Gesund

Die Entdeckung der Langsamkeit

Warum ich morgens meinen Kaffee von Hand aufbrühe

Ich bin jetzt also so einer.
So einer, der den Kaffee von Hand aufbrüht. Mit so einem Filter und einer Tüte. So einer, der morgens da steht wie ein buddhistischer Mönch beim Teeritual, bloß mit Augenringen und Schaum im Mundwinkel. Früher – also noch vor zwei Wochen – dachte ich, sowas machen nur Menschen mit Instagram-Profilen und zu viel Freizeit. Jetzt weiß ich: Die haben nicht zu viel Zeit. Die haben recht.

Das Problem war die Maschine

Ich hatte eine Kaffeemaschine. Also, eine sogenannte „vollautomatische Hochdruck-Brühstation mit integriertem Mahlwerk“. Laut Beschreibung.
In Wirklichkeit war’s ein Gerät, das morgens um 6:30 Uhr mit dem Geräusch einer startenden Boeing 747 begann, mir fröhlich die Bohnen in die Hölle zu rösten, um dann einen Espresso auszuspucken, der schmeckte wie flüssiges Parkett. Sie mahlte, sie brühte, sie dampfte. Und das alles – zack zack – in 90 Sekunden. Effizient. Schnell. Direkt ins Herz. Oder ins Sodbrennen, weil sie erst gereinigt, gewartet, entkalkt werden wollte.

Dann kam der Moment

Ich stand also morgends da, müde, verkatert vom Leben, endlich den Kaffee in der Hand, Geschmack irgendwo zwischen Zinn und Wut und dachte:
„Was zur Hölle tue ich hier eigentlich?“ Warum ist der Tag schon gestresst, bevor er überhaupt angefangen hat? Warum knurrt mein Magen, obwohl er noch gar nichts bekommen hat? Und wieso zum Teufel sind meine Schultern oben, als würde ich gleich einen Angriff starten? Ich hab dann was gemacht, was ich sonst nur bei Zahnschmerzen mache: Ich habe angehalten.

Filtertüte statt Filterblase

Ich hab diese Maschine in den Keller gestellt und den Wasserkocher hochgenommen, einen kleinen Porzellanfilter bestellt (ohne Bluetooth), ein Päckchen gemahlenen Kaffee gekauft (mit so einem Bild drauf, wo eine glückliche Bäuerin aus Peru in die Kamera lächelt) und plötzlich war ich morgens Teil eines langsamen Wunders.

Ich goss Wasser auf.
In Kreisen.
Ganz langsam.

Und dann passierte was völlig Unerwartetes: Ich hatte Zeit. Nicht viel – so drei Minuten – aber genug, um mal auf mein Handy zu schauen, nicht an Mails zu denken, nicht zu überlegen, was heute wieder alles ansteht.


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Langsamkeit ist radikal

In einer Welt, in der alles schneller, effizienter, optimierter sein soll, ist ein handaufgebrühter Kaffee eine Revolution. Eine Tasse ziviler Ungehorsam gegen das Dauer-Gerenne. Eine flüssige Erinnerung daran, dass die Welt auch dann weiterdreht, wenn man mal kurz innehält.

Und das Beste: Der Kaffee schmeckt besser.
Ehrlich.
Sogar meine Laune schmeckt besser.

Ich hab was gelernt:
Es braucht keinen Achtsamkeitskurs auf Bali. Nur einen Filter. Und die Bereitschaft, das Wasser langsam zu gießen. Denn der Kaffee kocht nicht schneller, wenn man daneben steht und flucht. Aber die Welt wird ruhiger, wenn man daneben steht und lächelt.

David Falk

“Ich habe Dinge studiert, von denen heute niemand mehr weiß, ob sie nützlich sind und trotzdem behaupte ich hartnäckig, dass sie mich geprägt haben”. David hat viel gemacht, viel gedacht und irgendwann beschlossen, dass Leben mehr ist als Meetings und Milchschaum. Heute Coach, weil Psychologe zu offiziell klang und weil man beim Zuhören mehr lernt als beim Reden. Glaubt an ehrliche Gespräche, guten Kaffee und daran, dass man nicht erst zusammenbrechen muss, um innezuhalten.

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