum festgehalten, wäre sie möglicherweise nicht so erfolgreich geworden. Stattdessen hat sie ihre Stärken erkannt und einen neuen Weg eingeschlagen, der zu außergewöhnlichen Erfolgen führte.

      Bleibt also ehrlich zu euch selbst. Nutzt eure Träume als Antrieb, aber vergesst nicht, sie durch praktische Maßnahmen und realistische Ziele zu untermauern. Erfolg ist eine Mischung aus großen Träumen und einer soliden, bodenständigen Herangehensweise. Und das ist auch schon die ganze Wahrheit. Spart euch also das Geld fürs Glücks-Coaching oder den Ohm-Guru und legt einfach los. Ihr habt es in euch und schafft es ganz alleine! Ich glaub’ an euch. 

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