Von Hunden lernen
Ein Blick über den eigenen Tellerrand kann dich weiterbringen. Dazu müssen wir nicht unbedingt verreisen, um andere Kulturen kennenzulernen. Manchmal reicht ein Perspektivwechsel mit dem Hund, um neue Sichtweisen zu gewinnen, die das Leben verbessern können. Wir zeigen dir 6 Dinge, die wir von Hunden lernen können.
1. Gradlinig sein
Wen meine Goldie-Dame nicht mag, den meidet sie. Und ob es klappt, merkt sie schon von weitem. Die Art, wie der andere Vierbeiner geht, steht oder atmet, zeigt ihr: Das passt, oder das passt nicht. Und wenn es nicht passt, dann verschwendet sie keinen Moment ihrer kostbaren Lebenszeit damit, es dennoch zu versuchen. Solche Versuche scheitern meistens sowieso. Meine Goldie-Dame weiß genau, welche Art Hund sie mag: lebenslustig und fröhlich spielend, dabei aber stets kontrolliert und vorsichtig. So ist sie auch. Bei aller Spielfreude wahrt sie stets die höflichen Umgangsformen. Hunde, die eher grob agieren, ihre Signale nicht deuten und stets zu weit gehen, sind nicht ihr Ding. Diese zu identifizieren fällt ihr leicht, meine Olivia ist mittlerweile 11 und blickt auf eine stattliche Lebensweisheit zurück. Ich habe von ihr gelernt, klar zu sein und es zu sagen, wenn jemand zu weit geht. Das spart Unmengen an Missverständnissen, Ärger, Zeit und Energie. Vor allem, wenn man trotz aller Direktheit dabei auch noch freundlich bleibt.
2. Im Hier und Jetzt leben
Als jemand aus meinem Verwandtenkreis an Demenz erkrankte, tat mir das weh. Der Person natürlich auch. Zu sehen, wie jemandem die Kontrolle über das Leben entgleitet, ist hart. Auf der einen Seite. Aber wie immer ist da, wo Schatten ist, auch Licht. Niemals zuvor habe ich diese Person so zufrieden und glücklich gesehen. Das geschah, nachdem sie das Schicksal hingenommen hatte. „Ich vergess halt mal was“ sind nun ihre häufigsten Worte. Dabei lacht sie vor sich hin, und genießt den Moment. In all den Jahren zuvor habe ich sie, die früher ständig über Schmerzen klagte, noch nie so entspannt und heiter erlebt. Sie lebt den Moment, leider erst durch die Krankheit. Hunde machen das von Anfang an. Und ich mache es jetzt auch. Diese Sichtweise tut mir gut. Groll lass ich ziehen und ich gebe jedem neuen Tag die Chance, der schönste meines Lebens zu werden. Was dabei hilft? Unser Gedanke für den Tag. Den findet ihr jeden Morgen auf Minerva-Vision.
3. Rückgrat zeigen
„Wenn ich das jetzt sage, spricht sie nie wieder mit mir“, dachte ich oft bei einer ehemaligen Freundin. Und ich hatte Recht. Als sie wieder mit einem Problem ankam, meine aber niedermachte, sagte ich ihr, was ich immer dachte: „Vielleicht wären deine Probleme für mich gar keine. Vielleicht würde ich das, was dir so schwer fällt, mit links erledigen. Aber ich sage es dir nicht, weil ich merke, dass du dich da schwer tust und deinen Weg erst finden muss. Deshalb höre ich dir zu und versuche, dir dabei zu helfen. Und das wünsche ich mir von dir auch!“. Seitdem herrscht Funkstille. Wenn wir uns sehen, grüßen wir uns kurz. Ich hege keinen Groll, lebe aber besser ohne sie. Offensichtlich habe ich ihr Ego schwer verletzt, aber das stand uns ohnehin im Weg. Meine Hündin hätte das genauso gemacht. Wir Menschen fressen nur zu gerne unseren Ärger in uns hinein. Hunde tragen ihre Probleme, die sie miteinander haben, sehr direkt aus. Danach ist die Sache ausgeräumt und die Positionen oder die Rangfolge geklärt. Und für jeden Menschen, der geht, kommen zwei neue, die besser passen.
