Psychologie

„Ich würde ja gern die Welt retten – aber bitte ohne großen Aufwand“


Warum wir nachhaltiger leben wollen, es aber nicht immer tun – und was das mit Aufwand und To-Go-Bechern zu tun hat.

Du willst nachhaltiger leben?
Weniger Müll, weniger Fleisch, weniger CO₂ – mehr Bewusstsein, mehr Zukunft, mehr gutes Gefühl?

Glückwunsch! Damit bist du nicht allein.
Laut einem Studierenden-Projekt der Uni Hohenheim sagen viele Menschen: „Ich will die Welt besser machen.“
Nur… zwischen wollen und tun liegt oft ein riesiger Bio-Berg.
Und der nennt sich: Aufwand.


Suffi… was?

Das Zauberwort der Forschung heißt Suffizienz.
Kommt aus dem Lateinischen, bedeutet sinngemäß: „Es reicht.“
Also: Nicht mehr konsumieren als nötig – aber auch nicht weniger leben als nötig.

Oder wie Jun.-Prof. Dr. Laura Henn es beschreibt:

„Suffizient leben heißt: bewusst handeln, ohne dabei an Lebensqualität zu verlieren.“

Heißt übersetzt: Gutes Leben – mit weniger.


Klingt super! Aber klappt’s auch im Alltag?

Das haben sich die Hohenheimer Studierenden gefragt – und gleich selbst untersucht.
In Kleingruppen, mit echten Menschen, echten Fragen und manchmal auch: ernüchternden Antworten.

Ein Ergebnis:
Je geringer der Aufwand, desto eher machen die Leute mit.

Ein Beispiel: Unverpacktläden.
Tolle Idee, oder? Kaum Plastik, viel Gefühl.
Aber: Man muss vorher planen.
Man braucht Gefäße.
Und man darf nicht spontan sein.

Deshalb kaufen dort besonders motivierte Menschen mit hoher Suffizienz-Einstellung ein – und auch eher: junge Familien.
Die wissen eh, wie Planung funktioniert.


Foodsharing – klingt gut, macht aber Mühe

Ähnlich beim Thema Lebensmittelverschwendung:
Wer seine Reste aufisst, plant besser.
Und wer sich beim Foodsharing engagiert, braucht vor allem eins:
Zeit und Durchhaltevermögen.

Apps installieren, Abholorte koordinieren, Uhrzeiten einhalten –
alles nichts für Menschen, die nebenbei nur „mal eben nachhaltig sein“ wollen.


Weitere Themen:


Und wie steht’s mit Möbeln?

Auch hier zeigt sich: Suffizienz lebt länger.
Menschen, die bewusster konsumieren, kaufen seltener neue Möbel –
sie reparieren, recyceln oder nutzen Second-Hand.

Klingt gut, funktioniert – aber auch hier gilt:
Je einfacher es ist, desto eher wird’s gemacht.


Nachhaltigkeit? Gerne. Aber bitte nicht auf Partys!

Wirklich spannend wird’s bei den Schwachstellen:
To-Go-Becher. Und Partys.

Die Studierenden fanden heraus:
Auch Menschen mit hoher Suffizienz-Einstellung greifen unterwegs gern zum Einwegbecher –
und auf Partys wird der Nachhaltigkeitsgedanke gern mal weggeschunkelt.

Marie Fankhänel bringt es auf den Punkt:

„Partys sind kein klassisches Nachhaltigkeitsthema – selbst für Menschen, denen es sonst wichtig ist.“

Oder wie ich’s sagen würde:
Der ökologische Fußabdruck ist im Club oft schwer zu erkennen – vor allem im Schwarzlicht.


Und was ist mit dem Fliegen?

Auch hier: Widerspruch zwischen Haltung und Handlung.
Viele Menschen sagen: „Ich bin gegen Flugreisen.“
Und sitzen dann trotzdem im Billigflieger nach Barcelona.

Warum?
Weil Reiseziele, Sehnsucht und Social Media-Posts oft mehr wiegen als CO₂-Werte.

Dr. Henn sagt:

„Der Verzicht aufs Fliegen steht häufig im Konflikt mit anderen Lebenszielen.“


Was nehmen wir mit?

Wir sind nicht inkonsequent, weil wir schlechte Menschen sind.
Sondern weil gute Absichten oft an der Alltagsrealität zerschellen.

Aber: Je leichter wir’s Menschen machen, bewusst zu leben, desto eher tun sie es auch.

Oder wie Dr. Henn sagt:

„Suffizientes Verhalten wird wahrscheinlicher, wenn Infrastruktur und Politik es unterstützen.“

Oder wie ich’s sagen würde:

Wenn du willst, dass Menschen öfter zu Fuß gehen, dann bau Wege – nicht Hürden.


Was heißt das für dich?

  1. Du musst nicht perfekt nachhaltig sein.
    Fang da an, wo’s für dich machbar ist.
  2. Erkenne deine eigene Bequemlichkeit – aber verurteile sie nicht.
    Du bist Mensch, kein Ökobot.
  3. Verzicht ist kein Mangel – sondern oft nur ein Perspektivwechsel.

Denn: Es ist nicht die eine große Heldentat, die die Welt verändert.
Sondern die kleinen Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen.

Beim Einkaufen. Beim Fliegen. Beim To-Go-Kaffee.
Und vielleicht auch bei der nächsten Party.




Hier schreibt Jonas Weber vom Minerva-Vision-Team. Mit einer Mischung aus fundierter Forschung und einer Portion Humor vermittelt er komplexe Themen verständlich und unterhaltsam.Wenn er nicht gerade über die neuesten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung schreibt, findet man ihn bei einem guten Espresso, auf der Suche nach dem perfekten Wortspiel oder beim Diskutieren über die großen Fragen des Lebens – zum Beispiel, warum man sich an peinliche Momente von vor zehn Jahren noch glasklar erinnert, aber nicht daran, wo man den Autoschlüssel hingelegt hat.


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