Gesundheit

Es ist ein Ringen um die Ewigkeit

Verseucht die chemische Industrie unsere Erde, und keiner merkt`s?

Es geht um PFAS – per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Diese Stoffe haben wir alle im Alltag: in unseren Regenjacken, Antihaftpfannen und Medizingeräten. Doch was so praktisch klingt, hat eine dunkle Seite: PFAS sind „Ewigkeitschemikalien“. Einmal freigesetzt, bleiben sie über Jahrzehnte in der Umwelt. Einige von ihnen stehen sogar im Verdacht, Krebs zu verursachen und unser Hormonsystem zu stören.

Warum brauchen wir sie?

PFAS werden in Beschichtungen verwendet, um sie schmutz-, öl- und wasserabweisend zu machen. Dazu gehört Backpapier, Pfannen, Raclette-Grills, Waffeleisen, Zahnseide, Regenjacken, Imprägnierungsmittel. Wir finden sie auch in einer ganzen Reihe an Kinderprodukten wie Kinderwägen, in Autositzen und Polstermöbeln. Dein Sofa hat einen schmutzabweisenden Bezug? Die Wahrscheinlichkeit, dass du dir jeden Abend eine gute Dosis PFAS gönnst, ist hoch. Sie machen das Leben einfacher und sauberer – aber nur an der Oberfläche. Was passiert mit unserer Erde, unseren Körpern, unseren Zellen und unseren Kindern? Was tun wir uns da an? Kürzlich fanden Forscher der Emory University Ewigkeitschemikalien bei Neugeborenen. „Wenn Babys geboren werden, würden wir sie alle gerne als unbeschriebenes Blatt betrachten, das noch nicht von den negativen und beängstigenden Dingen der Welt beeinflusst wurde. Aber in dieser Studie haben wir festgestellt, dass die Babys bereits vor ihrer Geburt ‚ewigen Chemikalien‘ ausgesetzt waren“, sagt Donghai Liang, PhD, Assistenzprofessor für Umweltgesundheit. „PFAS-Belastungen können zu schlimmeren gesundheitlichen Auswirkungen führen“. Sie stören auch die gesunde Kindesentwicklung. Besonders das Hormonsystem scheint betroffen – deshalb erhöht eine PFAS-Belastung auch das Risiko von Frühgeburten.

Doch warum ist es so schwierig, diese Substanzen zu verbieten?

Recherchen von NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung werfen ein Schlaglicht auf die Macht der Chemie-Lobby. „Wir alle tragen sie in uns“, sagen Wissenschaftler über PFAS, deshalb können sie doch so schlimm nicht sein. Das Problem ist: genau die robusten Eigenschaften, die wir an den Stoffen so lieben, machen sie auch so schwer abzubauen: Sie sind nämlich wasser- und schmutzabweisend, hitze- und chemikalienbeständig. In Regionen, in denen PFAS hergestellt werden, zeigen sich die Folgen deutlich. In Belgien beispielsweise empfiehlt die Regierung, keine Eier von eigenen Hühnern zu essen, wenn man in der Nähe einer Chemiefabrik lebt. Da läuft es einem doch kalt den Rücken herunter.

Deutschland hat mit einigen anderen Ländern einen Vorschlag eingebracht, die Nutzung von PFAS drastisch zu beschränken. Und das ist auch vernünftig und ganz im Interesse von uns allen. Und unserer Erde, auf der unsere Kinder leben und eigene Kinder aufziehen sollen. Doch die Chemiebranche schlägt zurück. Ihre Lobbyisten sprechen von „Polymers of Low Concern“ – angeblich ungefährliche Stoffe. Doch dieses Argument basiert auf veralteten und teils widerlegten Studien. Die OECD, auf die sich die Industrie beruft, hat inzwischen klargestellt, dass sie solche Stoffe nie als unbedenklich eingestuft hat. Und nun beginnt das Spiel, das wir heute leider zu oft kennen: Man wiederholt ein falsches Argument so lange, bis alle es einmal gehört haben. Es ist wie eine Massen-Hypnose und wir können nur sagen: Menschen, wacht auf. Lasst euch das nicht gefallen.

Lobbyisten und die Politik

Trotz der offensichtlichen Risiken klingen die Aussagen der Politik wie ein Echo der Lobby. In einer internen Vorlage, die Reporter einsehen konnten, bezeichnete ein deutsches Ministerium Fluorpolymere – eine zentrale Gruppe der PFAS – als wenig besorgniserregend. Warum? Offiziell heißt es, man habe sich auf Äußerungen der OECD gestützt. Doch genau diese Organisation widerspricht. Es bleibt unklar, warum solche Argumente immer wieder herangezogen werden.

