„Me-Time“ am Sonntag
Mein Leben mit MS:
Hallo und herzlich willkommen bei MS-Voices! Ich bin Irene, und hier dreht sich alles um das Leben mit Multipler Sklerose (MS). Als ich vor einigen Jahren die Diagnose erhielt, hat sich mein Alltag auf den Kopf gestellt – und ich war plötzlich mit unzähligen Fragen, Ängsten und Herausforderungen konfrontiert. In diesem Blog möchte ich meine persönlichen Erfahrungen mit euch teilen und Menschen eine Stimme geben, die unter MS leiden. Wie ist das wirklich, mit MS zu leben? Wie verändert es den Alltag, die Beziehungen und die Zukunftsplanung? Hier gibt es ehrliche Einblicke, praktische Tipps und die ein oder andere Anekdote aus meinem Leben – direkt aus dem Herzen einer Betroffenen.
Einfach mal Zeit für mich
Gestern war Sonntag. Mein schreibfreier Tag. Nach dem doofen Tag am Samstag, habe ich den gestrigen Sonntag zu einem guten Tag für mich gemacht. „Me Time“, wie es heutzutage so schön heißt. Ich bin etwas länger im Bett geblieben und habe anschließend für etwas „Spa“ im Bad gesorgt. Eine Badewanne habe ich leider nicht, aber da würde ich wahrscheinlich auch ohne Hilfe weder rein noch raus kommen. So habe ich ausgiebig geduscht, den sündhaft teuren Duschschaum benutzt, dessen Geruch nach Süßorange und Zedernholz mich eingehüllt hat. Anschließend die dazu passende Körperbutter. Ich habe mich danach einfach fantastisch gefühlt! Und meine immerhin doch nun schon 57 Jahre zählende Haut war sowas von zart… Ein Träumchen!
Durch das Kortison leidet die Haut
Aber das war fast nichts gegen dieses Gesichtsserum, das ich als Probe von meiner Lieblings-Beraterin der Parfümerie meiner Wahl bekommen habe. Ein sogenanntes Double-Serum, 95 % natürliche Inhaltsstoffe, eine Kombination von 22 leistungsstarken Pflanzenextrakten (darunter das Kurkuma-Extrakt, mit 5 neuen , reinen Wirkstoffmolekülen, um 5 lebenswichtige Hautfunktionen zu stimulieren. Anwendungsbereich: 20+. Leute… Davon abgesehen, dass dieses Zeug für einen Normalverbraucher unerschwinglich ist (und das erst recht für die Generation 20+ – brauchen die jungen Hüpfer wirklich schon Anti-Aging-Seren?), das Zeug ist der Hammer! Mit 57 hat man nun ja doch schon das ein oder andere Fältchen im Gesicht. Aber die waren weg! Ein so tolles Gefühl auf der Haut, die sogar den ganzen Tag versorgt war. Glatt, sichtbar verkleinerte Poren. Einfach toll! Durch meine ganzen Medikamente und das viele Kortison, das ich mit den Stoß-Therapien während diverser Schübe bekommen habe, hat meine Haut doch schon ziemlich gelitten. Regelrecht dünn und trocken ist sie geworden. Und jaaa… Das hat natürlich auch mit dem Alter zu tun; das ist mir durchaus bewusst. Allerdings habe ich da gestern nichts mehr von gesehen. Was für ein Teufelszeug 😉! Aber dieses Zeug hat auch seinen Preis: 30 ml für € 103,00. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wer soll sich das denn leisten können? Ich? Mit meiner Erwerbsminderungsrente? Unmöglich! Also, wie so Vieles, nur etwas für die Reichen. Ich gönne es ihnen und freue mich darüber, dass ich mein Gesicht gestern echt schön fand.
Wann habt ihr das letzte Mal einfach mal nichts gemacht?
Mehr oder weniger anschließend bin ich dann, mit einem Kaffee, einem geschmierten Brötchen und mit dem Sonntags-Käseblatt bewaffnet, raus auf den Balkon. Das Wetter war so schön! Und ich habe es wirklich genossen. Die Zeitung gelesen, in den Prospekten gestöbert, Kaffee getrunken (nicht nur einen) und sonst: Nichts. Gar nichts. Löcher in den blauen Himmel geguckt, die dieses Mal positiven Gedanken schweifen lassen, Tagträume gehabt, die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Aber sonst? Nichts! Und ich hatte sowas von NULL schlechtes Gewissen. Warum auch? Ich habe es verdient, auch solche Tage haben zu dürfen; da lasse ich mir von niemandem ein schlechtes Gewissen einreden. Als es dann später nicht mehr so schön draußen war bin ich rein und habe gelesen. Okay, das war jetzt kein Wohlfühlroman sondern das Buch „Verkörperter Schrecken“ von Bessel van der Kolk. Thema: Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann. Ich wage es zu bezweifeln, dass man die schwere PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) eines ehemaligen Soldaten, wie mein Jens es war, wirklich heilen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Bilder, Gerüche und Geräusche im Kopf, die immer wieder Flashbacks auslösen, wirklich heilen kann. Aber ich möchte verstehen, was da in meinem Jens vorgeht und wie ich ihn vielleicht mehr unterstützen kann. Und der Autor dieses Buches hat in Amerika beinahe ausschließlich mit Kriegsveteranen gearbeitet. Ich denke, wenn einer weiß, wie es gehen kann und könnte, dann ist er es. Ich habe ein gutes Gefühl beim Lesen. Kein Hokuspokus. Ein Trauma-Therapeut, der seit über 30 Jahren in den Bereichen der Forschung und der klinischen Praxis an vorderster Front aktiv ist. Der Ausdruck „an vorderster Front“ ist ziemlich bezeichnend in diesem Zusammenhang. Das Buch ist eine Neuerscheinung und unterscheidet sich deutlich zu allem, was ich bisher zu dem Thema gelesen habe. Ich hatte mehr als einen „Aha!-Moment“ in den zwei Stunden, die ich gelesen habe.
