Psychologie

„Meine Mutter hat meinen Ex-Mann gehasst – bis er mein Ex war.“

Erzähl mir dein Leben:

„Erzähl mir dein Leben“ ist der Ort, an dem Menschen ihre ganz persönliche Geschichte teilen. Ob große Herausforderungen, kleine Freuden, unerwartete Wendungen oder mutige Entscheidungen – hier findet jede Lebensgeschichte ihren Raum. Durch das Erzählen entdecken wir uns selbst und können auch anderen helfen.

Ein Interview über Manipulation, doppelte Standards und eine Mutter, die die Kontrolle nicht aufgeben will.

Mütter wollen oft das Beste für ihre Kinder. Aber was, wenn ihre Definition von „dem Besten“ bedeutet, dass sie alles und jeden zerstören, der nicht in ihr Bild passt? Was, wenn sie erst jemanden ablehnen, nur um ihn später zu ihrem engsten Verbündeten zu machen – auf Kosten der eigenen Tochter?

Sophie* (Name geändert) hat genau das erlebt. Erst hat ihre Mutter ihren Mann kritisiert, beleidigt und kleingeredet – bis er sie verlassen hat. Plötzlich war sie auf ihrer Seite, machte Pläne, bot Unterstützung an. Doch als Sophie einen neuen Partner fand, drehte sich das Blatt. Jetzt verbringt ihre Mutter Zeit mit ihrem Ex-Mann, lehnt ihren neuen Partner ab – und scheint alles zu tun, um sie ins Chaos zu stürzen.


Sophie, wann hast du gemerkt, dass deine Mutter ein Problem mit deinem Ex-Mann hatte?

Sophie:
Oh, von Anfang an. Sie hat kein Geheimnis daraus gemacht. Sie fand ihn nicht gut genug, nicht ehrgeizig genug, nicht schlank genug – ihr größter Angriff war wohl, als sie ihn mal ein „fettes Schwein“ nannte. Und weißt du, was das Schlimmste war? Sie hat das nicht mal abgestritten. Sie hat es zugegeben – und es dann als „ehrlich gemeinte Kritik“ verkauft. Ich habe jahrelang versucht, zwischen ihnen zu vermitteln, gehofft, dass sie ihn irgendwann akzeptiert. Aber sie hat immer etwas gefunden, woran sie sich stören konnte. Ich glaube, sie wollte einfach nicht, dass ich glücklich mit ihm bin.


Und als er dich verlassen hat?

Sophie:
Da war sie plötzlich auf meiner Seite. Fast ein bisschen zu sehr. Sie wollte mit mir und den Kindern in den Urlaub fahren, hat sich um mich gekümmert, mit mir über Zukunftspläne geredet. Ich dachte: Okay, jetzt, wo ich wieder „frei“ bin, sind wir uns näher. Mein Vater war vor Kurzem gestorben, und ich hatte das Gefühl, dass wir beide uns gegenseitig Halt geben. Sie war ja jetzt auch alleine. Es fühlte sich fast so an, als würde sie mich „zurückhaben“. Aber dann habe ich jemanden kennengelernt. Und als ich ihr sagte, dass ich den Urlaub absage, weil ich mit ihm Zeit verbringen wollte, hat sich alles geändert.


Was genau ist dann passiert?

Sophie:
Von einem Tag auf den anderen war sie anders. Erst war es nur distanziert, dann richtig feindselig. Ich habe gemerkt, dass sie meinem neuen Partner keine Chance geben wollte. Sie hat mich nicht mehr gefragt, wie es mir geht, sondern nur noch abfällige Bemerkungen über ihn gemacht. Und dann kam der absolute Schock: Plötzlich war sie mit meinem Ex-Mann best friends. Die beiden gehen mit den Kindern essen, fahren sich gegenseitig zu Ärzten, reden über mich, als wäre ich nicht mehr Teil dieser Familie. Ich bin fassungslos, ehrlich. Der Mann, den sie jahrelang abgelehnt hat, wird jetzt auf einmal ihr Verbündeter. Und mein neuer Partner? Den behandelt sie genau so, wie sie meinen Ex behandelt hat, als wir noch verheiratet waren.