Die Entscheidung, PFAS umfassend zu regulieren, hätte weitreichende Konsequenzen. Die Industrie argumentiert, dass ohne diese Stoffe wichtige Technologien – von der Medizintechnik bis zur Energiewirtschaft – nicht weiterentwickelt werden könnten. Doch Kritiker wie der Forscher Martin Scheringer von der ETH Zürich sehen das anders.

Wie geht es weiter?

Die Debatte um PFAS zeigt, wie schwer es ist, Umwelt- und Gesundheitsinteressen gegen wirtschaftliche Macht durchzusetzen. Der Lobbydruck ist immens: Allein die europäische Chemikalienagentur erhielt 70.000 Seiten an Eingaben – viele davon mit irreführenden oder falschen Angaben. Und die Politik gerät in Gefahr, diesen Argumenten zu erliegen.

Doch es gibt Hoffnung. In der Öffentlichkeit wächst das Bewusstsein für die Gefahren von PFAS. Der Druck auf Unternehmen und Politik steigt, echte Alternativen zu entwickeln und die Risiken ernst zu nehmen. Der Kampf gegen die „Ewigkeitschemikalien“ wird ein Marathon, kein Sprint. Aber er ist machbar – mit einem langen Atem und einer klaren Vision für eine nachhaltigere Zukunft.

Was wir tun können

Wir haben eine Stimme und wir können sie nutzen. Denn eines ist sicher: PFAS verschwinden nicht von selbst – es liegt an uns, sie zu bekämpfen. Wer davon träumt, später auf dem Land zu leben, eigene Hühner zu halten und jeden Morgen ein weichgekochtes, frisches Frühstücksei zu essen, sollte in Zukunft auf alle Arten von „Ewigkeitschemikalien“ verzichten. Werden sie nicht mehr gekauft, dann erledigt sich die Produktion ganz schnell von alleine. Zertifikate wie „Blauer Engel“ oder „Phas-Frei“ garantieren, dass die Produkte unbelastet sind.

Hotspots in Deutschland: Orte mit hoher PFAS-Belastung

Belastete Orte, sogenannte „Hotspots“, gibt es in Deutschland an verschiedenen Stellen, besonders dort, wo fluorierte Löschschäume oder industrielle Chemikalien im Einsatz waren. Beispiele sind Flughäfen, Truppenübungsplätze oder Produktionsstandorte. Hier ein Überblick über die wichtigsten bekannten Hotspots, über die das Umwelt-Bundesamt auf seinen Seiten informierit:

Möhnetalsperre, Nordrhein-Westfalen

Der erste PFAS-Fall in Deutschland wurde 2006 bekannt. In der als Trinkwasserspeicher genutzen Möhnetalsperre wurden hohe PFAS-Konzentrationen gemessen. Man vermutet als Ursache kontaminierte Düngemittel. Die Bevölkerung von Arnsberg wurde so unwissentlich und vermutlich über Jahre hinweg mit PFAS-kontaminiertem Trinkwasser versorgt. Maßnahmen zur Wasseraufbereitung und Bodensanierung laufen seither. Fische aus der Ruhr unterliegen Verzehrempfehlungen.

Gendorf/Altötting, Bayern

Ein Industriebetrieb nutzte über Jahre PFOA zur Herstellung von Fluorpolymeren. Durch die Abluft gelangte der Stoff in die Umwelt und verseuchte die Böden großflächig. Später gelangte er ins Grundwasser, das auch zur Trinkwassergewinnung genutzt wurde. Eine Studie zeigte 2018 erhöhte PFOA-Werte im Blut der Bewohner von Altötting. Das Trinkwasser wird heute aufwendig aufbereitet um die Schadstoffe zu minimiere, eine Bodensanierung ist nicht möglich. Statt PFOA wird nun ADONA eingesetzt – ein weiterer PFAS-Stoff. Und auch der Stoff wurde bereits in der Umwelt nachgewiesen.

