Familie

Paarzeit zurückholen

Wie du trotz Alltag und Kindern die Beziehung stärkst

Susa Ludwig

Neulich saß ich abends mit meinem Mann auf der Couch. Wir beide hatten die Handys in der Hand, jeder war in seiner eigenen Welt, und plötzlich dachte ich: Wann haben wir das letzte Mal einfach nur miteinander geredet, ohne Termine, ohne To-Do-Listen? Zwischen Kitaabholung, Job und Haushalt hatten wir uns selbst irgendwie verloren – nicht in einem großen Streit, sondern still und leise im Alltag. Ich merkte, dass mir diese Nähe fehlte, die wir früher hatten. Also habe ich angefangen, nach Wegen zu suchen, wie wir wieder mehr Paarzeit finden können, auch ohne Babysitter oder große Umkrempelung unseres Lebens. Und genau darum geht es hier: Wie kleine Veränderungen Großes bewirken können.

Warum Paarzeit so wichtig ist

Die Paartherapeutin Dr. Sue Johnson beschreibt in ihrer Forschung, dass emotionale Verbundenheit das Fundament stabiler Beziehungen ist. Fehlt diese Nähe, kann das Missverständnisse, Distanz und Konflikte fördern. Studien zeigen, dass Paare, die regelmäßig bewusste gemeinsame Zeit haben, eine höhere Zufriedenheit und weniger Konflikte erleben. Und es muss gar nicht viel Zeit sein: Schon kurze, tägliche Momente – selbst 10 bis 15 Minuten, in denen ihr euch ohne Ablenkung austauscht – können eure Verbindung spürbar stärken. Untersuchungen der University of Denver zeigen, dass Paare, die regelmäßig kurze, ungestörte Gespräche führen, langfristig eine stabilere Beziehung haben als solche, die dies nicht tun.

Den Alltag als Chance sehen

Viele denken, Paarzeit bedeute große Gesten oder teure Babysitter. Dabei gibt es im Alltag viele kleine Möglichkeiten. Es geht darum, bewusst gemeinsame Momente wahrzunehmen, die ohnehin da sind. Beim Frühstück könnt ihr euch statt der To-Do-Liste gegenseitig fragen, worauf ihr euch am Tag freut. Beim Aufräumen abends Lieblingsmusik anmachen und gemeinsam albern sein. Diese kleinen Gesten zeigen Wertschätzung und schaffen Nähe – ganz ohne Mehraufwand.

Kommunikation neu entdecken

Echte Gespräche kommen im Stress oft zu kurz. Dabei geht es nicht nur um Termine, sondern darum, einander zuzuhören und zu sehen, was den anderen bewegt. Ein einfacher Ansatz ist der „Tages-Check-in“: Fragt euch abends, was der beste und schwierigste Moment des Tages war. Ohne Ratschläge oder Problemlösungen – einfach zuhören. Das dauert keine zehn Minuten und stärkt das Verständnis füreinander.


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Meine Idee für euch:

Führt ein „Wir-Tagebuch“: Notiert abwechselnd, was euch am anderen freut oder wofür ihr dankbar seid. Lest es gemeinsam, wenn ihr einen ruhigen Moment findet. Körperliche Nähe wirkt oft unterschätzt, ist aber ein starker Bindungsfaktor. Schon kleine Gesten wie eine Hand auf der Schulter, eine kurze Umarmung oder bewusstes Kuscheln setzen Bindungshormone frei. Oxytocin, das sogenannte „Kuschelhormon“, wird bei längeren Umarmungen – oft schon nach etwa 20 Sekunden – verstärkt ausgeschüttet. Es kann Stress reduzieren und das Gefühl von Sicherheit und Nähe stärken.

Gemeinsam etwas schaffen

Projekte verbinden – egal, ob es der nächste Familienurlaub, ein neues Rezept, das Umgestalten eines Raums oder das Sortieren von Fotos ist. Solche Aktivitäten lassen euch als Team handeln, nicht nur als Eltern oder Haushaltsmanager. Rituale schaffen Verlässlichkeit und Vorfreude. Das muss nicht der klassische „Date Night“-Abend sein. Vielleicht ist es euer gemeinsamer Morgenkaffee, der Spaziergang am Sonntag oder ein fester Abend, an dem das Handy ausbleibt. Studien von John Gottman zeigen, dass Paare, die positive Rituale pflegen, deutlich zufriedener und langfristig stabiler zusammenbleiben.

Handyfreie Zonen

Smartphones sind oft die größten Störenfriede für Nähe. Eine einfache Regel: Kein Handy beim Essen oder in Gesprächen. Selbst 30 Minuten am Abend, in denen ihr euch ungestört zuwendet, können einen großen Unterschied machen. Manchmal ist das Leben so voll, dass große Gesten nicht möglich sind. In diesen Zeiten können kleine Zeichen der Zuneigung mehr bewirken als jedes aufwendige Date: Eine kurze Nachricht, ein Lieblingskaffee am Morgen oder ein schlichtes „Danke, dass du da bist“.

Wie wir es selbst geschafft haben

Als wir angefangen haben, kleine Rituale einzubauen – unseren Kaffee morgens, den Tages-Check abends und ab und zu einfach das Handy wegzulegen – hat sich etwas verändert. Heute habe ich immer noch das Gefühl, dass wir uns verlieren. Aber ich weiß, dass wir uns wiederfinden: jeden Morgen und jeden Abend. Vielleicht fühlt sich das für euch am Anfang ungewohnt an. Aber ich fühle mich heute wieder mit ihm verbunden. Vielleicht kann es auch für euch ein neuer Anfang sein. Es sind die kleinen Dinge, die den Unterschied machen.

Quellen:

Johnson, S. (2019). Hold Me Tight: Seven Conversations for a Lifetime of Love.

Gottman, J. & Silver, N. (2015). The Seven Principles for Making Marriage Work.

Stanley, S. M., Rhoades, G. K., & Whitton, S. W. (2010). Commitment and relationship quality. Journal of Family Psychology, 24(4), 497–505.

Carter, C. S. (2014). Oxytocin pathways. Annual Review of Psychology, 65, 17–39.

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