Psychologie

Der ewige Grabenkrieg: Warum streiten sich Mädchen- und Jungenmütter so oft?


Es gibt wenige Themen, die auf Spielplätzen, in Krabbelgruppen oder in Kita-Chats so zuverlässig eskalieren wie diese eine, scheinbar harmlose Frage: Wer hat es schwerer – die Mütter von Jungs oder die Mütter von Mädchen?

Während die einen behaupten, Mädchen seien „zickig“, kontern die anderen mit „Jungs sind doch viel wilder“. Und kaum ist das erste Klischee in den Raum geworfen, geht das große Balgen los.

Aber warum eigentlich? Wieso diskutieren wir darüber, ob Schlammbäder anstrengender sind als Prinzessinnen-Dramen? Und warum fühlt sich jede Mutter sofort berufen, die eigene Erfahrung als die einzig wahre Wahrheit zu verkaufen?

Vielleicht, weil sich hartnäckige Klischees einfach nicht ausrotten lassen.

Wir leben in einer Welt, die sich gerne als modern und fortschrittlich bezeichnet – und trotzdem: „Mädchen sind brav und lieb“, „Jungs sind laut und ungestüm“ – solche Stereotype schleichen sich schon in der Babyzeit ein. Ein Mädchen, das auf dem Spielplatz weint? „Empfindlich.“ Ein Junge, der losheult? „Müde.“

Und es wird noch schlimmer. Auf Instagram tobt ein regelrechter Krieg darüber, wie groß die Unterschiede zwischen Jungen- und Mädchenmüttern wirklich sind. Wir Frauen haben lange für Gleichberechtigung gekämpft, mussten so tun, als wären wir genau wie Männer – stark, leistungsfähig, emotionslos. Aber was passiert gerade? Sind wir uns mittlerweile so sicher in unserer Haut, dass wir auch Unterschiede akzeptieren können? Oder ist das hier der Beginn einer steinzeitlichen Rückwärtsrolle, in der Jungs wieder Ritter und Mädchen wieder Prinzessinnen sein sollen?

Die Wissenschaft sagt: Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Ja, es gibt hormonelle und neurologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Aber nein, sie sind nicht so drastisch, wie wir oft glauben. Studien zeigen: Jungen sind im Schnitt impulsiver, Mädchen etwas kommunikativer – aber das sind Durchschnittswerte, keine festen Regeln. Der größte Einfluss auf das Verhalten eines Kindes? Die Umwelt. Wenn ein Junge ständig hört, er sei wild und ungestüm, dann wird er sich irgendwann auch so verhalten.

Und trotzdem führen wir diesen Wettbewerb unter Müttern.

Wahrscheinlich, weil Elternschaft anstrengend ist – und sich jeder manchmal fragt: Habe ich es härter als die anderen? Die einen fluchen über emotionale Achterbahnfahrten, die anderen über unkontrollierbare Energieexplosionen. Jede Mutter fühlt sich gelegentlich überfordert. Und wenn man sich schon nicht erlauben kann, einfach zu sagen: „Ich bin müde!“, dann zumindest: „Meine Aufgabe ist die schwerste!“

Früher verglich man sich mit der Nachbarin, heute mit Tausenden von fremden Eltern auf Instagram. Und auf Social Media wird ja ohnehin nicht einfach nur Erziehung gezeigt – es wird inszeniert. Während die eine Mama ihre flechtfrisierten Mädchen in rosa Kleidchen postet, präsentiert die andere stolz ihren kleinen Abenteurer, der barfuß auf einen Baum klettert. Beides ist wunderbar. Aber die unterschwellige Botschaft bleibt: „Meine Erziehung ist die richtige.“


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Doch warum sind es eigentlich immer die Mütter, die streiten?

Ist euch mal aufgefallen, dass Väter sich so gut wie nie in diese Debatten stürzen? Wahrscheinlich, weil sie sich weniger mit Erziehung vergleichen. Während Mütter sich unbewusst als Verantwortliche für die Entwicklung ihres Kindes fühlen, nehmen Väter Unterschiede einfach hin. Sie kämpfen nicht darum, ob Jungs oder Mädchen schwieriger sind – sie nehmen ihr Kind, wie es ist. Vielleicht sollten wir das auch tun.

Denn was passiert eigentlich, wenn wir einfach aufhören, in Geschlechtern zu denken? Was wäre, wenn wir uns nicht fragen, ob Mädchen oder Jungen komplizierter sind, sondern: Was braucht mein Kind? Vielleicht ist das Mädchen, das sich in die Ecke verzieht, nicht „sensibel“, sondern introvertiert. Vielleicht ist der Junge, der brüllend über den Spielplatz rennt, nicht „wild“, sondern extrovertiert.

Kinder sind vor allem eins: Individuen.

Manche Mädchen lieben es, zu klettern und sich dreckig zu machen – genauso wie manche Jungs lieber malen und Geschichten erzählen. Manche Kinder brauchen viel Bewegung, andere brauchen mehr Ruhe – das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit Persönlichkeit. Und anstatt ständig darüber zu streiten, ob Schlammpfützen schlimmer sind als Tüllröcke, könnten wir uns mit den wirklich wichtigen Themen beschäftigen: Schlafmangel, Trotzanfälle, Wutausbrüche und die ewige Frage, warum Kinder ihre Schuhe nie finden.

Denn am Ende wollen wir doch alle dasselbe: glückliche Kinder. Also lassen wir den Wettkampf einfach sein – und lachen stattdessen über das Chaos, das wir alle lieben. Egal, ob Junge oder Mädchen.

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