Familie

Warum gerade du?

Wie empathische Menschen in toxische Dynamiken geraten und wie du aufhörst, dich dafür zu verurteilen

Ich bin doch nicht naiv. Ich bin stark. Ich spüre doch, wenn etwas nicht stimmt.
Warum bin ich trotzdem so lange geblieben?“

Wenn du dir diese Frage gestellt hast – dann geht es dir wie vielen Menschen, die in toxische Beziehungen geraten sind: Sie haben ein großes Herz und oft sehr hohe Ansprüche an sich selbst.

Warum Empathie dich anfällig macht

Du spürst viel. Du hörst Zwischentöne. Du willst verstehen. Du glaubst an Entwicklung. An das Gute im Menschen. Und genau das – ist das Einfallstor für toxische Beziehungsmuster. Denn Gewittermenschen lieben einfühlsame Menschen. Nicht, weil sie sie wertschätzen – sondern weil sie wissen, dass du dich immer wieder hinterfragst, anstatt sie zu hinterfragen.

Du gibst Chancen.
Du suchst das Gespräch.
Du willst es klären – auch beim zehnten Mal.
Und während du das tust, verlierst du manchmal aus dem Blick, was du brauchst.


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Warum du nicht zu schwach, sondern zu stark warst

Viele Menschen denken: „Ich war zu schwach, mich zu trennen.“ Aber die Wahrheit ist: Du warst oft zu stark. Zu verständnisvoll. Zu belastbar. Zu loyal. Du hast durchgehalten – weil du das von klein auf gelernt hast. Vielleicht, weil du früh Verantwortung übernommen hast. Vielleicht, weil du gelernt hast: Liebe bedeutet, auszuhalten. Du wolltest retten – was nicht deine Aufgabe war.


Test: 3-Minuten-Klarheit: Diese Muster sind keine Schwäche, aber ein Risiko

Mach kurz Pause. Und fühl in dich hinein. Welche Sätze kennst du (bewusst oder unbewusst) von dir selbst?

  1. „Ich schaffe das schon.“
  2. „Vielleicht war ich wirklich zu sensibel.“
  3. „Ich muss erst an mir arbeiten.“
  4. „Ich darf ihn/sie nicht aufgeben – ich weiß, da steckt mehr drin.“
  5. „Ich hab halt ein Helferherz.“

Wenn du dich hier wiedererkennst, dann ist das kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Hinweis auf deine Überverantwortung.


Du darfst umkehren

Es ist nicht deine Aufgabe, jemanden zu retten, der dich verletzt. Es ist nicht deine Schwäche, dass du geliebt hast. Es ist deine Stärke, dass du dich jetzt fragst: Was ist eigentlich mit mir?

Du darfst aufhören, das System zu verstehen. Du darfst stattdessen dich verstehen.
Denn du bist der Mensch, um den es jetzt geht.


Mini-Übung für heute: Deine innere Entschuldigung

Nimm ein Blatt Papier und beginne einen Brief an dich selbst mit folgendem Satz:

„Es tut mir leid, dass ich dich so oft allein gelassen habe, um andere zu halten.“

Schreib weiter. Ohne Anspruch. Ohne Zensur. Nur mit dem Wunsch, dir selbst näher zu kommen. Wenn du fertig bist, leg den Brief zur Seite. Du kannst ihn morgen nochmal lesen, aber heute genügt es, dass du zu dir zurückkommst.


Quick-Check:

Du bist nicht in eine toxische Beziehung geraten, weil du dumm oder schwach bist. Sondern weil du fühlst. Weil du gibst. Weil du verbunden bist. Und jetzt lernst du, dich genauso liebevoll zu halten, wie du es bei anderen getan hast.


Zum Weiterlesen: “Gewittermensch” von Livia Brand. Manchmal kann man Narzissten nicht entgehen. Sie können Teil deiner Familie sein oder tauchen an deinem Arbeitsplatz auf. Man kann sich gegen sie behaupten, ohne sich in ihre Strategien verwickeln zu lassen. Aber dazu braucht es eine funktionierende Taktik und einen kühlen Kopf.

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