Psychologie

Hol dir dein Bauchgefühl zurück 

Das Bauchgefühl ist mächtig. Es zeigt dir deine tiefsten Wünsche und Ängste. Wer darauf hört, lebt besser. Und wer es nicht hat? Wie Kräuterfrischkäse dabei helfen kann. 

Klingt super, das mit dem Bauchgefühl. Was aber, wenn ich noch keins habe? Als meine Kinder im Kindergartenalter waren, mussten sie Entscheidungen treffen. Schwierige Entscheidungen. Wie: „Soll ich Juliette zu meinem Geburtstag einladen oder lieber nicht?“ „Hör einfach auf dein Bauchgefühl“, antwortete ich dem ratlosen Töchterlein und blickte in ein paar ratlose, himmelblaue Augen. „Was soll ich denn in meinem Bauch fühlen?“ 

Glücklicherweise habe ich einen Psychoanalytiker im Freundeskreis. 

Ich rief ihn an, und auf sein Anraten hin kaufte ich Kräuterfrischkäse. Und zwar alle Sorten, die es gab. Von Bresso bis zu den Eigenmarken der Discounter. Die Kinder nahm ich mit und wir füllten die Sorten in kleine Schüsselchen, die ich markierte. Sie wussten also nicht, welcher Frischkäse in welcher Schüssel war. Und dann probierten sie sich durch und trafen die Entscheidung, welcher am besten schmeckte. Ich habe auch mitgemacht und ehrlich gesagt war ich erstaunt, wie unterschiedlich die Geschmäcker waren. Kind 1 mochte die Eigenmarke eines Discounters lieber, Kind 2 entschied sich für eine bekannte Marke. 

Weil wir das nun wussten, kaufte ich immer nur noch diese beiden Kräuterfrischkäse ein, das machte den Einkauf leichter. Und wir alle hatten gelernt, dass wir auf unsere Sinne vertrauen sollten. Denn das fällt schwer angesichts der vielen Optionen. „Die meisten Menschen nehmen immer direkt das erste Angebot, was sie sehen und halten dann daran fest. Dabei ist das nicht immer die beste Entscheidung“, sagte der Psychoanalytiker und riet zum Kräuterfrischkäse-Kauf. Seitdem haben wir vieles getestet. Käseplatten, unterschiedliche Spaghettisorten, Nuss-Nougat-Cremes und Fertigbackmischungen. 

„Die meisten Menschen nehmen immer direkt das erste Angebot, was sie sehen und halten dann daran fest. Dabei ist das nicht immer die beste Entscheidung.“

Und wenn es um eine Entscheidung geht, die sinnlich nicht erfahrbar ist? 

„Soll ich Juliette nun einladen oder nicht?“, fragte meine Tochter ein paar Tage später erneut. Dann nahmen wir zwei Zettel. Auf den einen malte sie ihre Gäste ohne Juliette. Auf den anderen ihre Gäste mit Juliette. Wir legten die Bilder auf den Boden und sie stellte sich mal auf das eine, dann auf das andere. Sie kam zu einer Erkenntnis: „Ich mag Juliette nicht besonders. Der Geburtstag ist schöner ohne sie. Aber wenn ich sie nicht einlade, wird sie sich mit mir streiten, und das will ich auch nicht.“ Eine sehr komplexe Erkenntnis für eine 5-jährige. Ich sagte nicht viel dazu, obwohl ich es gerne getan hätte. Aber Reife ist etwas, was in jedem Menschen von selbst wachsen muss. Nach einigen Tagen entschied sie sich, Juliette nicht einzuladen. Als diese sie im Kindergarten zur Rede stellte, sagte meine Tochter: „Wenn wir uns nicht mehr so viel streiten, lade ich dich das nächste Mal ein.“ Und mir sagte sie auf dem Nachhauseweg: „Mein Bauch hat mir gesagt, dass ich keinen richtigen Spaß auf meinem Geburtstag habe, wenn Juliette da ist. Und es ist ja schließlich mein Geburtstag, da kann ich machen, was ich will.“ 

Weniger denken, ausprobieren: Diese Schritte, so klein sie auch wirken, können auch im Erwachsenenalter genutzt werden, um einen einfacheren Zugang zum Bauchgefühl zu erlangen. Nicht denken, einfach probieren und währenddessen in sich hineinfühlen. Auf diese Weise findet man den inneren Kompass, der einen dorthin zieht, wo man sich wohl fühlt. So findet man neue Interessen, neue Hobbys, neue Freunde. Selbst der Kleiderschrank kann zu einem Experimentierfeld werden – einfach alles anziehen und darauf achten, wie wir uns darin fühlen. Vielleicht muss man ausmisten, aber wie so oft im Leben ist weniger manchmal mehr. Allen Methoden gemein ist: Probiert etwas aus und fühlt in euch hinein. 

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