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Be like a SAGE – Surfen lernen fürs Leben mit MS

Mein Leben mit MS:

Hallo und herzlich willkommen bei MS-Voices! Ich bin Irene, und hier dreht sich alles um das Leben mit Multipler Sklerose (MS). Als ich vor einigen Jahren die Diagnose erhielt, hat sich mein Alltag auf den Kopf gestellt – und ich war plötzlich mit unzähligen Fragen, Ängsten und Herausforderungen konfrontiert. In diesem Blog möchte ich meine persönlichen Erfahrungen mit euch teilen und Menschen eine Stimme geben, die unter MS leiden. Wie ist das wirklich, mit MS zu leben? Wie verändert es den Alltag, die Beziehungen und die Zukunftsplanung? Hier gibt es ehrliche Einblicke, praktische Tipps und die ein oder andere Anekdote aus meinem Leben – direkt aus dem Herzen einer Betroffenen.

„Geh leben, verdammt! Was mir mein surfender Teenie-Schwarm über MS beigebracht hat“

Ich habe am Wochenende, nach langer Zeit, wieder in meiner Schatzkiste gestöbert. Da ist alles drin, was mir wichtig erscheint. Der erste Liebesbrief, Bilder aus Kinder- und Jugendzeiten, sogar die Glückwünsche, die damals zu meiner Geburt an meine Eltern eingetrudelt sind.

In dieser Schatzkiste sind u.a. die Erinnerungen, die mein Herz wärmen. Als ich sie durchgesehen habe, ist mir ein Bild in die Hände gefallen, auf dem ich zusammen mit meinem Papa am „Büsum-Finger“ zu sehen bin. Der steht direkt hinter dem Seedeich, am grünen Strand von Büsum. Ich weiß nicht, ob es das heute noch gibt, aber damals war dort ein Becken abgetrennt, in dem man u.a. Windsurfen lernen konnte.

Ich war 13 oder 14 – und komplett schockverliebt in unseren Surflehrer Reginald, der „Richie“ genannt wurde. Nun ja – eigentlich waren das alle Teilnehmerinnen. Richie war sonnengebräunt, cool, mit wehenden Haaren, barfuß auf dem Board – du verstehst. Der Mann hätte auch das Wetter vorlesen können, wir hätten trotzdem alle geguckt wie hypnotisierte Schafe.

Damals wurde eine Leidenschaft in mir geweckt. Erst der Surfschein, dann der Segelschein – ich war on fire.
Und dann? Kam das Leben. Nach der Lehre lag das Brett irgendwann im Keller. Andere Dinge wurden wichtiger.
Aber eines habe ich nie vergessen – nur lange nicht mehr dran gedacht:

Richie hat uns immer gesagt:
 „Seid weise im Umgang mit dem Meer – Be like a SAGE.“

Und weißt du was? Das gilt auch für den Umgang mit MS. Vielleicht sogar noch mehr.


Weitere Themen:

Be like a SAGE – Deine Weisheit im Umgang mit der Erkrankung

Die Surfweisheiten von damals lassen sich eins zu eins auf das Leben mit MS übertragen:

I – Intuition

Beim Surfen bedeutet Intuition: Die richtige Welle spüren, loslassen, gleiten.
Im Leben mit einer chronischen Erkrankung ist Intuition ein echter Gamechanger. Es heißt: Hör auf deinen Körper – nicht erst, wenn er dir schon den Mittelfinger zeigt. Spür frühzeitig, wenn du müde wirst. Wenn deine Energie absäuft. Wenn du einfach mal Pause brauchst. Lass das Pushen. Lass dieses „Ich muss aber funktionieren“. Muss gar nichts. Intuition ist, sich nicht vom Verstand allein gängeln zu lassen – sondern sich auch dem inneren Gefühl zu öffnen. Und das sagt oft: „Heute nicht.“ Oder auch: „Jetzt genau das!“
Und beides ist richtig.

A – Andere Welle

Nicht jede Welle ist für dich gemacht. Und wenn du eine verpasst? Na und. Dann kommt ‘ne andere. Immer.

Rückschläge bei MS? Klar. Pläne, die dir um die Ohren fliegen? Therapien, die nicht wirken? Willkommen im Club.
Aber du bist nicht raus.
Die nächste Welle kommt. Die Frage ist nicht, ob – sondern wie du dich drauf vorbereitest.

Akzeptanz ist kein Aufgeben – es ist die Entscheidung, nicht jeden Kampf gegen Windmühlen zu führen. Sondern mit dem Wind zu surfen.

