Ein ganzes Rudel für eine Minen-Räumung in Angola
Ein großer Stromkonzern aus Namibia hatte beschlossen, eine Stromtrasse durch Teile Angolas zu bauen, um auch entlegene Gebiete mit Elektrizität zu versorgen. Nachdem die bürokratischen Hürden genommen waren, sollte mit dem Bau begonnen werden. Doch direkt nach den ersten Kilometern kam es zu einem Unfall durch einen Blindgänger, in diesem Fall eine Gewehrgranate. Die Arbeiten wurden zunächst eingestellt, da sich die Arbeiter verständlicherweise weigerten, die Trasse auch nur noch einen Meter weiter voranzutreiben. Eine mit uns befreundete Organisation erhielt den Auftrag, die Räumung der Strecke vorzunehmen. Hunde sollten her und natürlich wurde auch der Einsatz von Räumtechnik angestrebt.
Während wir die Hunde in Deutschland für diesen Einsatz auf Eignung testeten und trainierten, begann man zeitgleich in Österreich mit der Bereitstellung einer Räummaschine, die mit einer mit Meißeln bestückten Walze die Minen zerstören sollte. Darüber hinaus sollte die Maschine mittels Fernsteuerung bedient werden können, um die Gefährdung des Personals auf ein Minimum zu reduzieren. Die Hunde sollten hinter der Maschine arbeiten, um die Überreste der Explosivmittel und unter Umständen noch intakte Minen oder andere Überbleibsel des Krieges aufzuspüren. Es war nicht einfach, die geeigneten Hunde zu finden. Am Ende waren wir dann doch erfolgreich. Rufus, Finn, Ben, Sonja, Theo und Hank waren die Auserwählten. Das Training gestaltete sich teilweise sehr schwierig, da die Bedingungen im Zielgebiet alles andere als einfach waren. Auf uns warteten Sand, Dornengestrüpp und große Trockenheit. Wir würden Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung und natürlich auch mit der medizinischen Betreuung haben. Rufus und Finn, beide aus einem Tierheim, waren anfangs sehr zurückhaltend und wollten gar nicht wirklich aus sich herausgehen.
Ben kam von einem Bauernhof und war reichlich unterfordert. Demzufolge hatte er zunächst Probleme, sich wirklich auf mich einzulassen und sich zu konzentrieren. Theo und Hank waren unproblematisch und lernten schnell. Sonja war anfangs ein wenig schwierig, sie versuchte sich durchzusetzen und schaltete schon mal komplett ab, wenn sie ein wenig eingebremst wurde. Nach und nach lernte ich die Hunde und ihre Eigenarten besser kennen und auch die Tiere lernten meine Hilfen und Zeichen richtig zu deuten und umzusetzen. Rufus und Finn tauten allmählich auf. Finn brauchte nach einiger Zeit schon mal sehr klare Grenzen, von der anfänglichen Zurückhaltung war bald nichts mehr zu spüren. Die Hunde absolvierten ihr Training, die Vorbereitungen waren so weit abgeschlossen und der Tag der Abreise nahte. Zur Wasseraufbereitung hatten wir entsprechende Filtermaterialien und Pumpen besorgt, natürlich alles für den Handbetrieb, da wir kaum mit einer Stromversorgung rechnen konnten. Natürlich war auch ein Generator dabei, aber ob immer ausreichend Treibstoff zur Verfügung stehen würde, stand ebenfalls in den Sternen. Für die medizinische Versorgung stand eine Tierärztin zur Verfügung und für die Menschen war ein Rettungssanitäter mit an Bord.
