Mindful Moments

Trudi und das Weihnachtswunder

Heiligabend. Ich habe den Baum geschmückt, die Geschenke liegen darunter – ein neues Spielzeug für Trudi, ein Buch für mich –, und draußen schneit es tatsächlich. Wie im Märchen.

Trudi sitzt unter dem Baum und starrt nach oben. Die Lichter spiegeln sich in ihren Augen, und sie sieht aus wie eine kleine Weihnachtselfe. Ich habe Kerzen angezündet, leise Musik läuft, und zum ersten Mal seit langem fühle ich diese alte Weihnachtsruhe.

“Nur wir beide”, sage ich zu ihr. “Ist das nicht schön?”

Sie miaut leise, als würde sie zustimmen.

Früher hatte ich Angst vor Weihnachten allein. Dachte, es wäre einsam, traurig, falsch. Aber jetzt, mit Trudi, merke ich: Es ist nur anders. Nicht einsam, sondern still. Nicht traurig, sondern friedlich.

Ich mache mir einen Glühwein, setze mich aufs Sofa. Trudi springt auf meinen Schoß, rollt sich zusammen und schnurrt. Draußen läuten die Kirchenglocken, und ich denke: Das ist es. Das ist Weihnachten. Diese Wärme, diese Geborgenheit, diese Liebe.


Weitere Themen:

Nicht die große Liebe mit Orchestermusik und Feuerwerk. Sondern die kleine, stille Liebe. Die Liebe zu einem warmen Zuhause. Zu einer Katze, die vertraut auf meinem Schoß schläft. Zu diesem Moment, der so perfekt ist, wie er ist.

Ich packe Trudis Geschenk aus – eine kleine Maus aus Filz, die raschelt, wenn man sie bewegt. Sie beschnüffelt sie, stupst sie mit der Pfote an, dann trägt sie sie in ihr Körbchen. Als wollte sie sie für später aufheben.

“Magst du sie?” frage ich.

Sie schnurrt. Das ist ihre Art zu sagen: “Danke.”

Mein Geschenk ist ein Gedichtband von Mary Oliver. Ich schlage eine zufällige Seite auf und lese: “Tell me, what is it you plan to do with your one wild and precious life?”

Trudi schaut mich an, als würde sie die Antwort kennen. Und vielleicht tut sie das. Vielleicht ist die Antwort ganz einfach: Lieben. Vertrauen. Da sein. Für jemanden da sein.

Die Kerzen brennen weiter. Draußen schneit es. Trudi schläft, und ich denke: Das ist mein Weihnachtswunder. Nicht spektakulär, nicht laut, nicht groß. Aber vollkommen.

Hier schreibt: Lilo Sommer lebt mit ihrer Katze Trudi in einer alten Stadtwohnung voller Bücher, Teetassen und zerfetzter Sofakissen. Sie liebt Jazz, Weißwein und diese stillen Momente, in denen Trudi schnurrend auf ihrem Bauch entspannt und sie anblinzelt, als wüsste sie alle Antworten auf das Leben, aber ihr trotzdem keine verrät. Wenn sie nicht gerade Trudis Launen deutet oder den nächsten Kissenbezug in Sicherheit bringt, schreibt sie für Deutschlands phantastisches Katzenmagazin Our Cats. (An jedem Kiosk oder im www.minervastore.de. Denn wer mit einer Katze lebt, weiß: Da gibt es immer was zu erzählen.

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