S – Starte klein

Beim Surfen fängst du im flachen Wasser an – da, wo du hinfliegst, nass wirst, lachst, nochmal aufstehst.
Übertragen auf MS heißt das:

Erwarte nicht, dass du heute wieder die Alte bist.
Mach den Spaziergang um den Block – oder nur bis zur nächsten Bank.
Tanze im Sitzen. Schreib zwei Sätze.
Und wenn’s ein Satz ist – auch okay.

Erfolg ist nicht immer laut.
 Manchmal ist es das leise „Ich hab’s versucht.“

A – Andere fragen

Allein kämpfen? Muss nicht sein. Frag andere. Die, die auch mit MS surfen.
Die, die Kortison-Stoßtherapie nicht mehr googeln müssen.
Die, die wissen, wie’s ist, wenn das Bein nicht will oder der Kopf dichtmacht.

Bau dir dein Team. Hol dir Profis. Hol dir Gefährt:innen. Hol dir Mut.
Nicht alles, was du hörst, wird passen – aber du darfst aussuchen, was du behältst.

Du musst nicht alles allein rausfinden.
Aber du darfst alles selbst entscheiden.

G – Experten fallen nicht vom Himmel

Richie ist nicht als Surfprofi geboren worden.
Und du wirst nicht über Nacht zur MS-Expertin.

Das ist ein Lernprozess.
Fehler inklusive. Frust inklusive.
Zweifel? Klar.
Aber: Jeder Sturz lehrt dich was.

Wichtig ist nur: Bleib auf dem Weg.
Geduldig. Lernbereit.
Und mit genug Biss, um auch mal zu sagen: „Jetzt erst recht.“

Und G steht für: Geh leben!

Mein Lieblingssatz:
„Geh surfen!“
wird zu:

GEH LEBEN!

Die Krankheit ist da.
Aber du bist auch noch da. Und du darfst.
Mehr als das: Du sollst.

Du sollst leben, lieben, lachen, weinen, scheitern, träumen – genau so, wie du bist.

Es geht nicht um Leistung oder Perfektion.
Sondern darum, dein Leben zu leben – wie es dir guttut.
Mitten im Chaos.
Mitten im Wind.
Aber auf deinem Brett.

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SAGE auf einen Blick: Be like a SAGE – deine innere Weisheit für den Umgang mit MS

  • I – Intuition:
    Hör auf deinen Körper. Spür früh, wenn du müde wirst. Vertraue deinem Gefühl. Lass das Funktionieren-Müssen los.
  • A – Andere Welle:
    Nicht jede Welle ist für dich gemacht. Und wenn du eine verpasst – kein Drama. Die nächste kommt. Immer.
  • S – Starte klein:
    Erwarte nicht das große Comeback. Fang klein an. Sei stolz auf jeden Schritt. Auch der kleinste bringt dich weiter.
  • A – Andere fragen:
    Hol dir Hilfe. Sprich mit Menschen, die dich verstehen. Bau dir dein Support-Team. Du bist nicht allein.
  • G – Experten fallen nicht vom Himmel:
    Du wirst nicht über Nacht zur MS-Meisterin. Aber du wirst besser. Mit jedem Tag. Und mit jeder Erfahrung.
  • G steht auch für: GEH LEBEN!

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„Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“ – Demokrit

Und genau das wünsche ich dir:
Dass du den Mut findest, wieder aufs Brett zu steigen.
Und dass das Glück irgendwann hinterher paddelt.

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, diesen Beitrag zu lesen! Ich hoffe, dass meine Erfahrungen dir ein Stück Klarheit oder Ermutigung schenken konnten. Als ich die Diagnose MS bekam, fühlte ich mich oft allein und überfordert. Genau deshalb habe ich ein Buch geschrieben, das ich selbst damals so dringend gebraucht hätte. „Spring, damit du fliegen kannst.: Ein Selbsthilfe-Ratgeber für MS-Erkrankte und ihre Angehörigen.“ Es ist bei Minerva-Vision erschienen. Wenn du Interesse hast, schau es dir gerne an – vielleicht ist es genau das, was auch dir weiterhelfen kann. Oder hör dir meinen Podcast „MS-Voices“ an. Bis zum nächsten Mal!

Du hast auch MS und möchtest mit mir in meinem Podcast darüber sprechen? Dann schreib mir eine Mail an: redaktion@minerva-vision.de.


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