Gesundheit

Für alle, die schlecht laufen können.

Eine computergesteuerte Orthese bringt Lahme wieder auf die Beine. Erste Versicherungen übernehmen die Kosten. Das interessiert mich besonders, weil meine 79-jährige Schwiegermutter gehbehindert ist. Könnte das eine Lösung sein? 

Die Nachricht klingt vielversprechend, als sie auf meinem Schreibtisch landet. Wenn es stimmt, ist es eine gute Nachricht für Menschen mit Gehbehinderungen. Eine neue Beinorthese soll ein völlig neues Lebensgefühl vermitteln. Sie bietet Menschen mit einer Beinlähmung mehr Sicherheit und Mobilität, sagen Forscher aus den USA und der EU. Sie haben vor kurzem ihre Ergebnisse mit der neuen Orthese ausgetauscht und die Erfolge sind beeindruckend. Spannend, da will ich mehr wissen. Und bevor jemand fragt: der Beitrag ist nicht gesponsort, wir kriegen kein Geld dafür.

Was ist das C-Brace?

Das Ding muss ja einen Namen haben. Das „C-Brace“ ist die erste mikroprozessorgesteuerte Orthese, die sowohl die Stand- als auch die Schwungphase des Gehens kontrolliert. Sie wurde speziell für Menschen entwickelt, die an einer Lähmung der unteren Extremitäten leiden. Diese Menschen haben oft Schwierigkeiten, sicher und stabil zu gehen, was ihre Lebensqualität stark beeinträchtigt. 

Ich kenne das nur zu gut. 

Meine Schwiegermutter hat eine schiefe Hüfte. Wahrscheinlich schon seit ihrer Kindheit. Die harte Arbeit in der Landwirtschaft tat das ihre dazu und heute kann sie kaum laufen. Im Grunde genommen müsste sie in den Rollstuhl, weil sie nicht sicher geht. Aber das will sie nicht. Sie hat Angst davor, „was die Leute dann denken“. So humpelt sie mit einer Krücke durchs Leben und belastet ein Bein mehr als das andere. Das Bein hat jetzt Arthrose im Knie. Die Orthese mag sie nicht tragen, weil sie damit noch unsicherer geht. Vor allem beim Ein- und Aussteigen oder wenn sie in der Arztpraxis eine Stufe überwinden muss, kann sie sich nur schwer bewegen. Das ist lästig, das verstehe ich. Ob das C-Brace ein echter Game-Changer sein könnte, wurde auf einem Symposium diskutiert, das Prof. Dr. med. Dipl. oec. Bernhard Greitemann, Ärztlicher Direktor und Cheforthopäde der Rehaklinik Münsterland in Bad Rothenfelde, moderierte. 

Was macht das C-Brace so besonders?

Eine der größten Herausforderungen für Menschen mit einer Beinlähmung ist die Sturzgefahr. Die bekannten Orthesen stabilisieren zwar das Gelenk, aber gerade auf unebenem Gelände, Steigungen und Treppen können Betroffene schnell ins Stolpern geraten. Die Studie zeigt, dass die C-Brace das Sturzrisiko deutlich reduziert. Im Vergleich zu herkömmlichen Orthesen (KAFOs) reduzierte das C-Brace die Anzahl der Stürze um beeindruckende 78%. Das bedeutet, dass die Betroffenen sicherer durch den Alltag gehen können, ohne ständig Angst vor einem Sturz haben zu müssen. Ich verstehe sofort, was das für meine Schwiegermutter bedeutet.

Erhöhte Mobilität

Mit der C-Brace können Menschen nicht nur sicherer, sondern auch besser gehen. Mit dem Bus fahren, alleine zum Friseur gehen, ohne Angst zu haben, hinzufallen. Für jemanden wie meine Schwiegermutter, die ständig Angst hat zu fallen, wäre das mehr Lebensqualität. Denn nicht nur das Fallen ist für sie ein Problem, sondern auch das Aufstehen. Neulich ist sie im Garten gestürzt, als sie Unkraut zupfen wollte. „Nur ein paar Halme.“ Wie ein Käfer auf dem Rücken lag sie da, bestimmt 15 Minuten. Dann bemerkte mein Schwiegervater, dass sie weg war. Er fand sie im Garten, hilflos auf der Seite liegend, unfähig, mit der starren Orthese wieder auf die Beine zu kommen. Diese Momente der Hilflosigkeit lähmen sie und führen dazu, dass sie sich mehr und  mehr zurückzieht. Die Studie zeigt, dass die C-Brace die Gehfähigkeit, das Treppensteigen und die allgemeine Funktionalität der Beine deutlich verbessert. Das bedeutet, dass die Betroffenen wieder aktiv am Leben teilnehmen können, sei es beim Einkaufen, bei der Arbeit oder bei Freizeitaktivitäten.

Mehr Lebensqualität

Es gibt eine Live-Demonstration. Studienteilnehmer Wolfang leidet am Post-Polio-Syndrom und hat das C-Brace getestet. Er demonstriert Sitz-Steh-Einheiten mit seiner alten Orthese und dem C-Brace. „Mit meinem C-Brace ist es eine andere Welt. Ich fühle mich nicht mehr eingeschränkt. Ich kann alles machen, was ich will“, sagt er. Die Krankenkassen sind überzeugt. Von den sieben Göttinger Teilnehmern haben bereits sechs die Kostenübernahme für ihr C-Brace erhalten. Ich merke, dass ich interessiert bin. 

Wer profitiert vom C-Brace?

Besonders hilfreich ist das C-Brace für Menschen mit einseitiger Lähmung, die ein erhöhtes Sturzrisiko haben. Auch Menschen mit leichter oder keiner Spastik und ohne schwere Fehlstellung der Beine können vom C-Brace profitieren. Es hilft ihnen, ihr Gleichgewicht zu verbessern und wieder sicher und selbstständig zu gehen. 

Gibt es eine Chance, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt? 

Laut Neuroreha-Spezialistin Dr. Bea Hemmen vom Adelante Rehabilitation Center in Hoensbroek, NL sind folgende Auswahlkriterien vielversprechend:

  • Einseitige Lähmung oder Einschränkung (unilaterale Parese / Lähmung der unteren Extremität mit erhöhtem Sturzrisiko)
  • Mäßige oder keine Spastik
  • Keine schwere Varus-/Valgusfehlstellung
  • Knie- und/oder Hüftbeugungskontraktur <10
  • Ausreichende Kraft der Hüftstrecker und -beuger für ein kontrolliertes Schwingen der Extremität

Dies ist eine medizinische Liste, die mit dem Orthopäden besprochen werden muss. Ich habe schon einen Termin für meine Schwiegermutter gemacht. Ich bin kein Arzt und weiß nicht, wie sie ihre Knie oder Hüften beugt und ob sie die Kriterien für das C-Brace erfüllt. Aber das lässt sich ja herausfinden. Laut Dr. Hemmen könnte das C-Brace für Patienten mit diesen Merkmalen eine lebensverändernde Wirkung haben. Die Frau hat ihr Leben lang in die Krankenkasse eingezahlt und wirklich hart gearbeitet. Und wenn es etwas gibt, was ihr im Alter Freude und Glück bereitet, sollte sie es haben. Ich würde mich freuen, wenn es ihr damit besser ginge. 

Mein Fazit

Für jemanden, der von einer Beinlähmung betroffen ist, könnte das C-Brace genau das Richtige sein, um ein besseres und sichereres Leben zu führen. Die Zukunft der Mobilität ist da – und sie ist besser als je zuvor.

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