4. Dinge auf den Punkt bringen
Meine Hündin will von mir wissen, wo es langgeht. Sie will und braucht meine Führung. Und das hat mich gelehrt, klar und bestimmt zu sein und meine Anliegen klar zu formulieren – und es kommt mir zugute. Ich sage also nicht zu meinem Sohn: „Mein Lieber, ich habe da gesehen, dass du dein Zimmer nicht so richtig aufgeräumt hast und außerdem liegen deine Schuhe dort im Weg herum. Wirklich unschön…“. Ich sage klar, was ich von ihm erwarte. In einem ruhigen Ton. Das entspannt uns beide, weil es die Situation versachlicht und hat uns gut durch die Pubertät gebracht. Ich kritisiere ja nicht ihn, sondern sein Verhalten. Habt Mut zu klaren Ansagen. Solange ihr nur ein Verhalten kritisiert und keine Eigenschaften, wird das in der Regel sehr geschätzt und es erleichtert das Leben ungemein.
5. Prinzip Einfachheit
Klar gibt es Hundespielzeug. Und ich sitze an der Quelle. Meine Hündin hat einen ganzen Korb voller Stofftiere. Wir denken nun mal nicht selten, wir müssten unserem Liebling etwas ganz Besonderes mitbringen oder geben. Aber ich bin jetzt mal ehrlich: Nichts macht ihr mehr Spaß als ein alter Gummiball. Ihr wisst schon, diese unsagbar schönen Freuden-Luftsprünge, die Hunde machen, wenn sie sehen, was man in den Händen hält? Die macht mein altes Mädchen immer noch, wenn ich diesen Stinkeball mitnehme. Und was ist hier die Lehre? Wir alle haben doch diese alte Lieblingshose im Kleiderschrank, abgetragen, fadenscheinig, aber soooooo bequem. Weniger ist manchmal mehr. Überlegt mal, wie dieses hündische „Prinzip der Einfachheit“ auch auf euer Leben Anwendung finden kann!
6. Multitasking vermeiden
Hunde konzentrieren sich auf nur eine Sache zur selben Zeit und machen diese mit Hingabe. In einer Welt, die von Multitasking besessen ist, erinnern sie uns daran, dass es oft effektiver ist, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Experten bestätigen tatsächlich längst: Immer alles erledigen und am besten alles gleichzeitig: Das kann zu Burnout und Depressionen führen. Das sollten wir uns merken: Multitasking ist kein erstrebenswertes Ziel, sondern eine Psycho-Falle. Unsere kuscheligen Lehrmeister haben das längst erkannt, wir brauchten bis 2016 dazu. Da lieferten schwedische Wissenschaftler den Beweis, der auch im Fachmagazin „Frontiers in Human Neuroscience“ erschien. Die ließen eine Gruppe von Menschen eine schriftliche Prüfung machen. Die erste Gruppe durfte das in Ruhe, die andere unter Ablenkung. Die Gehirnscans zeigten, dass im Gehirn die Reaktion auf den Lärm weggedrängt wurde, damit eine Konzentration möglich war. Und das zeigt uns: Wir können nur eine Sache nach der anderen. Und wenn wir mehrere gleichzeitig machen, verbrauchen wir zusätzliche Gehirnaktivität und das strengt uns an. Kein Wunder, dass man danach vollkommen erschöpft ist. Also: Es lebe die To-do-Liste. Immer hübsch eine Sache nach der anderen machen. So kommt ihr entspannt ans Ziel. Meine Hündin wusste das schon immer – und ihr jetzt auch.
Autorin Claudia de la Motte ist seit mehr als 25 Jahren Chefredakteurin des Magazins „Hundewelt“. Sie ist dafür bekannt, Dinge klar auf den Punkt zu bringen und ist stets bestrebt, die Verbindung zwischen Menschen und ihren Hunden zu stärken.