Familie

Wenn keiner mehr was sagt

Wenn aus Gesprächen Schlachtfelder werden

Von Friederike Sommer

Nach einem Streit ist es bei uns manchmal so still, dass ich glaube, das Schweigen hat eine eigene Temperatur. Kühl. Dünn. Trocken. So wie die Luft in Hotelzimmern ohne Fenster. Kein Wort. Kein Blick. Kein Lächeln. Und ich denke: War’s das jetzt? Haben wir uns verlaufen – in unserem eigenen Gekränktsein?
Hat die Liebe gerade das Funkloch ihres Lebens?

Manchmal ist es schlimmer als Schreien: das Verstummen. Dieses fast schon höfliche Aneinandervorbeileben, bei dem jeder genau weiß, dass es nicht stimmt – aber keiner den Mut findet, es zu sagen.

Das große Missverständnis: Schweigen als Friedensangebot

Ich dachte lange, Schweigen sei eine Art Lösung. Ein Zeichen von Reife. Von „Ich will jetzt nichts sagen, was ich später bereue“. Und ja, manchmal ist es das auch. Eine Auszeit. Ein emotionales Pflaster. Aber wenn das Pflaster zur Dauerausrüstung wird – wird’s unhygienisch.
Denn ungelöste Konflikte sammeln sich wie Staub unter dem Sofa. Irgendwann wird’s stickig. Und allergisch. Dann wird Schweigen zur Strafe, zum Machtkampf. Wir kämpfen im kalten Krieg.


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Die kalte Front ist keine Lösung – sie ist ein Schutzschild

Ich weiß noch, wie ich nach einem Streit drei Tage lang kein Wort sagte. Nicht, weil ich trotzig war. Sondern weil ich verletzt war. Jedenfalls am Anfang.
Weil ich dachte: Wenn ich jetzt den ersten Schritt mache, sieht es aus, als wäre es nicht so schlimm gewesen. Als wäre ich okay damit. Als wäre ich wieder die, die alles einrenkt. Ich saß da, mit meinen Argumenten im Kopf, meinem Stolz im Herzen und einem Knoten im Bauch – und wartete, dass er irgendwas sagt. Irgendwas Echtes. Und er? Wartete auch.

Zwei erwachsene Menschen. Zwei volle Herzen. Und null Kommunikation. Bravo. Beziehung als Hochleistungssport im passiv-aggressiven Stil.

Die Rettung: Drei kleine Sätze und eine große Regel

Dann gab mir eine Paartherapeutin den einfachsten Rat meines Lebens. So simpel und so verdammt hilfreich:

Die 24-Stunden-Regel.

Innerhalb eines Tages nach dem Streit nochmal sprechen.
Nicht, um gleich alles zu lösen.
Nicht, um Recht zu haben.
Sondern nur, um zu sagen:
„Wie geht’s dir jetzt?“
„Was brauchst du?“
„Ich will, dass wir wieder miteinander reden.“

Drei Sätze.
Keine Technik. Kein Workshop. Keine Wunderkerzen.

Was dann passiert?

Meistens: Erleichterung, weil der andere längst gehofft hat, dass jemand das Fenster aufmacht. Dass jemand den Staub der letzten Tage rauslässt.
Dass wieder Luft reinkommt. Und Nähe. Und das Gefühl: Wir schaffen das. Und plötzlich seid ihr wieder zwei, die reden – statt zwei, die nur noch denken


In Teil 7: Harmonie ist keine Liebe. Es ist oft nur höflicher Stillstand.

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