Freizeit

“Wenn wir Partnerschaft erzwingen, verpassen wir sie.”

Mein Herz bellt: Willkommen in der Welt der Hundeliebhaber

Dein Wochenendprogramm besteht aus ausgiebigen Spaziergängen und der ständigen Suche nach dem perfekten Leckerli? In deinem Kleiderschrank hängen mehr Regenmäntel als Trenchcoats, und deine Couch hat mittlerweile mehr Haare als Jason Momoa? Du bist ein Meister darin, im strömenden Regen den perfekten Stock zu finden, und du weißt genau, dass das Wort „Futter“ magische Kräfte besitzt? Dann herzlich willkommen – du bist hier goldrichtig!

Mach es dir gemütlich, schnapp dir eine Tasse Tee, und lass uns gemeinsam in die wunderbare Hundewelt eintauchen. Denn wir beide wissen: Ein Leben ohne Hund ist vielleicht möglich, aber ganz sicher nicht halb so unterhaltsam!


Mit Hund das Drehbuch des Lebens verändern?

„Du brauchst einen Hund – da bin ich!“ – hat vielleicht auch der Border Collie Luke gesagt, als er der berühmten Hundetrainerin Patricia McConnell in einer brenzligen Situation im Schafstall das Leben rettete. „Luke war mehr als nur der Star eines einzigen dramatischen Moments“, schreibt sie in ihrer Autobiographie „Will sei Dank“, „er war eine dieser alten Seelen, deren Liebe zum Leben einen dazu bringt, in ihrer Nähe zu leuchten.“ Denn wenn wir einen Hund als Inspiration betrachten, dann fangen wir auch selbst an, uns zu verändern. 

McConnell ging diesen Schritt mit Lukes Nachfolger Will, dem ihre Autobiographie gewidmet ist. Will mit seinen Ängsten und seiner Wut bringt die Verhaltensforscherin an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, und zwingt sie, sich mit ihren eigenen Verletzungen und ihrer eigenen Angst auseinanderzusetzen. „Will sei Dank ist meine Geschichte“, schreibt sie, „und im Grunde ist sie Teil meiner Bemühungen, das Drehbuch meines Lebens so zu verändern, dass es nicht mehr gegen mich arbeitet, sondern hilft, mich zu dem Menschen zu machen, der ich sein möchte.“

Wenn es ein Drehbuch zum Leben gibt, dann ist der Moment, in dem ein Hund und ein Mensch sich treffen, wahrscheinlich der mit der dramatischen Orchestermusik. Mit Hochfrequenztönen, natürlich. Mehr noch als andere Haustiere hat ein Hund die Macht, etwas in unserem Leben zu verändern. Er verändert Lebensgewohnheiten (wir stehen vielleicht früher auf, gehen mehr raus, gehen seltener an Orte, an denen wir den Hund nicht mitbringen können), Freundschaften („Nicht jeder ist begeistert, wenn ihm eine dreißig Kilo schwere Bulldogge auf die Schultern zu klettern versucht. Aber wer Bulli nicht mag, kann auch mein Freund nicht sein“, schreibt zum Beispiel die Schriftstellerin Karen Duve), unsere Sicht auf die Welt. Es ist, als würde der Hund dem menschlichen Leben eine Dimension hinzufügen, die ihm zuvor gefehlt hat. Eine Dimension, in der Nähe und Ferne neu gemessen werden: In einem Moment versteht der Hund jeden Blick, schläft in unserem Bett, hört sich unsere geheimsten Sorgen an – im nächsten taucht er ab in seine für uns völlig unverständliche Welt der Gerüche, jagt dem Hasen hinterher, gerät in unerklärliche Wut über einen Artgenossen. Die Dimension „Hund“ kann ein Menschenleben reicher machen, bunter, tiefer.

             

Eine Partnerschaft, die gesünder macht 

Statistisch gesehen macht ein Hund seinen Menschen auch gesünder. Blutdruck und Herzfrequenz von Menschen, die mit einem Hund nur im selben Raum sind, sinken. Wer einen Hund streichelt, setzt das Bindungs- und Kuschelhormon Oxytocin frei, und fühlt sich wohler. Hundebesitzer sind stresstoleranter, haben weniger psychosomatische Beschwerden und müssen seltener zum Arzt   (Bergler 1992, Siegel 1992). Eine Studie zeigt, dass Menschen, die sich einen Hund kauften, in den 10 Monaten danach weniger Gesundheitsprobleme hatten als eine Vergleichsgruppe. Dieser positive Effekt lässt sich zum Teil auf die Veränderungen im Lebensstil zurückführen, die die Anschaffung eines Hundes mit sich bringt: Vor allem regelmäßiges Spazierengehen wirkt sich rasch vorteilhaft auf das Herz-Kreislaufsystem aus. Aber auch Studien, die diesen Effekt herausrechnen, zeigen positive gesundheitliche Auswirkungen für den Hundebesitzer (Anderson 1992). Wir leben so intensiv mit Hunden zusammen, dass sie uns gesünder machen können, dass sie unsere Kreativität wecken können und unser Leben verändern können. So viel Nähe, wie wir mit einem Hund erleben können, ist manchmal sogar schwierig, mit einem Menschen zuzulassen. Die Gesellschaft eines Hundes ist in mancherlei Hinsicht weniger beunruhigend, wir fühlen uns weniger beurteilt und herausgefordert. So zeigte eine amerikanische Studie, bei der Menschen verschiedenen belastenden Situationen ausgesetzt wurden, dass die Anwesenheit eines Hundes sie weit mehr entspannte als die ihres Ehepartners.

