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Die Aztekische Todespfeife: Ein Soundtrack aus der Unterwelt

Wir haben eine Hörprobe

Es gibt Klänge, die tief unter die Haut gehen – und dann gibt es solche, die direkt die Seele treffen und versuchen, sie zu unterwerfen. Die Aztekische Todespfeife, ein Instrument, das den schreienden Klang der Unterwelt zum Leben erweckt, gehört zu letzterem. Ihr durchdringender Ton erinnert an einen menschlichen Schrei, wild und ungezähmt, und ist doch mit einer unheimlichen Schönheit behaftet. Es ist ein Soundtrack, der eine ganze Kultur repräsentiert – und eine Brücke in die Vergangenheit schlägt.

Mythos trifft Klang: Die Geschichte der Todespfeife

Die Azteken, bekannt für ihre reichen rituellen Traditionen, nutzten Musik und Klang, um Mythologie lebendig werden zu lassen. Die Todespfeife, deren Design oft einem menschlichen Schädel ähnelt, repräsentierte den aztekischen Herrscher der Unterwelt, Mictlantecuhtli. Ihr Klang? Ein schriller, fast animalischer Schrei, der dazu diente, die Teilnehmer an rituellen Zeremonien in die düstere Welt von Mictlan, der aztekischen Unterwelt, zu führen.

Die Forscher*innen der Universität Zürich unter der Leitung von Sascha Frühholz haben dieses einzigartige Instrument untersucht und dabei herausgefunden, dass seine Konstruktion so außergewöhnlich ist wie sein Klang. Mithilfe von 3D-Rekonstruktionen originaler Pfeifen aus dem Ethnologischen Museum in Berlin konnten sie die Geheimnisse hinter der Klangproduktion lüften. Zwei Schallkammern erzeugen Luftturbulenzen, die den einzigartigen schreiähnlichen Ton produzieren.

„Wir kennen kein anderes Instrument, das diese akustische Intensität und Symbolkraft vereint“, erklärt Frühholz.

Das Ergebnis? Eine Konstruktion mit zwei Schallkammern, die Luftturbulenzen erzeugt und einen Klang produziert, der beängstigend und gleichzeitig faszinierend ist. „Wir kennen kein vergleichbares Instrument aus irgendeiner anderen historischen oder zeitgenössischen Kultur“, erklärt Frühholz.

Ein Klang, der unter die Haut geht

Wie beängstigend kann eine Pfeife wirklich sein? Tonaufnahmen von originalen und nachgebauten Todespfeifen haben moderne Zuhörende zutiefst erschüttert. Die Geräusche wurden als schrecklich menschlich wahrgenommen – wie Schreie, die direkt aus einer anderen Welt stammen. Doch es ist nicht nur die Psychoakustik, die diesen Klang so außergewöhnlich macht.

Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Todespfeife zwei Arten von Reaktionen auslöst: Eine direkte, emotionale Angstreaktion und eine kognitive Verarbeitung ihrer Symbolik. Der Ton aktiviert die Regionen im Gehirn, die für affektive Reaktionen zuständig sind, und gleichzeitig jene, die Geräusche mit kultureller Bedeutung verbinden. Und das bedeutet, dass wir zum einen wahnsinnige Angst empfinden und gleichzeitig tiefe Ehrfurcht – eine doppelte Wirkung, die das Instrument zu einem mächtigen Werkzeug der aztekischen Rituale machte.

Der Sound der Macht

Die Azteken nutzten diese Pfeifen nicht nur, um Schrecken zu verbreiten, sondern auch, um rituelle Macht und Kontrolle auszuüben. Sie ahmten die Klänge mythologischer Wesen nach und ließen die Zuhörenden Teil einer Inszenierung werden, die weit über das bloße Hören hinausging.

„Die Todespfeife ist ein Sinnbild dafür, wie alte Kulturen Musik und Klang als Instrumente der Emotion und Macht einsetzten“, erklärt Frühholz. Und während wir heute vielleicht keine Menschenopfer in Mictlan schicken, erinnert uns die Pfeife daran, dass Klang mehr kann, als nur gehört zu werden – er kann erlebt, gefühlt und gefürchtet werden.

Ein Sound, der die Seele berührt

Wenn wir etwas aus der Geschichte der Todespfeife lernen, dann dies: Jedes Detail zählt. Ihr schädelförmiges Design, ihre akustische Präzision und die kulturelle Bedeutung machen sie zu einem Artefakt, das gleichermaßen verstört und begeistert. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ihre düstere Eleganz den Weg in die moderne Ästhetik findet – sei es als Inspiration Opern, Vernissagen oder Soundtracks. Oder als Mittel, um uns selbst herauszufordern. Diese düstere Ästhetik dient als Beweis dafür dass auch die dunkelsten Klänge und Formen eine eigenwillige Kraft besitzen, der unsere Seele widerstehen sollte.

Der Soundtrack der Unterwelt ist mehr als nur ein Geräusch. Er ist ein Erlebnis, das die Seele berührt – eine Erinnerung daran, dass die Vergangenheit immer wieder auf faszinierende Weise in unsere Welt zurückkehren kann.Die aztekische Todespfeife beweist, dass manchmal ein Schrei mehr sagt als tausend Worte.

Foto: Die Totenkopfpfeifen symbolisierten visuelle und klangliche Elemente mythologische Wesen aus der aztekischen Unterwelt. Bild: Sascha Frühholz, UZH

Hier findet ihr eine Hörprobe: https://caneuro.github.io/blog/2024/study-skullwhistle/

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