
Der Alpha-Mythos
Die mit dem Hund geht… Wie das Leben mit Hund wirklich abläuft.

Hier schreibt: Birgit Jaklitsch. Als die Juristin mit ihrem Golden Retriever Rüden Finley einen “vollkommen unerziehbaren Hund” hatte, entschloss sie sich, selbst eine Ausbildung zur Hundetrainerin zu machen. Ihren kritischen Blick als Gerichtsreporterin hat sie sich erhalten und gewinnt dadurch immer wieder humorvolle Erkenntnisse auf das Leben mit dem Hund. Birgit Jaklitsch hat eine Kolumne im Magazin Hundewelt und ist Buch-Autorin.
Finley und ich haben uns da ausgeklinkt
Als Finley ganz frisch bei mir eingezogen war, war nicht immer alles so einfach mit uns. Bei Licht betrachtet eigentlich gar nichts. Ich war total verunsichert.
Dass es immer wieder Situationen gab, in denen mein Welpe sich vor mir aufplusterte, die Zähne fletschte und dabei Töne wie der Hound of Baskerville von sich gab, ließ mein Hundehalter-Selbstbewusstseins schrumpfen. Ich tat, was mir als das Naheliegende erschien und was ich heute als meinen größten Fehler betrachte. Ich hörte auf das, was die „Anderen“ sagten, und zwar auf alles.
Meine Kollegin sah Finley an und sagte mit Kennerblick: „Ich hatte auch mal einen Alpha-Rüden, aber sowas, nee ehrlich Birgit, das muss was Neurologisches sein, der muss dringend zum Arzt, ich glaube der ist bekloppt.“ Da hörte ich es zum ersten Mal, dieses Wort Alpha-Rüde. Ich googelte den Begriff. Dass die ersten 100.000 Treffer nur von Wölfen handelten, erzeugte Unbehagen.
Mein Kleiner hatte durchaus auch seine unwölfischen, niedlichen Seiten. Doch ich ging trotzdem zum Arzt mit ihm. Der lachte herzlich über die Bemerkung der Kollegin und meinte, der Finley strotze vor Gesundheit, er sei allerdings wohl ein … na was wohl … richtig, ein Alpha-Rüde. Da war es wieder, das Wolfswort, das mir Schauer über den Rücken jagte.
Mein Züchter, der uns damals unterrichtete, klärte mich auf. „Birgit, DU musst das Alpha-Tier im Rudel sein. Finley wird sein Leben lang versuchen, Dich vom Thron zu stoßen. Er ist ein … täterätäää … Alpha-Rüde.“ Ich war von der Aussicht, dass mein Flauschknäuel mich von meinem Esstischstuhl, einen anderen Thron hatte ich zu Hause nämlich nicht, schubsen würde, nur so mittelmäßig begeistert.
Vor meinem inneren Auge spielten sich dramatische Szenen ab, etwa wie mich mein Welpe in einen Hinterhalt lockt, mir den Hintern versohlt und der Familie danach mitteilt, sie habe jetzt einen anderen Herrscher. „Die Königin ist tot, es lebe der König!“
Übrigens, meine Versuche, ein Alpha-Tier zu sein, verliefen kläglich und bewirkten natürlich nichts. Erstens hatte ich keine konkrete Vorstellung davon, was ein Alpha-Tier in Menschengestalt eigentlich sein sollte. Zweitens führten die vorpubertären Anwandlungen meiner Töchter ohnehin jeden Versuch ad absurdum. Hauptsächlich scheiterte ich aber, weil dieser Alpha-Tier-Mythos absoluter Humbug ist.
Ich hatte keinen Höllenhund im Körbchen liegen, sondern nur einen total unerzogenen Bengel, der gerne über seine Grenzen hinausschoss. Es gab Tage, da war er sanft, und andere Momente, da war er nicht ansprechbar und knallte total durch. An dieser Stelle sei nochmals der Vergleich mit meinen pubertierenden Töchtern erlaubt, denn die Reaktionen waren sehr ähnlich. Ich wollte verstehen, warum Finley sich auf eine bestimmte Art und Weise verhielt und versuchte dann, ihm zu helfen, ab und an zwischen den Wogen des Irrsinns aufzutauchen.
Das schaffte Vertrauen, minimierte langfristig gesehen, den Widerstand. Heute benötigt unsere Familie keinen Alpha mehr – na ja, sagen wir mal, wir arbeiten daran.

Lust auf mehr? Dann empfehlen wir “Dickes Fell und langer Atem” – Vom Überleben an der Schleppleine. Die Leserkommentare: “Zum Brüllen komisch”, “Einfach herrlich”, “Habe mich wieder erkannt” und “Wann kommt der nächste Jaklitsch?”. Birgit Jaklitschs Buch erschien im Minerva-Verlag und ist in jedem Buchhandel erhältlich oder direkt im Minervastore. www.Minervastore.de.