Gesundheit

Warum Antibiotika manchmal versagen – auch wenn Bakterien nicht resistent sind

Der Schläfer-Trick der Superbakterien

Antibiotika sind kleine chemische Wunderwaffen – zumindest in der Theorie. In der Praxis sieht es oft anders aus: Eine Infektion wird behandelt, doch die Beschwerden bleiben. Und das, obwohl die Erreger nicht mal resistent sind! Wie kann das sein?

Ein Forschungsteam der Universität Basel hat genau das untersucht – und dabei eine weit verbreitete Annahme über Bord geworfen. Das Problem ist nicht, dass ein paar besonders hartnäckige „Super-Bakterien“ überleben. Sondern dass alle Bakterien im Körper plötzlich auf Sparflamme schalten – und sich damit für Antibiotika nahezu unsichtbar machen.


Schlafmodus: Der Trick der Bakterien

Bisher dachte man: Schuld am Therapieversagen sind sogenannte „Persister“. Das sind Bakterien, die sich in eine Art Dornröschenschlaf versetzen und Antibiotika einfach aussitzen. Sobald die Behandlung endet, wachen sie auf – und die Infektion kehrt zurück.

Aber jetzt kommt’s: Die neue Studie zeigt, dass nicht nur ein paar wenige Schläfer-Bakterien überleben. Sondern fast die gesamte Bakterienpopulation! Und zwar nicht, weil sie besonders mutiert oder unverwundbar wäre, sondern weil sie sich im Körper in eine Art Energiesparmodus begibt.

Das ist, als würde eine ganze Horde Zombies einfach nur „so tun, als wären sie tot“ – um dann, wenn das Antibiotikum vorbei ist, munter weiterzumachen.

Das bedeutet: Die bisherige Jagd auf die eine widerstandsfähige Bakteriengruppe könnte eine Sackgasse gewesen sein. Stattdessen müssen wir verstehen, warum sich Bakterien im Körper so clever anpassen – und wie wir sie trotzdem erwischen können.


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Nährstoffmangel als unerwartetes Problem

Das Überraschende: Der eigentliche Übeltäter ist nicht das Bakterium selbst, sondern unser eigener Körper. Der entzieht den Erregern nämlich absichtlich Nährstoffe – ein cleverer Verteidigungsmechanismus.

Klingt gut? Nicht ganz. Denn genau dieser Mangel an Nahrung führt dazu, dass die Bakterien ihr Wachstum herunterfahren. Und langsam wachsende Bakterien sind für viele Antibiotika so schwer zu knacken wie ein ungekochtes Spaghetti-Nudelholz.

„Bakterien, die nicht wachsen, sind wie Couchpotatoes – sie bewegen sich nicht, sie tun nichts, und sie lassen sich nicht so leicht vertreiben“, erklärt Prof. Dirk Bumann, der Leiter der Studie.

Das Ergebnis: Die Antibiotika wirken zwar, aber viel langsamer. Und das gibt den Bakterien die Chance, in der Zwischenzeit neue Strategien zu entwickeln oder nach Ende der Behandlung einfach weiterzumachen, als wäre nichts gewesen.

Es ist, als würde man eine Diät machen, bei der der Körper so wenig Kalorien bekommt, dass er in den Hungermodus schaltet – und dann, sobald die Diät vorbei ist, alles doppelt speichert.


Was bedeutet das für die Medizin?

Diese Erkenntnis stellt die bisherige Strategie der Antibiotikatherapie auf den Kopf. Was könnte sich daraus für die Praxis ergeben?

1️⃣ Längere Behandlungszeiten: Vielleicht müssen Antibiotika länger gegeben werden, um auch die „Sparflammen-Bakterien“ zu erwischen.
2️⃣ Bakterien aufwecken, bevor sie bekämpft werden: Medikamente, die Bakterien erst aus dem Schlaf holen, bevor das Antibiotikum zuschlägt, könnten eine Lösung sein.
3️⃣ Präzisere Tests für bessere Behandlung: Die bisherigen Labortests unterschätzen, wie viele Bakterien tatsächlich überleben. Neue Methoden, die das Verhalten der Keime in Echtzeit messen, könnten die Therapie anpassen und verbessern.

Klingt futuristisch? Vielleicht. Aber eines ist sicher: Solange Bakterien sich totstellen und wir glauben, sie wären wirklich verschwunden, spielen wir ein Spiel, das wir nicht gewinnen können.


Neuer Blick auf Antibiotika-Therapien

Diese Entdeckung verdanken die Forschenden einer neuen Methode, mit der sie erstmals live verfolgen konnten, was mit den Bakterien während der Antibiotika-Therapie wirklich passiert. Das Ergebnis war eindeutig:

  • Nicht nur einige wenige „Persister“ überleben – fast die ganze Bakteriengruppe bleibt erhalten.
  • Standardtests liefern ein verzerrtes Bild, weil sie die tatsächliche Zahl überlebender Bakterien unterschätzen.
  • Der Fokus auf einzelne widerstandsfähige Keime könnte die Antibiotika-Forschung in die falsche Richtung gelenkt haben.

Das bedeutet: Um bessere Behandlungen zu entwickeln, müssen wir nicht nur die Bakterien, sondern auch die Umgebung im Körper berücksichtigen. Vielleicht geht es in Zukunft nicht mehr nur darum, stärkere Antibiotika zu entwickeln – sondern darum, die Bakterien erst einmal aus ihrem Energiesparmodus zu holen, damit sie wieder angreifbar werden.


Ein Blick in die Zukunft

Diese Erkenntnisse könnten einen echten Wendepunkt in der Antibiotika-Forschung darstellen. Die Wissenschaftler*innen hoffen, dass in ein paar Jahren neue Methoden wie Einzelzell-Analysen in Echtzeit zum Standard werden. Denn eines ist klar:

Solange wir nur mit der Gießkanne gegen Infektionen vorgehen, bleiben viele Bakterien einfach sitzen – und tun das, was sie am besten können: Warten, bis die Gefahr vorüber ist.

Also, nächstes Mal, wenn ein Antibiotikum nicht so wirkt wie erwartet: Vielleicht sind die Bakterien gar nicht so stark. Vielleicht sind sie einfach nur cleverer als gedacht. 😉

Hier schreibt Jonas Weber. Mit einer Mischung aus fundierter Forschung und einem Augenzwinkern vermittelt er komplexe Themen verständlich und unterhaltsam.Wenn er nicht gerade über die neuesten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung schreibt, findet man ihn bei einem guten Espresso, auf der Suche nach dem perfekten Wortspiel oder beim Diskutieren über die großen Fragen des Lebens – zum Beispiel, warum man sich an peinliche Momente von vor zehn Jahren noch glasklar erinnert, aber nicht daran, wo man den Autoschlüssel hingelegt hat.

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