Mein Heimkino-Abend – nur für mich alleine
Gegen Abend habe ich dann die Teelichter in ein paar Windlichtern angezündet und es mir auf der Couch bequem gemacht, Dank diverser Streamingdienste habe ich mich für den Film „Australia“ entschieden mit Nicole Kidman und Hugh Jackman . Ich muss ja schon zugeben: der Typ ist echt ein ziemliches Schnuckelchen 😉. Kommt aber bei Weitem nicht an meinen Jens ran. Er ist, für mich, der schönste Mann überhaupt! Ich habe diesen Film zwar bestimmt schon fünf oder sechsmal gesehen, aber ich träume nun mal davon, einmal in meinem Leben diesen Kontinent zu besuchen. Und das ist ein Traum, den ich seit meiner Jugend träume. Und dieser Traum könnte tatsächlich irgendwann mal wahr werden. Die Tochter von Jens lebt dort. Genau zwischen Sydney und Melbourne, allerdings ein paar Stunden entfernt im Landesinneren. Entfernungen sind ja, gerade in Australien, relativ.
MS und Hitze sind keine Freunde
Theoretisch komme ich durch meine Diagnose mit Hitze nicht klar, was sich in den hiesigen, heißen Sommern durch das Uhthoff-Phänomen äußert und mir in dieser Zeit schwer zu schaffen macht. Aber ich lasse mir doch von diesem Mist meinen Traum nicht versauen. Ich denke ja gar nicht dran! Außerdem gibt es im Inneren dieser Farm Klimaanlagen. Und draußen? Ist mir egal. Wird schon irgendwie funktionieren. Und wenn nicht: Melbourne ist nicht so weit, wenn mal eine Klinik vonnöten sein sollte. Die Australier sind führend in der Multiple Sklerose (Er)Forschung. Da bin ich dann sozusagen an der Quelle.
Giftige Tiere? Schlangen? Spinnen? Skorpione? Die halten mich alle nicht ab. Achtsam durch die Gegend laufen, Schuhe nicht offen draußen stehen lassen (und bevor man wieder rein steigt unbedingt nachgucken!), bevor man auf die Toilette geht unbedingt vorher unter die Brille sehen (da verstecken sich gerne die fiesen Spinnen); ich denke, wir werden „Verhaltensregeln“ von der Familie und den auf der Farm lebenden und arbeitenden Menschen bekommen. Übrigens, zu dem Thema gibt es (m)einen Podcast, den ich für „Tierisch Gut – Der Podcast für alle Tierfreunde“ gemacht habe. Titel: Der Reptilienzoo des Thomas Lücke. Gehört zu meinen Lieblingspodcasts, wenn ich das hier so sagen darf. Es ist unfassbar, welches Wissen dieser Mensch zu all diesen giftigen Tieren hat! Ich glaube, den höre ich mir gleich selbst nochmal an: https://good4pets.de/community/podcast/.
Aber gut; ich bin abgeschweift. Mit dem Film, und der dazugehörigen Portion Romantik, war dann meine „Me-Time“ des gestrigen Tage zu Ende. Das hat mir wirklich gut getan. Wer weiß, was mich in dieser Woche wieder erwartet. Aber ich nehme die guten Vibes mit hinein und das sorgt sicher für einen guten Start. Am Donnerstag ist Feiertag (3. Oktober); so wird es eine recht kurze, und ich denke und hoffe mal, eine recht ruhige Woche für mich.
Was das alles mit meiner Diagnose MS zu tun hat?
Nichts. Und gleichzeitig alles. Es ist wichtig, auch mal an sich zu denken und an nichts anderes. Dazu gehört auch die Diagnose, und die Kämpfchen, die durchaus zu kämpfen sind, mal ganz außen vor zu lassen. Aber durch diese „Me-Time“, in der ich einfach mal auf „Genießen“ schalte, sammle ich Kraft und Energie. Zumindest für eine Weile. Und nur das zählt. Die schönen und guten Momente; am liebsten mit meinem Herzensmann, oder anderen Menschen, die einem gut tun.
Was machst du für dich? Wie und mit wem schaltest du ab?
Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, diesen Beitrag zu lesen! Ich hoffe, dass meine Erfahrungen dir ein Stück Klarheit oder Ermutigung schenken konnten. Als ich die Diagnose MS bekam, fühlte ich mich oft allein und überfordert. Genau deshalb habe ich ein Buch geschrieben, das ich selbst damals so dringend gebraucht hätte. „Spring, damit du fliegen kannst.: Ein Selbsthilfe-Ratgeber für MS-Erkrankte und ihre Angehörigen.“ Es ist bei Minerva-Vision erschienen. Wenn du Interesse hast, schau es dir gerne an – vielleicht ist es genau das, was auch dir weiterhelfen kann. Oder hör dir meinen Podcast „MS-Voices“ an. Bis zum nächsten Mal!
Du hast auch MS und möchtest mit mir in meinem Podcast darüber sprechen? Dann schreib mir eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.