Gesundheit

So beeinflusst uns Weizen

Zöliakie ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die bei etwa einem Prozent der Weltbevölkerung auftritt. Sie wird durch den Verzehr von Gluten ausgelöst. Die Chemikerin Dr. Verónica Dodero von der Universität Bielefeld fand nun heraus, wie Gluten das Syndrom Leaky Gut (durchlässiger Darm) entstehen lässt. 

Eine Freundin von mir, Veronika, hat Probleme mit dem Darm.

Seit Jahren schon. Wenn wir gemeinsam etwas essen gehen, kann sie manchmal nur ganz wenig von ihrem Essen genießen und verschwindet auf dem stillen Örtchen. Auf Konzerten oder Fußballspielen müssen wir zunächst erkunden, wo sich die Toiletten befinden. Zur Vorbeugung nimmt sie immer Immodium ein, ein Anti-Durchfall-Mittel. Doch nun schreitet die Erkrankung voran. War am Anfang nur die Verdauung betroffen, entwickelt sie nun Nahrungsmittelallergien und nimmt stetig zu, obwohl sie die Ernährung nicht ändert. Die Diagnose lautet „Leaky Gut“, also ein Darm, in dem sich Löcher befinden. 

Das Thema Leaky Gut, auch als durchlässiger Darm bekannt, hat in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. Aber wie entsteht er genau? Und können wir uns davor schützen? Dr. Dodero hat neue Erkenntnisse gewonnen. 

Die Rolle des Glutens 

Weizen enthält Gluten und wenn wir Weizen essen, kann unser Körper die Glutenproteine nicht vollständig abbauen. Dies führt zur Bildung großer Glutenfragmente. Die unverdaulichen Reste klumpen also im Darm zusammen. Bei gesunden Menschen mit einem gesunden Darm schafft der Darm es trotzdem, sich selbst zu reinigen. Hier spielt eine ballaststoffreiche Ernährung eine große Rolle. Warum also können einige Menschen Gluten ohne Probleme vertragen, andere aber nicht? 

Die Wissenschaft hinter dem Leaky Gut 

Bei Patienten mit Zöliakie kommt es jedoch zu einer Besonderheit. Ihr Körper bildet ein bestimmtes Eiweiß, das sogenannte DGP (deamidierte 33-mer-Gliadin-Peptid). Es soll dem Körper helfen, diesen unverdaulichen Klumpen im Darm zu zersetzen. Aber es macht noch mehr – es greift auch die Darmhaut an und verursacht Löcher, was zum Leaky-Gut-Syndrom führt. 

Die Rolle der Darmschleimhaut

Die Darmschleimhaut ist eine wichtige Barriere, die verhindert, dass schädliche Substanzen in den Blutkreislauf gelangen. Beim Leaky-Gut-Syndrom ist diese Barriere geschwächt und schädliche Substanzen dringen in den Körper ein. Dies führt zu Entzündungsreaktionen und verschiedenen Krankheiten bis hin zu schweren Autoimmunerkrankungen, bei denen der Körper sich selbst angreift. 

Wo liegen die Ursachen?

Fachleute beschäftigt besonders, wo die Ursachen liegen. Ist es eine genetische Besonderheit? Dann wäre es Schicksal, welcher Mensch Gluten verträgt oder nicht. Oder wird alles durch Gluten ausgelöst? Überwiegend wird bislang von der Theorie ausgegangen, dass chronische Entzündungen bei Zöliakie zu einem Leaky Gut führen. Es gibt jedoch eine zweite Theorie, die besagt, dass die Auswirkungen von Gluten auf die Zellen der Darmschleimhaut die Hauptursache sind. Demnach schädigt Gluten direkt die Zellen der Darmschleimhaut, macht sie durchlässig. Dadurch gelangen Bakterien und andere Schadstoffe leichter in den Blutkreislauf, was zu Entzündungen und Autoimmunreaktionen führen kann, die möglicherweise bei genetisch veranlagten Menschen zu Zöliakie führen.

Neue Perspektiven für die Behandlung

Dr. Dodero glaubt, dass Gluten der Verursacher ist. „Unsere Ergebnisse unterstützen die medizinische Hypothese, dass eine durch Glutenpeptide verursachte Schwächung der Darmbarriere eine Ursache und nicht die Folge der Immunreaktion bei Zöliakie-Patienten ist“. 


Weil Gluten täglich konsumiert wird, sollten wir uns überlegen, gezielt Glutenpausen einzulegen. Gluten ist in Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel und Malz enthalten. Also hauptsächlich in Backwaren. Eine glutenfreie Ausweichmöglichkeit besteht in Hafer, Quinoa, Amaranth, Buchweizen, Reis und Hirse. Auch Kartoffeln, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Eier enthalten kein Gluten. 

Ein Haferfrühstück kann helfen 

Schon Sebastian Kneipp warb für die Vorzüge des Hafers. Bereits in der mittelalterlichen Klostermedizin wurde er als Heilmittel bei Problemen mit dem Magen-Darm-Trakt verwendet. Veronika hat eine Ernährungsberatung an der Uniklinik gemacht und frühstückt nun an 5 Tagen die Woche jeden Morgen Porridge, den sie aus Haferflocken und Haferkleie mit Wasser kocht. Dazu etwas Sahne. Hafer ist glutenfrei. Für Verwirrung sorgt, dass auf manchen Haferprodukten der Zusatz „glutenfrei“ steht, auf anderen nicht. Das liegt am Herstellungsprozess. Wenn vor dem Hafer der Weizen die Flockenpresse durchläuft, kann es bedingt durch den Herstellungsprozess dazu kommen, dass der eigentlich von Natur aus glutenfreie Hafer mit Gluten kontaminiert wird. Manche Hersteller schließen es aus, indem sie die Flockenpressen vor der Haferproduktion gründlich reinigen. Veronika geht es mit dem Haferfrühstück bedeutend besser – und sie hat abgenommen. Innerhalb von 6 Monaten bestimmt 8 Kilo. 

Die Forschung zu Leaky Gut und Zöliakie schreitet voran und liefert wichtige Einsichten in die zugrunde liegenden Mechanismen. Vielleicht gibt es langfristig andere Behandlungsmaßnahmen für das Leaky Gut Syndrom. Solange bleibt für Betroffene eine lebenslange glutenfreie Ernährung die einzige Therapie. Uns allen schadet es zur Vorbeugung jedoch auch nicht, glutenfreie Tage einzulegen.

Teilen