Rastatt, Baden-Württemberg

In Rastatt sind ca. 1200 Hektar Ackerfläche mit PFAS belastet, niemand weiß, warum. Man vermutet als Ursache Düngemittel. Über Jahre sickerte so PFAS über den Boden in das Trinkwasser. Die Belastung wurde herausgefunden, weil ein Wasserversorger das Trinkwasser freiwillig auf PFAS untersuchte. Der Spargel- und Erdbeeranbau sind verboten, weil diese besonders hohe Mengen an PFAS speichern. Die Bevölkerung zahlt höhere Wasserpreise wegen der aufwendigen Aufbereitung, eine Bodensanierung ist derzeit nicht realisierbar.

Düsseldorf, NRW und Manching, Bayern

An beiden Orten führten PFAS-haltige Löschschäume zu Grundwasserkontaminationen. In Düsseldorf betrifft das sogar einen See in der Nähe des Düsseldorfer Flughafens, dessen Nutzung untersagt ist. In Manching mussten Brunnen geschlossen werden, was die Bewässerung von Feldern und Gärten unmöglich macht. Auf beide Kommunen warten hohe Sanierungskosten.

PFAS-Wegweiser: In welchen Produkten stecken die „Ewigkeitschemikalien“?

1. Outdoorausrüstung und Kleidung

Regenjacken, wasserfeste Schuhe und wetterfeste Zelte enthalten oft PFAS, um sie wasser- und schmutzabweisend zu machen. Auch Hightech-Materialien in Outdoor-Bekleidung, wie Membranen oder Imprägnierungen, setzen auf diese Stoffe, auch in Kinderkleidung, Rücksäcke und Tornistern für unsere Kleinsten Kinder sind sie enthalten und auch in vielen pflegeleichten Couch- und Sesselbezügen. Leider werden PFAS beim Waschen oder durch Reibung und Körperkontakt freigesetzt und gelangen so in den Körper und in die Umwelt.

2. Koch- und Backutensilien

Antihaftbeschichtungen in Pfannen oder Backformen bestehen häufig aus PFAS-basierten Fluorpolymeren (z. B. Teflon). Sie sorgen dafür, dass nichts anklebt, können aber bei Abnutzung oder unvollständiger Entsorgung problematisch sein. Auch hier gibt es Alternativen, wie die vom Fraunhofer-Institut entwickelte PLASON-Beschichtung, eine PFAS-freie Antihaftbeschichtung für Kochgeschirr.

3. Lebensmittelverpackungen

Pizzakartons, Popcorntüten und fettresistente Verpackungen sind oft mit PFAS behandelt, um fettige oder feuchte Lebensmittel sicher zu verpacken. Der BUND fand in Tests PFAS-Rückstände in vielen Verpackungen.

4. Feuerlöschschäume

PFAS-haltige Schäume werden bei Bränden der Brandklasse B eingesetzt. Diese Stoffe sind so langlebig, dass sie das Grundwasser und die Umgebung dauerhaft belasten können. Erste Alternativen auf fluorfreier Basis kommen langsam auf den Markt.

5. Kosmetikprodukte

Wasserfeste Mascara, flüssige Lippenstifte oder langanhaltende Foundation können PFAS enthalten, um die Haltbarkeit und Textur zu verbessern. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe kann Klarheit schaffen – oft verstecken sich PFAS hinter wissenschaftlichen Bezeichnungen.

6. Technische Textilien

Persönliche Schutzausrüstungen, etwa für Feuerwehrleute, enthalten PFAS, da sie eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen extreme Temperaturen und Chemikalien bieten.

7. Medizingeräte und Industrieprodukte

In der Medizintechnik kommen PFAS in Beschichtungen von Kathetern oder Implantaten vor. Sie werden auch in Dichtungen, Membranen und Schmiermitteln genutzt, um höchste Standards zu erfüllen.



Welche PFAS gelten als besonders besorgniserregende Substanzen (sog. SVHCs)?

Folgende Substanzen aus der Gruppe der ⁠PFAS⁠ sind Stand 2023 im Rahmen der ⁠REACH-Verordnung⁠ (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006) als besonders besorgniserregende Substanzen (sog. Substances of very high concern, SVHCs) identifiziert:

  • C11-C14 PFCAs
  • C8 PFCA (⁠PFOA⁠ + Ammoniumsalze)
  • C9 PFCA (PFNA + Ammonium- und Natriumsalze)
  • C10 PFCA (PFDA + Ammonium- und Natriumsalze)
  • C6 PFSA (PFHxS + Salze)
  • HFPO-DA (auch bekannt als GenX)
  • C4 PFSA (PFBS + Salze)
  • C7 PFCA (PFHpA + Salze

(Quelle: Umweltbundesamt)

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