Die ersten Tage in Angola
Vom Flughafen München ging es zunächst nach Windhoek, Namibia. Dort wurden die Hunde zunächst auf einer Farm untergebracht und ich konnte mit dem Training unter fast vollständigen Einsatzbedingungen fortfahren. Die ersten Tage verbrachten wir aber zunächst nur mit Spazierengehen und Ballspielen, um uns erst einmal einzugewöhnen. Zeitgleich wurden örtliche Helfer, Dolmetscher und einheimische Teamleiter eingestellt. In Österreich wurde die Räummaschine auf den Weg gebracht. Nachdem dann nochmals die bürokratischen Hindernisse endlich beseitigt waren, machten wir uns mit mehreren Pick-ups und einem Kleinlaster auf den Weg nach Kalueque in Angola. Die Reise war nicht ganz einfach. Wir hielten alle paar Stunden an, um den Hunden Bewegung zu verschaffen und die Straßenverhältnisse waren nicht die besten. Bis zur Veterinärsgrenze, die noch durch Namibia verläuft, waren die Wege ganz passabel. Hinter Ochiwarongo bewegten wir uns dann nur noch auf Sandpisten. Kurz vor der angolanischen Grenze gab es eine zweitägige Pause, da an der Grenze noch das eine oder andere zu klären war. Die Zeit nutzten wir, um Trainings mit den Hunden durchzuführen.
Wir präparierten entsprechende Flächen und die Hunde waren froh, ausgiebig suchen, finden und spielen zu können. Besonderes Augenmerk musste auf die Hundepfoten gelegt werden, damit diese nicht wund wurden. Der Untergrund war extrem sandig, so dass ständig die Sandkörner zwischen den Ballen rieben. Vor und nach jedem Training wurden also alle Pfoten sorgfältig untersucht und behandelt. Hundeschuhe erwiesen sich als keine gute Lösung: erstens wegen der schlechten Belüftung und zweitens gelang immer irgendwie Sand hinein. Eines Abends, nach Einbruch der Dunkelheit, bellte Rufus plötzlich laut und aufgeregt. Wir saßen einige Meter entfernt am Feuer und hatten keinen Sichtkontakt zu den Hunden. Denn dunkel heißt in Afrika wirklich dunkel – man kann die Hand vor Augen nicht sehen. Am Ton des Bellens war für mich deutlich zu erkennen, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Ich schnappte mir also eine Taschenlampe und einen Kollegen und machte mich auf den Weg.
Der Kampf mit der Schlange
Rufus Unterkunft war etwa 10 m von uns entfernt, und als wir näher kamen, sahen wir im Schein der Lampe das Problem. Eine recht große, ca. 1,50 m lange Schlange hatte sich, ähnlich wie eine Kobra, vor Rufus aufgebaut und zischte laut. Rufus bellte wie verrückt, er hatte schließlich auch noch nie eine Schlange gesehen. Wir versuchten, die Schlange mit dem Werfen von Stöckchen von dem Hund abzulenken. Das gelang uns – aber nun drehte die Schlange sich in unsere Richtung und kam recht zügig und energisch auf uns zu. Man könnte auch sagen, die uns völlig unbekannte, aber offensichtlich nicht unbedingt ungefährliche Schlange griff uns an. Mein Kollege warf einen Stein und traf das Tier im Kopfbereich. Die Schlange unterbrach ihren Angriff und ich konnte sie mit einer Astgabel hinter dem Kopf auf den Boden halten. Genau in diesem Moment fiel die Taschenlampe aus, es wurde stockdunkel. Klasse, dachte ich. Mein Kollege entfernte sich, um die Lampe auszutauschen, und ich stand da, mit der Astgabel und der Schlange unter mir.
Zu allem Überfluss begann die Schlange erneut sich zu bewegen, nur ich konnte nichts sehen. Insgesamt eine sehr unerfreuliche Situation und ich hatte nie mehr Sehnsucht nach meinem Kollegen als in diesem Moment. Nach – zumindest gefühlten – Stunden kam er mit Licht zurück und wir hatten wieder den Überblick. Die Bewegungen der Schlange waren weniger geworden, bis sie schließlich ganz still dalag. Wir schafften das Tier ins Lager, aber auch dort konnte uns niemand sagen, um welche Gattung es sich handelte. Am nächsten Morgen kam dann einer unserer einheimischen Teamleiter ins Camp. Der Mann zuckte zurück, rief irgendetwas von „Zebra Snake“ und war erst in das Camp zu bewegen, nachdem wir ihn überzeugen konnten, dass die Schlange wirklich tot war. Er meinte, dieser Typ sei hochgiftig und es gäbe auch kein Gegengift. Na, das kann ja noch heiter werden, dachte ich. Schlangen waren ein Problem, dann kamen noch Skorpione und Spinnen hinzu.