Warum glaubst du, dass sie sich so verhält?

Sophie:
Ich weiß es nicht genau, aber es fühlt sich an, als wolle sie mich bestrafen. Vielleicht, weil ich nicht mehr so verfügbar für sie bin. Vielleicht, weil sie nicht erträgt, dass ich mir selbst etwas aufbaue – ohne ihren Einfluss. Aber ganz ehrlich? Es fühlt sich an, als würde sie versuchen, meine Familie zu zerstören. Sie verbringt mehr Zeit mit meinem Ex-Mann als ich. Sie gibt ihm die Anerkennung, die sie ihm früher nie gegeben hat. Und gleichzeitig untergräbt sie meinen neuen Partner, als wäre es ihre persönliche Mission.


Hat sie dir gegenüber je offen gesagt, warum sie sich so verhält?

Sophie:
Nein. Wenn ich sie darauf anspreche, tut sie ganz unschuldig. Sie sagt dann sowas wie: „Ach, ich bin doch nur nett zu ihm, weil er ja nun mal der Vater deiner Kinder ist.“ Oder: „Dein neuer Freund wird schon damit klarkommen.“ Aber ich sehe ja, was passiert. Sie baut eine Allianz mit meinem Ex auf – gegen mich. Sie hat mir die Kontrolle über meine eigene Familie entzogen, indem sie sich genau die Person geschnappt hat, die mich verlassen hat.


Weitere Themen:

Was macht das mit dir?

Sophie:
Ich bin wütend. Ich bin verletzt. Ich fühle mich wie eine Schachfigur in ihrem Spiel. Und ich merke, wie sehr es mich beschäftigt – wie es mich daran hindert, meine neue Beziehung einfach zu genießen. Aber gleichzeitig habe ich auch Angst. Weil ich spüre, dass sie mir Dinge wegnimmt. Meine Autorität als Mutter. Meine Freiheit, mein eigenes Leben zu führen. Und vor allem: Meine Sicherheit in meiner eigenen Familie.


Was würdest du ihr am liebsten sagen?

Sophie:
Ich würde ihr gerne sagen, dass ich sehe, was sie tut. Dass ich nicht blind bin für ihr Spiel. Und dass sie nicht das Recht hat, sich so in mein Leben einzumischen. Aber ich weiß nicht, ob es etwas bringen würde. Sie wird es verdrehen, mich als undankbar hinstellen, als überempfindlich. Und ich habe ehrlich gesagt keine Kraft mehr, gegen sie zu kämpfen.

Der Kommentar von Nina, unserem Selbsthilfe-Coach:

„Wie kannst du dich befreien, ohne zur Außenseiterin in deiner eigenen Familie zu werden?“

Sophie, du stehst an einem Punkt, an dem du merkst, dass du die Kontrolle über dein eigenes Leben verloren hast. Deine Mutter hat sich zwischen dich und deine Familie geschoben, nicht weil sie Recht hat, sondern weil sie es kann. Und weil du es ihr erlaubt hast. Das tut weh. Aber du bist nicht machtlos.

Es fühlt sich so an, als würde sie deine Familie gegen dich wenden. Als hätte sie deinen Ex-Mann auf ihre Seite gezogen und würde jetzt alles daransetzen, dich in die Defensive zu drängen. Doch du kannst dich nicht befreien, indem du versuchst, ihr Spiel mitzuspielen. Sie will, dass du dich rechtfertigst, dass du dich klein fühlst, dass du wütend wirst – damit sie am Ende sagen kann: „Schau, wie schwierig du bist.“ Aber du hast eine andere Möglichkeit.

Der erste Schritt ist, aufzuhören, ihre Anerkennung zu suchen. Das ist wahrscheinlich das Schwierigste für dich, denn du warst immer das „Papakind“. Jetzt, wo dein Vater nicht mehr da ist, spürst du, dass du in ihrer Welt nicht mehr auf der richtigen Seite stehst. Das macht dich unsicher. Doch du musst verstehen: Du brauchst ihre Bestätigung nicht mehr. Es bedeutet nicht, dass du den Kontakt abbrechen musst. Aber du solltest nicht mehr zulassen, dass sie bestimmt, ob dein Leben funktioniert oder nicht.