Dank Hund die Künstlerin in uns wieder entdecken 

Vielleicht ist es kein Zufall, dass gerade so viele Künstler Hunde haben – und über diese Hunde schreiben, dichten, sie malen, fotografieren und bestaunen. Und umgekehrt: Ich kenne keinen Hundehalter, dessen Smartphone nicht voller Hunde-Schnappschüsse ist, der seinen Hund nicht zu beschreiben versucht, beobachtet, interpretiert und Geschichten um ihn herum erfindet. Ob es nun große Kunst ist, ist ja unerheblich. Spannend ist, wie Hunde uns ein Fenster in die Wirklichkeit eines unbedrohlichen Anderen öffnen. Spannend ist, nicht nur Geschichten zu erfinden, die wir dem Hund überstülpen, sondern zu versuchen, seine Welt zu erzählen, abzubilden, mitzuempfinden. Das kann uns natürlich nur bruchstückhaft gelingen, aber es ist einen und auch mehrere Versuche wert: Wie ist es denn, die Welt nasengesteuert statt augengesteuert wahrzunehmen? Was ist meinem Hund wichtig, wie teilt er mir das mit? Wie fühlt es sich wohl an, Hund zu sein, dieser Hund, mein Hund? Kann ich mich so weit zurücknehmen, dass ich meinen Hund wirklich sehen kann, als er selbst, ohne in erster Linie meine Wünsche, meine Erzählung zu sehen? Eine befreundete Trainerin sagte mir einmal: „Die meisten Menschen führen keine Hunde an der Leine spazieren, sondern Geschichten.“ Es gibt viel, was uns den Blick auf unseren eigenen Hund verstellt: unsere Hoffnungen, unsere Erwartungen, wie Hundehaltung sein soll, unsere Enttäuschung, unsere Erziehungsversuche. Ich bewundere die Menschen, denen es gelingt, trotz allem ihren Hund als eigenständiges kleines Wesen wahrzunehmen. Ein Wesen, das – nach allem, was wir derzeit wissen – viel weniger in Geschichten lebt, wie wir es tun, und viel mehr in Augenblicken.     

  

Der Hund lebt im Hier und Jetzt 

Simone zum Beispiel erzählt über ihren siebenjährigen Mischling Spike: „Beim Spazierengehen genießt er sichtlich das Leben, ist neugierig und im Hier und Jetzt. Das bereitet mir wiederum große Freude. Etwas, was ich von ihm lernen kann.“

Im Hier und Jetzt – manche Menschen hören sich Meditationen auf ihren Smartphones an, in denen dieses Mantra wiederholt wird. „Dieser Moment. Und dieser Moment. Und dieser.“ Wir 5 Millionen Hundebesitzer brauchen keine App dazu – wir führen den Achtsamkeitswecker an der Leine. Wir müssen ihm nur noch zuhören. Einen Moment Pause machen mit dem Erziehen und Trainieren und Wünschen, und einfach nur Hinsehen und Miterleben.   

Gerade für Menschen, die sich intensiv auf ihren Hund einlassen wollen, aber auch Beruf, Familie und vielleicht sogar Hobbys ohne Hund, oder ein menschliches Sozialleben, an dem Hunde nur in Maßen teilnehmen können, unter einen Hut zu bringen versuchen, ist es wichtig, immer wieder achtsam in die aktuellen Momente hineinzuspüren. Im engen Zeitplan ist es schnell passiert, dass man den Hund mit managt. Ihn morgens zur Hundetagesstätte bringen, abends schnell zum Agility, die Kinder vom Spielen einsammeln und den Hund vom Hundesitter, in der Mittagspause eine Gassirunde, am Wochenende Junghundekurs eins bis drei, und wer heute noch kein Mantrailen macht, der ist echt uncool? Wenn der Hund in erster Linie verwaltet wird, geht das an den Bedürfnissen des Hundes bei aller Liebe und allem guten Willen vorbei – und auch an den Bedürfnissen des hundehaltenden Menschen! Oder, anders formuliert: Wenn wir die Partnerschaft, die Inspiration zu sehr erzwingen wollen, verpassen wir sie erst recht.   

Verrücktheit ist ein großes Geschenk 

„Einen größeren Philosophen, einen perfekteren Weggefährten für eine viel beschäftigte Frau hat es nie gegeben“ – vielleicht ist das auch in diesem Sinne gemeint: Der Hund als Philosoph ist der, der Zeit hat, und uns zeigt, wie es ist, Zeit zu haben. Der uns stundenlang sinnierend anschauen kann, der mit uns ziellos und uhrenlos durch den schattigen Wald streift. Der uns das Abenteuer ermöglicht, Nähe zu einem Angehörigen, einer anderen biologischen Art zu empfinden. So viel Nähe, dass die Hand im Eiswasser weniger schmerzt, wenn nur der Hund da ist! So viel Nähe, dass wir Spaß daran haben, ein Konzert anzuhören, das wir nicht hören können! Das ist ein bisschen verrückt, ja. Und was könnte die viel beschäftigte Frau sich für ein besseres Geschenk erhoffen, als ein bisschen Verrücktheit?   