Die Hunde konnten sich ihren Hundeführer selbst aussuchen
Endlich über einen sehr kleinen Grenzposten in Angola angekommen, richteten wir uns zunächst ein. Unterkünfte für die Hunde wurden gebaut, Wasser geholt und gefiltert, Einheimische für das Camp eingestellt und die Auswahl der Hundeführer wurde durchgeführt. Die Hunde konnten sich im Prinzip ihren Hundeführer selbst aussuchen, da sich sehr viele Leute um diesen Posten bewarben. Die Arbeitslosigkeit war bzw. ist sehr hoch und wir zahlten anständige Löhne. Ben war besonders wählerisch. Die ersten beiden Bewerber wurden von ihm kategorisch und vehement abgelehnt, der dritte schien ihm dann zu passen. Er ließ sich von ihm problemlos ausführen und bürsten, die ersten hatte er nicht einmal in seine Nähe gelassen. Nach Abschluss der Auswahlverfahren starteten wir direkt mit der, zunächst theoretischen, Ausbildung. Bei der allmorgendlichen Untersuchung der Hunde durch die Tierärztin wurde ein einheimischer Sanitäter zeitgleich in die Erstversorgung bzw. Erkennung von Krankheitssymptomen bei Hunden eingewiesen. Nach und nach rauften sich die Teams zusammen und die Hundeführer begannen, ihre Hunde auf vorher präparierten Flächen „auszuprobieren“.
Die Leute mussten lernen, kleinste körpersprachliche Signale ihrer Hunde richtig zu deuten und darauf zu reagieren. Das Training funktionierte gut, nur unser „Team Sonja“ hatte Probleme. Die Dame nahm ihren Hundeführer einfach nicht für voll. Sobald er sie führte, stöberte sie nur ziellos herum, ohne irgendein Präparat zu finden oder, noch schlimmer, überhaupt finden zu wollen. Sobald ich die Leine in der Hand hielt, war das Mädchen nicht wieder zu erkennen. Sie suchte und fand, genau wie man es sich wünscht. Offensichtlich lag wohl eine Fehlverknüpfung mit ihrem Hundeführer vor. Also – Intensivtraining mit dem zweibeinigen Teammitglied. Trotz mehrfacher sehr deutlicher und klarer Ansagen meinerseits, behielt der Kollege die Nerven und schaffte es dann tatsächlich seinen Hund zur Suche zu animieren und in der Arbeit zu bestätigen. Allmählich wurde es ernst. Alle Teams hatten ihr Training fast abgeschlossen, die Maschine war bereits angelandet und auf dem Landweg per LKW auf dem Weg zu uns. Im Dorf herrschte große Aufregung, als der Transport eintraf, denn ein solches Monstrum bekam man dort nicht alle Tage zu Gesicht. Die Maschine wurde abgeladen, aufgebaut und die Probeläufe konnten starten. Doch alles kam anders als geplant …
Ein ganzes Arsenal an Blindgängern
Auf der gesamten Strecke wurden etwa 90 verschiedene Blindgänger (Handgranaten, Gewehrgranaten) und eine Handvoll Minen gefunden. Sonja wurde von einer Spinne gebissen, die Tierärztin konnte aber schnell helfen und schon nach wenigen Tagen war das Team wieder einsatzbereit. Ein einheimischer Mitarbeiter hatte Schlangenbesuch in seinem Schlafsack und handelte sich einen Biss ein. Das war unangenehm aber Gott sei Dank beherrschbar, denn Gegenmittel standen bereit. Nach 5 Monaten war die Trasse abgesucht und die Bauarbeiten konnten beginnen. Die Hunde sind alle bei bester Gesundheit zurück in Europa und suchen mittlerweile in anderen Ländern nach gefährlichen Hinterlassenschaften.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.
Martin Weitkamp
Im Schatten der Gefahr
Hardcover, 128 Seiten, s/w
ISBN: 978-3-9815634-2-9