Dann musst du klare Grenzen setzen – ohne Drama. Grenzen bedeuten nicht, dass du ihr Vorwürfe machst. Sie würde es ohnehin verdrehen. Aber du kannst ihr ruhig sagen: „Mama, ich sehe, dass du eine enge Beziehung zu meinem Ex hast. Das ist deine Entscheidung. Aber ich werde mich nicht mehr in diese Dynamik verwickeln lassen. Ich wünsche mir, dass du meinen Partner respektierst – so wie du jetzt meinen Ex respektierst. Wenn du das nicht kannst, dann werden unsere Treffen eben kürzer sein.“ Sag es einmal, sag es ruhig – und dann wiederhole es nicht. Sie wird versuchen, dich aus der Reserve zu locken. Sie wird dich provozieren, um dich in ihre Kontrolle zurückzuholen. Bleib ruhig. Wiederhole deinen Standpunkt. Lass dich nicht provozieren.

Es mag wehtun, dass sie mit deinem Ex-Mann essen geht, sich mit ihm verbrüdert und vielleicht sogar gegen dich spricht. Aber du solltest dich nicht darauf konzentrieren, was sie mit ihm macht – sondern auf deine Beziehung zu deinen Kindern. Sie kann sich als „Verbündete“ deines Ex präsentieren, aber sie ist nicht ihre Mutter. Langfristig orientieren sich Kinder nicht an der Person, die das größte Drama macht, sondern an der Person, die verlässlich bleibt. Sie werden sehen, wer wirklich für sie da ist.

Und was deinen Ex-Mann betrifft – lass ihn. Du könntest ihn zur Rede stellen, ihn fragen, ob er überhaupt merkt, was hier passiert. Aber du kannst ihn nicht ändern. Vielleicht genießt er es, plötzlich die Anerkennung zu bekommen, die sie ihm früher verweigert hat. Vielleicht fühlt er sich endlich wichtig. Aber du musst sein Spiel nicht mitspielen. Mach ihm klar, dass eure Kommunikation sich auf das Wesentliche beschränken wird: die Kinder. Und dann lass ihn ziehen. Dein neuer Partner braucht dich jetzt – nicht deinen Kampf mit deiner Mutter. Er spürt, dass er von ihr genauso behandelt wird, wie dein Ex früher behandelt wurde. Und wahrscheinlich fragt er sich, was das für eure Beziehung bedeutet. Er braucht dich als klare, erwachsene Frau, die sagt: „Ich sehe, was passiert, aber ich werde es nicht in unsere Beziehung tragen.“

Und schließlich kommt der schwerste Schritt: Akzeptiere, dass du deine Mutter nicht ändern wirst. Sie wird ihre Spielchen weiterspielen, solange sie merkt, dass sie damit Erfolg hat. Sie wird versuchen, dich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Aber du kannst entscheiden, ob du darauf reagierst – oder ob du stehen bleibst. Das ist deine Chance, endlich diejenige zu sein, die die Regeln in ihrem eigenen Leben bestimmt. Nicht deine Mutter. Nicht dein Ex. Nicht deine Angst, Außenseiterin zu werden. Sondern du.

Es wird Momente geben, in denen du zweifelst. In denen du dir wünschst, dass sie sich ändert, dass sie sich entschuldigt, dass sie endlich versteht, was sie dir antut. Aber das wird nicht passieren. Sie wird erst dann aufhören, dich zu kontrollieren, wenn du ihr zeigst, dass du nicht mehr mitspielst.

Und wenn das passiert, wirst du merken, dass du längst nicht mehr das kleine Mädchen bist, das um Anerkennung kämpft. Sondern eine Frau, die sich selbst gehört.

Deine Geschichte ist es wert, erzählt zu werden. Egal, ob du selbst schreibst oder liest – „Erzähl mir dein Leben“ verbindet uns alle durch das, was uns am meisten ausmacht: unsere Erfahrungen. Du möchtest deine Geschichte erzählen? Dann schreib uns eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.

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