Der Hund als neuer Anfang

In Monika Marons Buch „Endmoränen“ hadert Johanna mit ihrem Leben im wiedervereinigten Deutschland. Sie verbringt den Sommer auf dem Land, um zu schreiben, und um zu sich finden.   “Die Fragen, die sie sich stellt, sind einfach: Was ist eigentlich los? Wie ist es so gekommen? Was soll nun werden? Statt einer rettenden Antwort findet sie auf dem Heimweg einen ausgesetzten zottigen Hund, festgebunden an einer Autobahnraststätte, und nimmt ihn mit“, berichtet Maron über die Geschichte (Monika Maron – wie ich ein Buch nicht schreiben kann und es trotzdem versuche). Die Autorin überlegt später öffentlich, wie dieser Hund wohl das Leben ihrer Hauptfigur verändert hat: „Ich stellte mir vor, dass sie nun, weil sie einen Hund hat, nächtliche Spaziergänge unternimmt, die sie ohne den Schutz des Hundes nicht gewagt hätte, und dass sie dabei andere Menschen kennenlernt und andere Geschichten hört als am Tag.“ (ebd.) Von diesem Gedanken ausgehend, schreibt die Autorin ein neues Buch über Johanna und den gefundenen Hund (Monika Maron, Ach Glück). Das erste Buch endete mit Johannas Gedanken beim Auflesen und Mitnehmen des großen zottigen Hundes: „Ein wunderbarer Anfang“, dachte sie. In meinen Entspannungsübungen für Menschen und Hunde machen wir eine kleine Meditation, achten auf den Atem, schließen die Augen und dann bitte ich die Hundebesitzerinnen, sich an den Moment zu erinnern, als sie ihren Hund zum allerersten Mal gesehen haben. Ich kann mir nicht verkneifen, dann die Augen einen Moment zu öffnen und zuzuschauen, wie ein warmes, breites Lächeln über die Gesichter der Frauen huscht. Bei manchen ist seit diesem wunderbaren Anfang einiges schiefgegangen, aber in diesem Lächeln keimt der Mut, noch einmal neu anzufangen. In diesem Moment. Unsere Hunde sind dabei, und auch das können wir von ihnen lernen: Jeder Tag ist eine neue Geschichte. Eine neue Chance für Anfänge, und für hündische Glücksgefühle. 

„Es klingt vielleicht seltsam, wenn ich es sage“, schreibt die Dichterin Elizabeth von Arnim, „aber genau dies alles: Etwas Sonne auf meinem Gesicht, das Bewusstsein des nahenden Frühlings, und niemand in Sehweite außer einem Hund, genügt noch immer, um mich mit höchstem Glücksgefühl zu erfüllen.“    

Mehr Zeit für uns – wie bekomme ich Hund, Job und Hobby unter einen Hut?

Notiere dir, was für deinen Hund wirklich wichtig ist. Überlege dann, was dir in deiner Beziehung zu deinem Hund wirklich wichtig ist. Alles, was auf keiner der beiden Listen steht, fliegt aus eurem Hunde-Alltag raus. Überprüfe so zum Beispiel, wie viel Training dein Hund wirklich braucht, um gut in dein Leben zu passen. Wie viel Bewegung, wie viel Sport, wie viel Artgenossenkontakt tun ihm gut? Wenn du jeden Abend zur Hundewiese hetzt, nur weil im Erziehungsratgeber stand, Hunde brauchen das, dein Hund aber viel lieber mit dir ganz allein eine halbe Stunde am Bach spielen würde, dann tust du niemandem einen Gefallen und verschwendest deine Energie. Erlaube dir selbst und deinem Hund, Individuen zu sein. Nimm dir die Zeit, deinen eigenen Hund zu entdecken, anstatt das zu tun, was alle tun, oder was in Büchern und Hundeforen steht.   


Hier schreibt das Redaktionsteam der Magazine HundeWelt, Dog’s Avenue, BreederSpecial und HundeWelt-Sport.

Wir gehören zu den Redaktionen der vier Hundemagazine, die im Minerva-Verlag erscheinen. Als passionierte Hundemenschen wissen wir genau, vor welche Herausforderungen uns das Leben mit Hund stellen kann. Egal, ob du mit deinem Hund entspannt gemeinsam leben willst, ihr sportlich aktiv seid, du als Trainer durchstarten willst oder erfolgreich züchten möchtest – wir begleiten dich auf deinem Weg und teilen unsere Erfahrungen mit dir. Also, lasst uns gemeinsam auf eine bellende Entdeckungsreise gehen und das Beste aus jedem Moment mit unseren vierbeinigen Freunden herausholen.

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